Frage an Ilse Aigner bezüglich Gesundheit

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Ilse Aigner
CSU
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Frage von Ulrich P. •

Frage an Ilse Aigner von Ulrich P. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Ministerin,

nach der Lektüre des Sachbuches von Thilo Bode stellen sich ein ganzer Berg von Fragen an Sie als zuständige Ministerin.
Das Lebensmittelrecht kennt die zentrale Aufgabe, den Verbraucher vor gesundheitlichen
Gefahren zu schützen. Diese Vorgabe wird nicht eingehalten.
Ist genverändertes Futtermittel zugelassen?
Etwa 150 der zugelassenen Zusatzstoffe gelten als gesundheitlich bedenklich (z.T. krebs- auslösend). Warum werden diese nicht verboten?
Ist es richtig, dass Gammelfleisch und Schlachtabfälle undeklariert in Lebensmittel ver-
arbeitet werden darf? Gibt es einen Markt für Schlachtabfälle?
Wieso wird der cumarin-verseuchte Cassia-Zimt nicht verboten, welcher Krebs verursachen kann, wenn der weitaus weniger belastete Ceylon-Zimt zur Verfügung steht?
Warum werden Lebensmittel nicht allgemeinverständlich und deutlich deklariert, damit der Verbraucher eindeutig die Risiken erkennen kann? Warum darf der Hersteller ganz legal den Verbraucher täuschen mit Behauptungen, welche falsch sind?
Warum werden Ostsee-Fische zum Verzehr zugelassen, welche stark mit Dioxin belastet sind?
Können Sie als Verbraucherschutzministerin eindeutig zusagen, dass in den Lebensmittel kein Acrylamid, Cumarin, Dioxine, PCB, Nitrat, Nitrofen und Uran enthalten sind?
Gibt es Studien über das Zusammenwirken der Zusatzstoffe?
Warum werden dem Verbraucher die Namen der Firmen verweigert, welche bei Lebensmittelkontrollen beanstandet werden? Warum wurde das sog. Verbraucherinformationsgesetz nach der ursprünglichen Fassung so stark verwässert, dass der Verbraucher bei Verweigerung des Erzeugers keine Auskunft bekommt?
Warum hat der Gesetzgeber durch die Ausführungsbestimmungen die EU-Verordnung
178/2002 zuungunsten des Verbrauchers total verwässert? War da mal wieder die
Lobby zu stark?
Vielen Dank für Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Parth

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Parth,

vielen Dank für Ihre Fragen.

Zunächst halte ich Ihre pauschale Feststellung, dass das Lebensmittelrecht seiner zentralen Aufgabe, die Verbraucher und Verbraucherinnen zu schützen, nicht nachkommt, für bedenklich.

Nun zu Ihren Fragen, die ich gerne der Reihe nach etwas ausführlicher
beantworte:

- In der Vergangenheit wurden EU-weit eine Reihe gentechnisch veränderter Pflanzen zur Verwendung in Futtermitteln zugelassen.

- Hinsichtlich der zugelassenen Zusatzstoffe ist anzumerken, dass diese in Lebensmitteln nur innerhalb eng gefasster Grenzen Anwendung finden dürfen, wenn eine hinreichende technologische Notwendigkeit nachgewiesen werden kann, wenn sie für Verbraucherinnen und Verbraucher gesundheitlich unbedenklich sind, wenn Verbraucherinnen und Verbraucher durch ihre Verwendung nicht irregeführt werden. Die Zulassung und Verwendung von Lebensmittel-Zusatzstoffen ist in der Europäischen Union durch Gemeinschaftsrecht geregelt. Eine Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften in deutsches Recht ist insbesondere durch die Zusatzstoff-Zulassungsverordnung (ZZulV) und die Zusatzstoff-Verkehrsverordnung (ZVerkV) erfolgt. Die Zulassung für einen Lebensmittel-Zusatzstoff wird nur dann erteilt, wenn die gesundheitliche Unbedenklichkeit des Stoffes und seiner Anwendung erwiesen ist, und dies durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit - EBLS - bestätigt wurde. An die für die Prüfung durch die EBLS herangezogenen Unterlagen und Daten über toxikologische Untersuchungen werden hohe Anforderungen gestellt. Wenn notwendig, werden Verwendungsbeschränkungen bei der Zulassung eines Stoffes festgelegt, d.h. ein Zusatzstoff darf nur bei der Herstellung von bestimmten Lebensmitteln und/oder nur in begrenzter Menge eingesetzt werden. Im Rahmen der zugelassenen Höchstmengen und/oder Beschränkungen auf bestimmte Lebensmittel gilt die Verwendung von Zusatzstoffen als gesundheitlich unbedenklich.

