Frage an Helmut Scholz bezüglich Energie

Helmut Scholz
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DIE LINKE
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Frage von Margot A. •

Frage an Helmut Scholz von Margot A. bezüglich Energie

Sehr geehrter Herr Scholz,
Sind sie darüber informiert, daß die derzeitige griechische Regierung, auch mit Unterstützung europäischer Fördergelder, gigantische Windenergieanlagen unter Mißachtung aller europäischen Umweltgesetze auf vielen Inseln der Ägäis bauen lassen will? Daß es dabei zu massiven Umweltzerstörungen (Boden, Artenschutz, Landschaftsbild) kommt? Wie positionieren Sie und Ihre Partei sich dazu?
Mit freundlichen Grüßen,
Margot Arabin

Helmut Scholz
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau A.,

vielen Dank für Ihre Anfrage - ich entschuldige mich für die verspätete
Antwort.
Ich bin über die von Ihnen beschriebenen Vorgänge in Teilen informiert.
Und zwar über den Bau der Windenergieanlagen; jedoch ist mir nicht
bekannt, dass hierfür explizit EU-Fördergelder beantragt und verwendet
werden sollen.
Die Linksfraktion im EU-Parlament setzt sich seit Jahren für den Ausbau
erneuerbarer Energien und ein Ende der fossilen Energieversorgung ein.
Dazu gehört selbstverständlich auch der Ausbau von Windenergieanlagen.
Allerdings sehen wir als DIE LINKE. es durchaus kritisch, wenn die
Errichtung solcher Anlagen erneuerbarer Energien so umfangreich und
nachhaltig in die Umwelt eingreift, dass diese dauerhaft beeinträchtigt
oder unwiderruflich zerstört wird. Erst recht, wenn dies in
Naturschutzgebieten geschieht. So gewinnen wir gar nichts in puncto
Klima- und Umweltschutz.
Die EU hat mit dem insgesamt sehr erfolgreichen Netzwerk der
Natura-2000-Gebiete in den letzten Jahren wichtige Schritte getan, um
biologische Artenvielfalt in natürlichen Lebensräumen zu erhalten und
insgesamt die Verantwortung gerade der Politik - auf allen
Entscheidungsebenen von der Kommune bis zu den EU-Institutionen - für
die Umwelt zu stärken. Deshalb sind Flora und Fauna in diesen Gebieten
unter besonderen, strengen und verbindlichen Schutz gestellt worden. Und
obwohl es eben diese EU-weiten Regeln gibt, wird dies noch immer von
Behörden in einigen Mitgliedstaaten ignoriert. Mit weltweiten
Folgerungen, denn Ökosysteme sind global zu sehen und ohne
nationalstaatliche Grenzen - und damit zugleich immer auch regional. In
dem Fall für die griechischen Inseln in der Ägäis, die zum großen Teil
den Natura-2000-Netzwerk angehören. In den letzten Jahrzehnten massiv
geschädigt, gehören Ökosysteme geschützt. Das ist gemeinsame
Verantwortung und auch Verantwortung jedes EU-Mitgliedstaats bzw. jeder
regionaler Entscheidungsebene.
Aufgrund der jahrelangen Verdrängung von Fakten und entgegen
alarmierenden Hinweisen aus Wissenschaft, Fachpolitik und kritischer
Umwelt-Öffentlichkeit - erinnert sei hier z.B. an die Club of Rome -
aber auch von internationalen Verbänden und Organisationen auf
entschiedenes Umsteuern hin zu einer notwendigen verantwortungsvollen
Energie- , Klima-, Umwelt- und Agrarpolitik sind wir nun gegenwärtig
gezwungen, in einer historisch sehr kurzen Frist den Ausbau erneuerbarer
Energien voranzutreiben und konsequente Schritte für einen umfassenden
sozial-ökologischen Umbau unserer Wirtschaft vorzunehmen. Hier stoßen
viele gesamtgesellschaftliche Interessen, individuelle Sichten und
Eigeninteressen und politisch zu verantwortender Interessenausgleich
zwischen Produktion, Konsumtion und Umwelt- wie Klimaschutz aufeinander.
