Frage an Ilse Aigner bezüglich Verbraucherschutz

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Ilse Aigner
CSU
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Frage von Arthur S. •

Frage an Ilse Aigner von Arthur S. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrte Frau Aigner,

warum müssen wir Verbraucher uns mit unverständlichen oder irreführenden Inhaltsangaben in Lebensmitteln, wie z.B. "natürliches Aroma" abspeisen lassen? Warum kann da nicht einfach draufstehen, was drin ist, d.h. "synthetisches Aroma"?

Und warum kann die Lebensmittel-Lobby die Ampelkennzeichnung stoppen, obwohl sie doch von der überwältigenden Mehrheit der Bürger (69% laut Emnid) gewünscht wird? Angeblich geht doch alle Staatsgewalt vom Volke aus...

Ich freue mich auf Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen

Arthur Seidl

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Seidl,

vielen Dank für Ihre Fragen.

Als Verbraucherschutzministerin ist es mir ein besonderes Anliegen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher auf verständliche und klare Weise über die Nährwerte von Lebensmitteln durch entsprechende Angaben auf Lebensmittelverpackungen und -etiketten informiert werden, damit ihnen die Lebensmittelauswahl im Sinne einer gesunden und ausgewogenen Ernährung erleichtert wird. Nach geltendem EU-Recht ist eine Nährwertkennzeichnung von verpackten Lebensmitteln derzeit jedoch grundsätzlich freiwillig und nur in bestimmten Fällen verpflichtend vorzunehmen. Im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) wurde daher in Ergänzung zu den bereits in der Europäischen Union bestehenden rechtlichen Anforderungen an die Nährwertkennzeichnung das „1 plus 4“-Modell zur Angabe freiwilliger erweiterter Nährwertinformationen auf verpackten Lebensmitteln entwickelt.

Die Elemente des „1 plus 4“-Modells sind der Energiegehalt (Brennwert) sowie die Gehalte an Zucker, Fett, gesättigten Fettsäuren und Salz. Diese Angaben sollen in der Regel bezogen auf eine Portion in einheitlichen und wieder erkennbaren Symbolen auf Lebensmittelverpackungen bzw. -etiketten erfolgen. Dabei soll mindestens der Brennwert auf der Schauseite des Etiketts angebracht werden. Zusätzlich zu den Mengenangaben sollen auch die Prozentanteile in Bezug auf den jeweiligen Richtwert für die Tageszufuhr angegeben werden. Da alle Angaben auf eine Portion bezogen angegeben werden, wird es leicht ersichtlich, welcher Anteil des Richtwertes jeweils mit dem Verzehr einer Portion des Lebensmittels abgedeckt wird.
Weitere Informationen dazu finden Sie auf www.bmelv.de.

Es ist erfreulich, dass das „1 plus 4“-Modell bereits in großem Umfang anwendet wird und immer mehr verpackte Lebensmittel mit den Angaben nach diesem Modell versehen werden. Ich hoffe zudem, dass Verbraucherinnen und Verbraucher dieses Informationsangebot auch nutzen. Das „1 plus 4“-Modell wird jedenfalls durch Verbraucherinnen und Verbraucher positiv beurteilt. Dies ergab eine im März 2008 im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz durchgeführte repräsentative Meinungsumfrage. Über 80 Prozent der Befragten beurteilten die Darstellung nach diesem Modell als informativ, verständlich und übersichtlich.

Bei der Erarbeitung des „1 plus 4“-Modells haben wir uns auch intensiv mit der Ampelkennzeichnung nach britischem Vorbild mit den Farben grün, gelb und rot, die für einen niedrigen, mittleren und hohen Gehalt eines Nährstoffs stehen, beschäftigt. In diesen Diskussionsprozess wurde auch die Wissenschaft einbezogen. Von verschiedenen Wissenschaftlern wurden dabei Bedenken gegen ein solches Darstellungsmodell geäußert und auf die fehlende wissenschaftliche Grundlage verwiesen (z. B. Pressemeldung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung vom 25. September 2009 „Wissenschaftliche Basis für Ampelkennzeichnung einzelner Lebensmittel fehlt“ abrufbar unter http://www.dge.de/modules.php?name=News&file=article&sid=961). Meine Zweifel, ob eine solche vereinfachte Klassifizierung von Lebensmitteln tatsächlich Vorteile für Verbraucherinnen und Verbraucher bringt, wurden damit bestätigt. Dennoch steht es Unternehmen frei, ein solches Darstellungssystem zu verwenden, wenn dieses im Einklang mit den allgemeinen lebensmittelrechtlichen Vorschriften ist.