- Zum sogenannten „Gammelfleisch“: Nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte („Gammelfleisch“) müssen gemäß den Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 verarbeitet, entsorgt oder verwendet werden. Nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte dürfen nicht mehr für die Herstellung von Lebensmitteln genutzt werden. Nach der EG-Verordnung werden nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte in drei Kategorien eingeteilt. Material der Kategorie 1 muss grundsätzlich durch Verbrennen oder Vergraben vernichtet werden. Material der Kategorie 2 darf nach entsprechender Verarbeitung u. a. in Biogas- oder Kompostierungsanlagen oder technischen Anlagen genutzt werden. Material der Kategorie 3 darf u. a. für die Herstellung von Heimtierfuttermitteln Verwendung finden; es darf auch technischen Betrieben oder Biogas- und Kompostierungsanlagen zugeführt werden. Aus der Statistik des Verbandes der Verarbeitungsbetriebe tierischer Nebenprodukte ergibt sich, dass die genannten Betriebe diese Verwertungswege nutzen.

- Cassia-Zimt: Cumarin ist ein natürlicher Inhaltsstoff vom verschiedenen Pflanzen, u. a. von Zimt. Cassia-Zimt kann im Vergleich zu Ceylon-Zimt beträchtliche Gehalte an Cumarin aufweisen. Cumarin darf als solches bei der Herstellung von Lebensmitteln nicht verwendet werden. Es darf in zusammengesetzten Lebensmitteln enthalten sein, wenn dies auf die Verwendung von cumarinhaltigen Zutaten wie Zimt zurückzuführen ist. Zum Schutz der Verbraucher wurden Höchstmengen für Cumarin in zusammengesetzten Lebensmitteln festgelegt. Sofern diese Höchstmengen auch bei der Verwendung von Cassia-Zimt durch geeignete Dosierung eingehalten werden, ist dies nach dem Stand der Erkenntnisse gesundheitlich unbedenklich. Insofern kann ein absolutes Verkehrsverbot von Cassia-Zimt nicht begründet werden.

- Kennzeichnung von Lebensmitteln: Unklar ist, was mit „Risiken“ gemeint ist. Es bestehen weitreichende und sehr eingehende Kennzeichnungsanforderungen hinsichtlich vor verpackter Lebensmittel. Nach den auf der Lebensmittel-Etikettierungsrichtlinie 2000/1 3/EG beruhenden Vorschriften der Lebensmittel Kennzeichnungsverordnung sind bei diesen Lebensmitteln grundsätzlich anzugeben z. B. die Verkehrsbezeichnung, die Haltbarkeitskennzeichnung, das Verzeichnis der Zutaten in bestimmten Fällen die Menge einzelner Zutaten. Hervorzuheben ist insbesondere die Verpflichtung zur Zutatenangabe. Hierbei sind in absteigender Reihenfolge des Gewichtsanteils die verwendeten Zutaten grundsätzlich im Einzelnen aufzulisten., bei z. B. Hervorhebung einer Zutat auch deren Menge. Soweit es sich um Lebensmittel-Zusatzstoffe handelt, müssen diese angegeben werden mit ihrem sog. Klassennamen (z. B. Konservierungsstoff gefolgt von der Verkehrsbezeichnung oder der dem jeweiligen Zusatzstoff zugeordneten E-Nummer. Durch den Klassennamen wird sichergestellt, dass die Verbraucher über die Kategorie des betreffenden Zusatzstoffes unterrichtet werden; die Verkehrsbezeichnung, die in der Tat ggf. nicht eingängig ist (z. B. Calciumcarbonat), oder die E-Nummer (E 170) dienen der weiteren Verbraucherinformation. Eine Abweichung von diesem System hätte eine Einschränkung der Verbraucherinformation zur Folge. Im Hinblick auf allergene Zutaten (z. B. Glutenhaltiges Getreide, Haselnüsse) ist sichergestellt, dass die Verbraucher stets von der Verwendung im Lebensmittel unterrichtet werden.

- Täuschung des Verbrauchers: Mir ist nicht klar, was Sie mit „Täuschung“ meinen. Fest steht jedenfalls, dass es nach § 11 LFGB verboten ist, Lebensmittel unter irreführenden Aufmachungen oder Angaben in den Verkehr zu bringen. Dieses allgemeine Verbot zum Schutz vor Täuschung überführt die entsprechende Reglung der Richtlinie 2000/13/EG in deutsches Recht. Wann eine solche Irreführung vorliegt, ist im Einzelfall von den für die Lebensmittelüberwachung zuständigen Landesbehörden zu beurteilen.

- Ostsee-Fisch: Gemäß Anhang Abschnitt 5 der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 der Kommission zur Festsetzung von Höchstgehalten für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln gelten EU-weit, also auch in Deutschland, Höchstgehalte für Dioxine und dioxinähnliche PCB u.a. in Fisch und Fischereierzeugnissen. Damit wird verhindert, dass hoch belastete Lebensmittel in den Verkehr gelangen. In Artikel 7 Absatz 4 der o.g. Verordnung ist eine Ausnahmeregelung für Finnland und Schweden festgeschrieben: Diese beiden Länder dürfen 6 Fischspezies auf ihren heimischen Märkten in Verkehr bringen, deren Gehalt an Dioxinen und PCB die Höchstgehalte übersteigen.

