Frage an Ingrid Arndt-Brauer bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Ingrid Arndt-Brauer
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Frage von Ulrich D. •

Frage an Ingrid Arndt-Brauer von Ulrich D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Arndt-Brauer,

Hintergrund:
Ein Gericht hat geurteilt, daß ein Lehrer aus Rheine, sich in seiner Kritik gegenüber Politikern zurück halten muß, da er als Lehrer einen Vorbildfunktion hat (was dieses auch immer bedeutet).
Das Gericht hat nicht den Wahrheitsgehalt der Aussage beurteilt.
Ein Politiker, der vor einer Wahl Versprechen macht und diese nach der Wahl nicht einhalten kann, obwohl sein Versprechen schon vor einer Wahl zweifelhaft war, kann dieses ohne rechtliche Konsequenzen machen.

Meine Fragen hierzu:
1. Hat einen Bundestagsabgeordneter keine so genannte Vorbildfunktion?
2. Darf ein Bundestagsabgeordneter, der aus dem öffentlichen Dienst kommt, überhaupt überspitzt einen anderen Politiker die Meinung sagen?
3. Sind Sie der Meinung, daß die Meinungseinschränkungen von Mitarbeitern des öffentlichen Diensten vertretbar und mit den materiellen Vergünstigungen abgegolten sind?

mfg
U. Dißars

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Dißars,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Ihre Fragen beantworte ich wie folgt:

zu 1:
Ein Bundestagsabgeordneter ist eine Person des öffentlichen Lebens. Vor diesem Hintergrund hat er/sie eine besondere Vorbildfunktion. Vorab was Wahlversprechen betrifft: Wahlversprechen werden von Parteien gemacht, nicht von Einzelpersonen - sie sind demzufolge Ergebnis eines (internen) demokratischen Meinungsbildungsprozessen. Ihre Umsetzung hängt keineswegs allein vom Willen der Partei ab, sondern von den realen Mehrheits-, sprich Machtverhältnissen. Absolute Mehrheiten bilden mittlerweile die Ausnahme. Parteien können also ihre Wahlprogramme daher selten eins zu eins umsetzen, sondern müssen in Koalitionen Kompromisse suchen und finden. Hinzu kommt, dass Deutschland ein Föderalstaat ist, in dem die Bundesländer ein gewichtiges Wort mitzureden haben. Viele Bundesgesetze lassen sich gegen den Willen der Länder (Bundesrat) nicht umsetzen. Auch hier sind im Regelfall Kompromisse notwendig, die dazu führen (können), dass Wahlversprechen nicht eingelöst werden können. Darüber hinaus haben auch die Rechtsprechung (EU, Bundesverfassungsgericht, Bundessozialgericht etc.), nicht immer vorhersehbare externe Faktoren, wie z.B. die Entwicklung der Staatsfinanzen (Stichwort Finanzkrise), gesellschaftliche und wissenschaftliche Entwicklungen etc. oft einen unmittelbaren Einfluss auf die Handlungsspielräume von Politik. Vor diesem Hintergrund halte ich rechtliche Konsequenzen für Politiker bei Nichteinhaltung von Wahlversprechen für abwegig.
Ob ein Wahlversprechen seriös/glaubwürdig ist oder nicht, entscheiden letztendlich die Wählerinnen und Wähler mit ihren Stimmen.

zu 2:
Ja, das darf er/sie. In Deutschland genießen Abgeordnete wegen ihrer Äußerungen grundsätzlich Indemnität. Diese ist in Art. 46 Abs. 1 des Grundgesetzes festgelegt und beinhaltet, dass Parlamentsabgeordnete wegen einer Abstimmung oder einer Äußerung, die sie im Parlament oder dessen Ausschüssen getan haben, gerichtlich oder dienstlich nicht verfolgt oder sonst außerhalb des Parlaments zur Verantwortung gezogen werden, die einzigen Ausnahmen sind verleumderische Beleidigungen.
Die Indemnität soll sicherstellen, dass die Abgeordneten nur nach ihrem Gewissen handeln können. Exekutive (Regierung) und Judikative (Gerichtsbarkeit) wird die Möglichkeit genommen, wegen angeblicher oder tatsächlicher Vergehen Einfluss auf Abstimmungsverhalten und Zusammensetzung des Parlaments zu nehmen. Insoweit dient die Indemnität auch der Gewaltenteilung. Den Ehrenschutz und die Arbeitsdisziplin stellt das Parlament stattdessen selbst sicher. Nach Maßgabe der Geschäftsordnung kommen etwa Ordnungsruf, Ruf zur Sache, Wortentziehung und Saalverweis in Betracht. Im Regelfall ist der Umgang der Parlamentarier miteinander - nach meinen Erfahrungen - auch in emotional geführten Debatten fair.

zu 3:
Politische Meinungsäußerungen von Mitarbeitern des öffentliches Dienstes müssen möglich sein. Auch Beamte oder Angestellte im öffentlichen Dienst haben das Recht, sich aktiv durch Übernahme von Ämtern oder Funktionen in Parteien oder per öffentlicher Meinungsäußerung politisch zu betätigen oder zu äußern. Das grundgesetzlich garantierte Recht auf freie Meinungsäußerung erfährt meiner Meinung nach nur dann eine Einschränkung, wenn Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes ihre/n Funktion/Beruf nutzen, um andere politisch zu beeinflussen. Beispielsweise darf ein Lehrer nicht versuchen, mit tendenziösen oder einseitigen Meinungsäußerungen politischen Einfluß auf seine Schüler auszuüben.

Mit freundlichen Grüßen

Ingrid Arndt-Brauer