Frage an Hilde Mattheis bezüglich Soziale Sicherung

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Hilde Mattheis
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Frage von Jonas J. •

Frage an Hilde Mattheis von Jonas J. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Matttheis,

Sie gelten als Anhängerin des linken Parteiflügels der SPD. Daher ergeben wir einige Fragen zu Politik und Partei.

1. Viele bemängeln, dass die SPD nicht mehr die "Sozialdemokratie" verkörpere. Die ursprünglich marxistische Parteiausrichtung wurde mit dem Godesberger Parteiprogramm längst verworfen, die rot-grüne Regierung gilt als neoliberaler als die liberal-konservative Kohl-Vorgängerregierung. Was verstehen Sie unter Sozialdemokratie und wie sehen Sie dieses Verständnis in der SPD in der Regierung, als auch in der SPD als Partei repräsentiert?

2. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel äußert sich immer wieder, dass die SPD "liberaler" und "wirtschaftsliberaler" werden muss. Haben Sie Bedenken, dass die SPD demnächst die Union in Puncto Wirtschaftsliberalismus überholen wird?

3. Die SPD definiert sich selbst als "Volkspartei". Beeinträchtigt Gabriels Forderungen (siehe zweite Frage) nicht diese Selbstbezeichnung, wenn man statt dem "Volk" eine wirtschaftliche Elite vertritt?

4. Ich selbst bin Schüler an einer öffentlichen Schule. Meiner Meinung nach sollte es zukünftig ein bundesweit gleiches Schulsystem im Rahmen einer Gemeinschaftsschule geben, in der jeder individuell nach seinen Stärken und Schwächen gefördert werden kann. So soll jedoch auch jemand Medizin studieren können, der in ein Fach, welches nicht damit im Zusammenhang gebracht werden kann, schlecht ist. Teilen Sie meine Auffassung? Setzen Sie sich und Ihre Partei für ein bundesweit einheitliches Schulsystem ein? Warum?

5. Den obersten ein Prozent der Weltbevölkerung gehören 99 Prozent des Privatvermögens. Finden Sie, dass diese Ungleichheit einen erheblichen Schaden an der Demokratie nehmen kann? Befürworten Sie die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und eines auf UN-Ebene verfassten Plans zur Milderung dieser Vermögensunterschiede? Warum?

Ich bedanke mich im Vorfeld bei Ihnen für Ihre Antworten.

Mit freundlichen Grüßen
Jonas Joseph

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Joseph,

vielen Dank für Ihre Nachricht!
Sie haben Recht, ich bin die Vorsitzende des Forum DL21 e.V., der Linken in der SPD. Gerne beantworte ich Ihre Fragen zur Ausrichtung der SPD.

1. 2007 haben wir im Hamburger Programm das Grundsatzprogramm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands beschlossen. Darin wurde festgelegt, dass "Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität die Grundwerte des freiheitlichen, demokratischen Sozialismus" sind, dem sich die SPD verpflichtet fühlt. Wir stehen "Für dauerhaften Frieden und für die Sicherung der ökologischen Lebensgrundlagen. Für eine freie, gerechte und solidarische Gesellschaft. Für die Gleichberechtigung und Selbstbestimmung allern Menschen – unabhängig von Herkunft und Geschlecht, frei von Armut, Ausbeutung und Angst." (siehe http://www.spd.de/linkableblob/1778/data/hamburger_programm.pdf )
In der Großen Koalition haben wir mit der Energiewende, dem Mindestlohn, der Rente mit 63, dem Staatsbürgerschaftsrecht und vielem anderen mehr viele sozialdemokratische Themen angegangen. Natürlich sind das immer Kompromisse, und es ist ein Wesensmerkmal der Sozialdemokratie, nie mit dem Erreichten zufrieden zu sein, sondern immer nach dem Mehr und Besser zu streben. Aus den Versäumnissen und Fehlern in der Vergangenheit haben wir nach einer umfangreichen Debatte gelernt und viele - wie Sie es nennen - "neoliberale" Entscheidungen wurden inzwischen zurückgenommen. Im Regierungsprogramm zur letzten Bundestagswahl haben wir klare und gute sozialdemokratische Ziele gesteckt. Ich arbeite dafür, diese Richtung beizubehalten und eine linke Positionierung der SPD zu wahren.

2. Nein.

3. Nein, wir vertreten Menschen, nicht Institutionen oder Firmen, also Beschäftigte, Rentnerinnen und Rentner, Kinder und Jugendliche, Frauen, alle Formen von Familie, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, mit und ohne körperliche, geistige oder seelische Behinderung und so weiter - siehe unser Grundsatzprogramm. Da diese Menschen, für die wir uns einsetzen, die große Mehrheit sind, sind wir nach wie vor eine "Volkspartei".

4. Ja, die SPD setzt sich für ein bundesweit einheitliches Schulsystem, mindestens für bundesweit einheitliche Standards ein. Es zeigt sich immer deutlicher, wie dieses System ausgestaltet sein muss: frühe Förderung, Gebührenfreiheit von der Kita bis zur Hochschule und möglichst flächendeckend Ganztagsschulen mit Essensangebot. Im Oberschulbereich eine Zweigliedrigkeit mit Gymnasien und Sekundarschulen, an denen man auch Abitur machen kann. Diverse Schulformen, unterschiedliche Lehrpläne – das ist zum Nachteil der Schülerinnen und Schüler.

5. Ja, die zunehmend stärker auseinanderdriftende Schere zwischen Arm und Reich werden zu einer großen Belastung der Demokratie werden, insbesondere da die politische Beteiligung der sozial ausgegrenzten Menschen zu gering ist. Nicht nur deshalb setze ich mich für eine stärkere Umverteilung ein und befürworte mehr Verteilungsgerechtigkeit über einerseits die stärkere Besteuerung hoher Einkommen und Vermögen sowie andererseits Investitionen in die öffentliche Daseinsvorsorge. Starke Schultern können und müssen mehr tragen. Ein Grund für die Notwendigkeit von mehr Umverteilung ist die soziale Segregation, also die fehlende Chancengerechtigkeit für Menschen aus sozial schwächeren Gruppen. Ein Beispiel: Jedes sechste Kind unter drei Jahren ist arm. Armut ist ein starkes Risiko für die Entwicklung dieser Kinder. Kinder im SGB-II-Bezug und mit Migrationshintergrund sind besonders häufig von Entwicklungsproblemen betroffen. Kinder, die in Armut aufwachsen, haben öfter Probleme mit der Sprache, der Motorik oder beim Zählen. Die Teilhabe an Aktivitäten im Sportverein oder der musischen Bildung ist ebenfalls stark sozial selektiv ausgeprägt. Armut und dessen Folgen können wir nicht tolerieren. Armen Kindern werden schon früh die Chancen auf ein besseres Leben genommen. Benachteiligte Kinder müssen besonders gefördert und unterstützt werden. Dazu gehört ein ganzheitliches integratives Konzept über Bildung, Betreuung und präventive Gesundheitsangebote.

Argumente und Hintergründe zu aktuellen politischen Themen aus Sicht der DL finden Sie auch unter http://forum-dl21.de/

Freundliche Grüße
Hilde Mattheis, MdB