Ferner möchte ich darauf hinweisen, dass die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Nährwertkennzeichnung im Sinne einer erweiterten Verbraucherinformation verbessert werden sollen. Der derzeit auf EU-Ebene beratene Verordnungsvorschlag sieht z. B. eine verpflichtende Nährwertkennzeichnung (Angabe des Energiegehalts und der Gehalte an Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker und Salz bezogen auf 100 g bzw. 100 ml des Lebensmittels) auf der Verpackung oder dem Etikett grundsätzlich bei allen Lebensmitteln vor. Nähere Informationen zu dem Verordnungsvorschlag finden Sie auf der Website der Europäischen Kommission unter
http://ec.europa.eu/food/food/labellingnutrition/foodlabelling/proposed_legislation_en.htm

Was Ihre Frage zur Kennzeichnung von Aromen betrifft, möchte ich Ihnen Folgendes mitteilen:

Die Anforderungen an die Verwendung und Kennzeichnung von Aromen ist ebenfalls gemeinschaftsrechtlich geregelt. Die betreffenden EG-Vorschriften wurden durch die Aromenverordnung und die Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung in deutsches Recht umgesetzt (abrufbar unter http://bundesrecht.juris.de/aktuell.html ). Demnach genügt hinsichtlich der Kennzeichnung von Aromen in zusammengesetzten Lebensmitteln die Angabe „Aroma“. Es kann jedoch auch eine genauere Bezeichnung oder eine Beschreibung des Aromas verwendet werden. Das Attribut „natürlich“ darf im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Aromen nur gebraucht werden, wenn die aromatisierenden Bestandteile des Aromas ausschließlich aus natürlichen Aromastoffen oder Aromaextrakten bestehen. Wenn die Verkehrsbezeichnung eines Aromas einen Hinweis auf ein bestimmtes Lebensmittel oder einen bestimmten Aromaträger enthält (z.B. „Erdbeeraroma“), dürfen das Wort „natürlich“ und gleichsinnige Angaben nur gebraucht werden, wenn das Aroma ausschließlich natürliche Aromastoffe oder Aromaextrakte enthält und die aromatisierenden Bestandteile ausschließlich oder fast ausschließlich aus dem betreffenden Lebensmittel oder Aromaträger gewonnen wurden.

Die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über Aromen wurden kürzlich überarbeitet. Die neuen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1334/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Aromen und bestimmte Lebensmittelzutaten mit Aromaeigenschaften gelten mit einigen Übergangsvorschriften ab dem 20. Januar 2011. Um die Information in diesen Bereich zu verbessern, wurden u. a. auch die Anforderungen an die Kennzeichnung „natürlich“ konkretisiert.

Wird der Begriff „natürlich“ zur Bezeichnung eines Aromas in der Verkehrsbezeichnung verwendet, so gelten zukünftig folgende Bestimmungen:
• Der Begriff „natürlich“ darf zur Bezeichnung eines Aromas nur verwendet werden, wenn der Aromabestandteil ausschließlich Aromaextrakte und/oder natürliche Aromastoffe enthält.
• Der Begriff „natürlich“ darf in Verbindung mit einer Bezugnahme auf ein Lebensmit-tel, eine Lebensmittelkategorie oder einem Aromaträger nur verwendet werden, wenn der Aromabestandteil ausschließlich oder mindestens zu 95 Gew.-% aus dem in Bezug genommenen Ausgangsstoff gewonnen wurde. Die Stoffe des verbleibenden 5 Gew.-%-Anteils dürfen nur für die Standardisierung oder zur Verleihung einer frischeren, schärferen, reiferen oder grüneren Aromanote verwendet werden.
• Die Bezeichnung „natürliches (z. B. Erdbeer-) Aroma mit anderen natürlichen Aromen“ darf nur verwendet werden, wenn der Aromabestandteil zum Teil aus dem in Bezug genommenen Ausgangsstoff stammt, dessen Aroma leicht erkennbar ist.
• Die Bezeichnung „natürliches Aroma“ ist zu verwenden, wenn das Aroma aus verschiedenen Ausgangsstoffen stammt und die Nennung der Ausgangsstoffe es nicht zutreffend beschreiben würde.

Der Aromenbereich ist gemeinschaftsrechtlich abschließend geregelt. Dies gilt auch für die Kennzeichnung. Es besteht daher kein Spielraum für davon abweichende oder ergänzende einzelstaatliche Vorschriften. Die von Ihnen vorgeschlagene Angabe „synthetisches Aroma“ kann somit nicht vorgeschrieben werden. Allerdings darf auch der Begriff „natürlich“ nur unter den o. g. Voraussetzungen verwendet werden.

Zu Ihrer weiteren Information können Sie die Verordnung (EG) Nr. 1334/2008 unter http://eur-lex.europa.eu/de/index.htm abrufen.

Falls Sie weitere Fragen zum Thema haben, können Sie mir diese gerne an mein Ministerium schreiben. Auf der Plattform "Abgeordnetenwatch" können sich interessierte Bürgerinnen und Bürger an mich wenden, wenn sie Fragen haben, die mein Abgeordnetenmandat betreffen. Ich bitte Sie, zukünftig darauf Rücksicht zu nehmen.

Mit freundlichen Grüßen
Ilse Aigner MdB

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