Frage an Ingrid Nestle bezüglich Wirtschaft

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Ingrid Nestle
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Sebastian B. •

Frage an Ingrid Nestle von Sebastian B. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Nestle,

Sie stehen als Grüne Parlamentarierin vor dem Parteitag in einem Dilemma: Ihre Parteispitze will dem Merkelschen sog. "Atomausstieg" zustimmen und damit die Energiewende zu 100% Erneuerbarer Energie verzögern, erschweren und deckeln, während Ihre Basis (und über 80% aller Menschen in Deutschland!) die schnellstmögliche Energiewende will und das Stillegen ALLER Atomkraftwerke in Deutschland innerhalb der nächsten Legislaturperiode will (realistisch möglich laut Umweltbundesamt, Greenpeace, SolarFörderVerein und vielen anderen).

Werden Sie Ihrem Gewissen und dem Mehrheitswillen Ihres Volkes folgend auf dem Parteitag die grünen Kernwerte hochhalten und den faulen Kompromiß Ihrer Parteispitze bekämpfen? Werden Sie für die Stillegung aller deutschen AKWs bis spätestens 2017 eintreten?

Bitte teilen Sie mir Ihre Entscheidung und die wesentlichen Beweggründe mit, damit ich Sie ggf. mit guten Argumenten für die RICHTIGE grüne Politik gewinnen kann.

Mit herzlichen Grüßen,
Sebastian Büttner (50), Dipl.-Ing. mit drei Kindern

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Büttner,

bitte entschuldigen Sie die späte Antwort auf Ihre Anfrage.
Auf unserem Parteitag am 25.06.2011 hat meine Partei lange und intensiv über das Für und Wider des von der Bundesregierung vorgeschlagenen Atomausstiegs diskutiert. Wir setzen uns für einen schnellstmöglichen Ausstieg aus der Risikotechnologie Atomkraft ein. Wir wollen den Atomausstieg bis 2017. Mit unseren grünen Energiekonzepten würde das auch gelingen. Die Bundesregierung wird das mit ihrem Gesetzespaket jedoch nicht schaffen, denn dafür müsste sie beispielsweise sofort anfangen, ernsthaft den Einsatz effizienter Technologien voranzutreiben. Dennoch wurde in der Diskussion deutlich, dass ein Großteil der grünen Basis die Verkürzung der Laufzeiten von 2040 auf 2022 sowie die sofortige Stilllegung von 8 AKWs befürwortet, auch wenn der Ausstieg bis 2017 mit dieser Bundesregierung nicht zu machen ist.

Mit der Atomgesetznovelle dreht die schwarz-gelbe Regierung ihre fatale Atompolitik vom Herbst komplett zurück – und geht mit der sofortigen Abschaltung der sieben ältesten deutschen Atomkraftwerke und des Pannenmeilers Krümmel sowie fixen Enddaten für den Betrieb jedes einzelnen deutschen Atomkraftwerks sogar noch etwas über den rot-grünen Beschluss von 2001 hinaus. Ich begrüße es sehr, dass jetzt keine Partei in Deutschland mehr Atomenergie über 2022 hinaus produzieren will.

Ich nehme aber auch die Bedenken aus unseren eigenen Reihen sowie aus einem Teil der Umweltverbänden und der Anti-Atom-Initiativen ernst. Beim Thema Atom bleibt jetzt, im Jahr 2013 und darüber hinaus noch sehr viel zu tun: Ob wir Grüne in Regierungsverantwortung kommen werden oder nicht, wir werden uns dafür einsetzen, die Sicherheitsvorschriften drastisch nachzubessern, einen Teil der wahren Kosten der Atomenergie den Konzernen anzulasten und das Endlagerverfahren neu aufzurollen. Dies wird in unserem Parteitagsbeschluss unmissverständlich klar gestellt. Die Atompolitik ist für uns Grüne auch in Zukunft ein zentrales Thema!

Höhere Sicherheitsstandards für Atomkraftwerke, eine faire Endlagersuche und das Vorantreiben einer echten Energiewende sind unsere gemeinsame Aufgabe für die kommenden Jahre. Hier sind das Engagement und die Zusammenarbeit von politischen Parteien, der Anti-Atom-Initiativen, der Umweltverbände, der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Gesellschaft als Ganzes notwendig. Gerade bei den Anti-Atom-Initiativen und den Umweltorganisationen werbe ich um eine weitere gegenseitige Unterstützung.
Mit freundlichen Grüßen

Ingrid Nestle

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