- Acrylamid etc.: Bei Acrylamid handelt es sich nicht um einen klassischen Kontaminanten (Verunreinigungen), der aus Unachtsamkeit oder durch Vorsatz in unsere Lebensmittel gelangt und durch gesetzliche Initiativen einfach verboten werden könnte. Die Entstehung von Acrylamid ist bei der Herstellung und Zubereitung bestimmter Lebensmittel auch im Haushalt unvermeidbar. Aus Sicht des vorbeugenden gesundheitlichen Verbraucherschutzes sollten aber alle Anstrengungen unternommen werden, um den Gehalt so niedrig wie vernünftigerweise möglich zu halten. Dioxine und PCB sind anthropogene Kontaminanten mit beinahe ubiquitärer Verbreitung. In vielen Bereichen kann eine Hintergrundbelastung der Umwelt und von Lebensmitteln mit diesen Stoffen festgestellt werden, die jedoch nicht als gesundheitsgefährdend eingestuft wird. Zum Schutz der Gesundheit von Verbraucherinnen und Verbraucher sind für bestimmte Lebensmittel zulässige Höchstgehalte an Dioxinen und dioxinähnlichen PCB in der EU-Verordnung 1881/2006 festgelegt worden. Nitrat ist ein Pflanzennährstoff, der natürlicherweise im Boden vorkommt und für das Wachstum von Nahrungspflanzen unverzichtbar ist. Durch gute Agrar- und Herstellungspraxis lassen sich unnötig hohe Nitratgehalte und in der Folge mögliche gesundheitliche Nachteile vermeiden. Zum Schutz der Gesundheit von Verbraucherinnen und Verbraucher sind für bestimmte Lebensmittel zulässige Höchstgehalte an Nitrat in der EU-Verordnung 1881/2006 festgelegt worden. Uran ist ein chemisches Element, das in normalen Böden ebenso vorkommt, wie in Flüssen, Seen und im Meer. Auch Lebensmittel enthalten geringe Mengen an Uran. Cumarin ist ein natürlich vorkommender sekundärer Pflanzenstoff der u. a. in Waldmeister und Zimt vorkommt. Lebensmittel, die unter Verwendung von diesen Produkten hergestellt oder zubereitet werden, enthalten aus diesem Grund auch Cumarin. Die Anwendung der Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffes Nitrofen ist seit über 20 Jahren in der EG verboten. Für alle Lebensmittel gilt der Wert von 0,01 mg/kg; dieses entspricht der chemischen Bestimmungsgrenze. Befunde, die über diesem Wert liegen, sind seit vielen Jahren von der zuständigen Lebensmittelüberwachung der Länder nicht mehr identifiziert worden.

- Studien bezüglich Zusatzstoffen: Zu Kombinationswirkungen von Lebensmittel-Zusatzstoffen gibt es vereinzelte, jedoch keine systematischen Studien.

- Angebliches Vorenthalten der Firmennamen, bei denen Beanstandungen bei Lebensmittelkontrollen vorliegen: Die Namen der Firmen werden den Verbrauchern keineswegs verweigert. Vgl. Antwort der BReg zu Frage Nr. 4 der beigefügten Drs. 16/13890 vom 13.August 2009.

- Verbraucherinformationsgesetz: Das Verbraucherinformationsgesetz wurde keineswegs „verwässert“, sondern ist im Gegenteil wesentlich verbraucherfreundlicher als die von Frau BM’n a D. Renate Künast in der letzten Legislaturperiode vorgelegten Entwürfe. Dies wird in der Vorbemerkung der BReg zu der o.g. Kleinen Anfrage der Grünen ausführlich und sehr detailliert dargelegt. Ausführungsbestimmungen: Die Artikel 14 bis2l der Verordnung (EG) Nr. 178/2002, der sog. Basisverordnung zum Lebensmittelrecht, enthalten allgemeine Anforderungen des Lebensmittelrechts, wie das Verbot, gesundheitsschädliche Lebensmittel in den Verkehr zubringen (Artikel 14), die Verpflichtung der Lebensmittelunternehmer, Systeme zur Rückverfolgbarkeit einzurichten (Artikel 18), die Verpflichtung der Lebensmittelunternehmer, nicht rechtskonforme Lebensmittel vom Markt zu nehmen sowie Unterrichtungspflichten (Artikel 19). Mit diesen allgemeinen Vorschriften sind erstmals im gemeinschaftlichen Lebensmittelrecht derartige horizontale Regelungen eingeführt worden. Sie gaben deshalb nach ihrem Erlass Anlass zu einer Reihe von Nachfragen in den einzelnen Mitgliedstaaten im Hinblick auf konkrete Sachverhalte bzw. Fragestellungen wie z. B., welche Angaben konkret erforderlich sind, damit ein System der Rückverfolgbarkeit akzeptabel ist. Aus diesem Gründen hat nach Erlass der Verordnung im Januar 2002 die Kommission im Zusammenwirken mit einzelnen Mitgliedstaaten (u. a. D) Leitlinien zu einzelnen Artikeln der Verordnung entwickelt, die als eine Art Handreichung bei der Anwendung der Verordnung dienen soll. Die Leitlinien sind von dein Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit billigend zur Kenntnis genommen worden. Sie sind nicht rechtsverbindlich, es kann damit auch von ihnen abgewichen werden.

Mit freundlichen Grüßen

Ilse Aigner MdB

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