Eine neue Art zu leben ist mit großen wie kleinen und mittleren
Unternehmen in Industrie, Energiewirtschaft und Land- wie
Forstwirtschaft bei gleichzeitiger sozial gerechter und gute Arbeit
absichernder Gesellschaftspolitik zu realisieren. Das sehen - gerade
auch in dem von Ihnen ausgewiesenen Problemfeld - die
unterschiedlichsten Akteure allzu oft als Spagat zwischen dem
alternativlos gesehenen Ausbau einerseits und dem Schutz der Umwelt in
den Gebieten, in welchen dieser Ausbau vonstattengeht, andererseits.
Dieser Spagat kann und wird nicht auf Dauer machbar sein; wir brauchen
einen anderen Grundkonsens für dieses entschiedene Umsteuern. Das ist
demokratisch und zugleich viel schneller als bisher zu meistern, uns
rennt schlicht und einfach im „eigenen Interesse" die Zeit davon. Zu
leisten auch auf EU-Ebene und durchaus auch vom Europäischen Parlament,
das sich - so meine Sicht - in der Mehr-Ebenen-Entscheidungsstruktur der
EU von EU-weiten Ansätzen bis hinunter zur kommunalen Verantwortung
dieser Herausforderung stellt. Und dabei selbst mit seinen 7 Fraktionen
die unterschiedlichen gesellschaftlichen Sichten aus allen 27
EU-Mitgliedstaaten zu diesen Fragen widerspiegelt.
Darüber ist sich auch die Linke im EU-Parlament bewusst. Deshalb setzen
wir uns in den vielen initiativ- oder Gesetzgebungsverfahren und
Einzelentscheidungen zu Klimaschutz, Industrie- und Energiepolitik und
Internationaler Handelspolitik weiterhin konsequent dafür ein, dass ein
Ausbau regenerativer Energien nicht zulasten der Umwelt und vor allem
nicht in Naturschutzgebieten geschieht. Dazu gehört auch, dass bereits
bestehenden Windenergieanlagen dringend modernisiert werden müssen,
bevor neue errichtet werden. und sicherlich sind in dieser gesamten
Diskussion auch die weiteren Aspekte verantwortungsbewusster
umweltgerechter Stromerzeugung und -weiterleitung von Vermeidung von
Energiearmut bis hin zu Energieeinsparung (kommt viel zu selten in den
Fokus öffentlicher Wahrnehmung) viel offensiver zu thematisieren.
Bzgl. des Schutzes der Natura-2000-Gebiete ist neben den nationalen bzw.
regionalen Verantwortungsträger*innen zugleich die EU-Kommission
gefordert - und sie wird bereits tätig. Beispielsweise im Jahr 2019 hat
die EU-Kommission Klage gegen Griechenland eingereicht, weil es seine
Biodiversität nicht ausreichend schützt und die erforderlichen
Erhaltungsziele und Maßnahmen innerhalb der Natura-2000-Gebiete nicht
festgelegt hat. Das hat auch historische Ursachen. Wir sollten uns sehr
wohl erinnern, dass die von der EU- Troika, allen voran auch von der
deutschen Bundesregierung in der Zeit der Finanz- und Wirtschaftskrise
2009/2011 gegenüber Griechenland insbesondere betriebenen
Austeritätspolitik vieles an den Problemen verursacht, zumindest aber
verschärft hat, die wir heute unter anderen Rahmenbedingungen so
schmerzhaft wahrnehmen (müssen). Ein Ergebnis in Bezug auf die Klage der
EU-Kommission liegt noch nicht vor. Nähere Infos finden Sie hier:
https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_19_4257

Ich empfehle Ihnen, sich auch direkt mit unseren griechischen
Abgeordneten in Verbindung zu setzen, die wiederum eine direkte
Verbindung zu den entsprechenden Stellen vor Ort in Griechenland haben
und hier gezielt tätig werden können.
Die entsprechenden Abgeordneten sind hier aufgelistet:
https://www.europarl.europa.eu/meps/de/search/advanced?name=&groupCode=4277&countryCode=GR&bodyType=ALL

Mit freundlichen Grüßen
Helmut Scholz

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