Frage an Holger Mrosek bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Holger Mrosek
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Gladys B. •

Frage an Holger Mrosek von Gladys B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Wie sollen neue Arbeitsplätze geschaffen und gesichert werden?
Wie soll küftig mit Studiengebühren verfahren werden?
Wie soll die Kinderbetreuung künftig aussehen?
Warum wird die Privatversicherung nicht abgeschafft?
Warum werden die Mehrwertsteuern nicht verringert?

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Böhm,

wichtige Fragen, auf die man nicht kurz und knapp antworten kann, ich will
es dennoch versuchen:

* Wie sollen neue Arbeitsplätze geschaffen und gesichert werden?

Grüne Politik setzt auf Zukunft. Mit grünen Ideen können wir in den nächsten Jahren viele neue Arbeitsplätze schaffen. Im Unterschied zu den diversen Konjunkturprogrammen der Bundesregierung haben wir ein Konzept verstetigter Investitionen über einen Zeitraum von vier Jahren. Das schafft Verlässlichkeit und öffnet Pfade für ein nachhaltiges Entstehen neuer Jobs. Im Lauf der nächsten Legislaturperiode wollen wir eine Million Jobs in folgenden Bereichen verwirklichen:

- Erneuerbare Energien und Energieeffizienz
- Gebäudesanierung
- Landwirtschaft/ Biobranche
- Ressourcen
- Bildung und Betreuung
- Gesundheit und Pflege
- Sozialer Arbeitsmarkt
- Abbau von Schwarzarbeit

Hinzu kommt der von uns geforderte Mindestlohn von derzeit mindestens 7,50 Euro pro Stunde. Nicht die Menschen und deren Lohn sind zu teuer, sondern die Lohnnebenkosten. Mit unserem Progressiv-Modell wollen wir geringe Einkommen entlasten, aber auch Betriebe in die Lage versetzen mehr Personal zu beschäftigen. Eine gute Übersicht haben wir auf youtube zusammen gestellt, Sie finden diese Videos unter: http://hmrosek.zeit-fuer-gruen.de/wahlprogramm/

* Wie soll küftig mit Studiengebühren verfahren werden?

In den Ländern setzen sich Bündnis 90/ Die Grünen gegen Studiengebühren ein, haben sie in Hessen abgeschafft und in Hamburg in einem ersten Schritt deutlich abgemildert. Auf Bundesebene haben wir schon einmal versucht, ein Verbot von Studiengebühren durchzusetzen, sind aber an der Kompetenzordnung der Verfassung gescheitert. Durch die Föderalismusreform I der großen Koalition sind die Handlungsmöglichkeiten noch geringer. Doch selbst die wenigen verbliebenen Möglichkeiten hat die große Koalition nicht genutzt: Im Herbst 2008 legte die HIS-GmbH eine Studie zur Auswirkung von Studiengebühren vor. Sie zeigte, dass zwischen 6.000 und 18.000 Studienberechtigte des Jahrgangs 2006 aufgrund von Studiengebühren kein Studium aufnehmen wollten. Auch hier zeigen sich wieder gravierende Unterschiede: Studienberechtigte, von denen mindestens ein Elternteil ein Studium abgeschlossen hat, lassen sich von Studiengebühren deutlich seltener beeinflussen als Studienberechtigte anderer sozialer Herkunftsgruppen. Diese HIS-Untersuchung zur Auswirkung von Studiengebühren von Herbst 2008 wurden von Bundesbildungsministerin Schavan als Befürworterin von Gebühren zurückgehalten und erst auf maßgeblich von Bündnis 90/ Die Grünen mitorganisierten Druck veröffentlicht und öffentlich diskutiert.
Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich, dass die große Koalition sich bei den Ländern dafür hätte einsetzen müssen, keine Studiengebühren einzuführen bzw. bestehende abzubauen.

Aber wir fordern zur Förderung der Bildung noch mehr:

Das neue grüne Modell kombiniert zwei Säulen: den Studierendenzuschuss (Säule 1) und den Bedarfszuschuss (Säule 2). Mit Säule 1 erhalten alle Studierenden eine Sockelförderung in gleicher Höhe, unabhängig vom Elterneinkommen. Diese ist mit 200 Euro monatlich als Basisabsicherung geplant. Damit geben wir allen Studienberechtigten einen Anreiz, tatsächlich ein Studium aufzunehmen.

Mit Säule 2 sichern wir eine unerlässliche soziale Komponente: Der neue Bedarfszuschuss ist als Vollzuschuss mit 260 Euro monatlich geplant und muss – anders als das jetzige BAföG – nicht zurückgezahlt werden. Denn es sind ja überwiegend finanzielle Gründe, weshalb in den einkommensarmen und bildungsfernen Familien derzeit die meisten Bildungspotenziale brachliegen. Daher begünstigen wir diese Studierenden hiermit ganz gezielt. Mit den beiden Säulen könnten Studierende, zuzüglich etwaiger Wohngeldansprüche und Ausgaben für die Krankenversicherung, bis rund 800 Euro im Monat erhalten – also 150 Euro mehr als beim derzeitigen BAföG-Höchstsatz.

Neu an unserem Modell ist auch, dass die staatliche Familienförderung direkt bei den Studierenden ankommt. Denn die familienbezogenen Leistungen sollen nicht mehr an die Eltern der Studierenden ausgezahlt bzw. steuerlich gutgeschrieben werden. Stattdessen werden das bisherige Kindergeld sowie steuerliche Freibeträge in den neuen Studierendenzuschuss überführt.

* Wie soll die Kinderbetreuung künftig aussehen?

Wir entlasten Eltern und fördern jedes Kind individuell von Beginn an. Bildung beginnt in der Kita. Mit dem flächendeckenden Ausbau einer qualitativ hochwertigen Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur unterstützen wir alle Kinder und helfen, ihre Potentiale zu entfalten.

Gleichzeitig schaffen wir Chancengerechtigkeit und gleichen unterschiedliche Startbedingungen aus. Eltern können mit guten Kitas und Ganztagsschulen Familie und Beruf leichter vereinbaren, damit haben sie mehr Wahlfreiheit und das Risiko von Familienarmut sinkt. Durch eine kluge Neufassung der Familienleistungen entlasten wir Familien auch finanziell und fördern das Leben mit Kindern durch eine Kindergrundsicherung. Wir gehen gezielt gegen Kinderarmut vor, indem wir Infrastruktur ausbauen und die Geldleistungen zu einer Kindergrundsicherung reformieren.

Wir schaffen gute und gesunde Bedingungen für das Aufwachsen von Kindern. Das gilt für den Umweltschutz, genauso wie für die Verbraucherpolitik. Durch eine kluge Verknüpfung von Stadtteil- und Sozialpolitik verbessern wir das Leben von Kindern und Familien in ihrem sozialen Umfeld. Wir wollen eine starke wohnortnahe Beratungs- und Unterstützungsinfrastruktur – das stärkt Eltern und Kinder. Wir rücken Kinder in den Mittelpunkt, beteiligen Kinder und Jugendliche und stärken Kinderrechte.

* Warum wird die Privatversicherung nicht abgeschafft?

Wer arm ist, hat eine niedrigere Lebenserwartung. Dieser Satz beschreibt die traurige Realität des Zwei-Klassen-Gesundheitssystems in Deutschland. Auch hierzulande hängt die Gesundheit vom Geldbeutel ab. Der Trend hin zu einer Zwei-Klassen-Medizin mit Praxisgebühr, Zuzahlung, Selbstzahlung und langen Wartezeiten für die gesetzlich Versicherten wollen wir GRÜNE stoppen. Unser Ziel ist es, die gesundheitliche Versorgung weiter zu verbessern und den Zugang zu medizinisch notwendiger Versorgung hoher Qualität unabhängig von Einkommen, Geschlecht, Herkunft, sozialer Lage und Wohnort sicherzustellen. Praxisgebühr und Medikamentenzuzahlungen wollen wir daher abschaffen, weil sie für arme Menschen große Hürden darstellen und deshalb in nicht wenigen Fällen zur Verschleppung notwendiger Behandlung führen.

Eine für alle statt Flucht aus der Solidarität: Im Gesundheitssystem wollen wir mit der grünen Bürgerversicherung alle Menschen in die solidarische Finanzierung einbeziehen und damit die Zwei-Klassen-Medizin abschaffen. Das heißt für uns, dass der Gesundheitsfonds der großen Koalition zügig wieder abgewickelt werden muss. Die politische Festsetzung eines einheitlichen, aber nicht kostendeckenden Beitragssatzes dient als Einstieg zu einer zusätzlichen kleinen Kopfpauschale und führt zu einem Druck auf die Krankenkassen, ihren Versicherten notwendige Leistungen vorzuenthalten. Mehr Wettbewerb zwischen den Kassen in einem bundeseinheitlichen Wettbewerbsrahmen und mehr Qualitätswettbewerb zwischen Leistungsbringern zugunsten der Patientinnen und Patienten ist dabei sinnvoll, darf aber nicht zu Lasten der Beschäftigten im Gesundheitswesen gehen. Wir wollen eine Bürgerversicherung, in die alle gemäß ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit einbezahlen und die allen unabhängig von ihrem Geldbeutel die notwendige und angemessene medizinische Versorgung garantiert. Wir wollen verhindern, dass sich ausgerechnet die Leistungsstärksten aus dem solidarischen Umlagesystem in die Privatversicherung flüchten können. Und wir wollen verhindern, dass die Finanzierung des Gesundheitssystems einseitig durch die Lohneinkommen erfolgt. Deshalb sollen auch andere Einkommensarten wie Kapitaleinkommen und Einkommen aus gewerblicher Vermietung und Verpachtung in die Finanzierung einbezogen werden. Damit durch die Heranziehung weiterer Einkommensarten nicht vor allem kleine und mittlere Einkommensbezieherinnen und Einkommensbezieher belastet werden, wollen wir für die zusätzlichen Einkommensarten Freigrenzen einräumen und die Beitragsbemessungsgrenze anheben.

* Warum werden die Mehrwertsteuern nicht verringert?

Die Mehrwertsteuererhöhung trifft die kleinen und mittleren Einkommen. Vor allem die Familien, die einen überproportionalen Anteil des Haushaltseinkommens für Dinge des täglichen Bedarfs ausgeben müssen, bekommen das zu spüren. Mehrwertsteuererhöhungen sind sozial ungerecht. Eine ökologisch und ökonomisch sinnvollere Einnahmequelle wäre der Abbau umweltschädlicher Subventionen und Steuerprivilegien gewesen. Weitere Mittel hätten ein konsequentes Vorgehen gegen Steuerhinterziehung, das Abschmelzen des Ehegattensplittings und die Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 45 Prozent generiert, um Sozialversicherungsbeiträge zu senken und einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung zu leisten.

Wie Schwarz-Gelb die Einkommensteuersenkungen für Besserverdienende finanzieren will, die Union und FDP vollmundig angekündigt haben, steht in den Sternen. Nach der Wahl könnten die Wählerinnen und Wähler wohl abermals durch eine deutliche Mehrwertsteuererhöhung überrascht werden.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meinen Antworten weiterhelfen.

Mit freundlichen Grüßen

Holger Mrosek