Wie möchten Sie die Ambitionslücke im Klimaschutzgesetz schließen (zwischen erlaubtem THG Ausstoß bis 2045 und Überschreitung der 1,5-Grad-Grenze des Pariser Abkommens bis 2030)?

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Ingrid Nestle
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Frage von Alexander K. •

Wie möchten Sie die Ambitionslücke im Klimaschutzgesetz schließen (zwischen erlaubtem THG Ausstoß bis 2045 und Überschreitung der 1,5-Grad-Grenze des Pariser Abkommens bis 2030)?

Sehr geehrte Frau Dr. Nestle,

nach der Sommerpause soll der Bundestag noch über die Entkernung des Klimaschutzgesetzes abstimmen. In der neuen Vorlage geht es u.a. um die Aufhebung der jährlichen Sektorenziele.
Wie soll Ihrer Meinung nach das 1,5 Grad Limit von Paris, dem Ihre Partei ja auch zugestimmt hat, eingehalten werden, wenn

a) das künftige KSG noch weicher formuliert wird als das aktuelle KSG
und
b) das aktuelle KSG schon nicht ausreicht, weil es noch bis 2045 erlaubt Treibhausgase auszustoßen, während wir die maximalen 1,5 Grad wahrscheinlich bis 2030 überschreiten werden?

https://www.mcc-berlin.net/forschung/co2-budget.

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Sehr geehrter Herr K.,

eine Reform des Klimaschutzgesetzes war schon im Koalitionsvertrag vereinbart worden. Die Reform ist nicht unser Wunsch, gehört aber zum Gesamtpaket, das dieser Koalition zugrunde liegt. Die vielen wichtigen Erfolge im Koalitionsvertrag wie zum Beispiel der mehrfach beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren Energien haben meiner Meinung nach aus Sicht des Klimaschutzes eindeutig für die Koalition gesprochen und nicht dagegen. Die Wärmewende im Heizungskeller kann endlich stattfinden, der Schienenausbau wird vorangebracht und über die LKW-Maut klimagerecht querfinanziert. Der Kohleausstieg wird vorgezogen und nicht nur im PV-Paket haben wir schon zig bürokratische Hürden für den Ausbau der Erneuerbaren aus dem Weg geräumt. Das Effizienzgesetz ist geeint. Kurz: Wir konnten viele und weitreichende Verbesserungen für den Klimaschutz auf den Weg bringen, die es ohne diese Koalition nie gegeben hätte. Und gerade, weil wir so wenig Zeit haben, wäre es aus meiner Sicht nicht gut gewesen, weiter in der Opposition auf die perfekte Koalition zu warten. Ich denke sogar, es wäre eher 2013 sinnvoll gewesen, stärker für ein schwarz-grünes Bündnis zu kämpfen, das Klimaschutz voranbringt. In den Jahren seitdem wurden sehr viele Weichen in die falsche Richtung gestellt oder schlicht verschlafen. Zum Beispiel wurde der Ausbau der Erneuerbaren massiv zurückgedrängt. Jetzt dauert es, die Produktionskapazitäten wieder aufzubauen und die Genehmigungen zu schaffen.

Beim Klimaschutzgesetz wurde zu Beginn dieser Koalition schnell klar, dass bei den Koalitionspartnern unterschiedliche Vorstellungen bestehen. Im Koalitionsausschuss haben wir nach 30-stündigen Verhandlungen durchgesetzt, dass die jährlichen Sektorenziele und deren Zielerreichung weiterhin berichtet werden. Es wird sehr deutlich zu sehen sein, welche Bereiche zu viele Emissionen ausstoßen. Gleichzeitig wurden eine Reihe von Verbesserungen vereinbart, zum Beispiel greift das Gesetz künftig schon dann, wenn eine Zielverfehlung prognostiziert wird - und nicht erst im Nachhinein und wenn es längst viel zu spät ist. Auch darf der Expertenrat künftig Maßnahmen vorschlagen, und nicht nur das Problem benennen.

Die jeweiligen Sektorenziele sind so anspruchsvoll, dass kein anderer Sektor die Klimaschutzlücke aus dem Verkehrs- und Gebäudesektor ohne weiteres kompensieren können wird. Auch von der europäischen Ebene kommt Druck, schnell in die Umsetzung zu kommen. Über die Lastenteilungsverordnung hat sich Deutschland verpflichtet, einen fairen Beitrag zu den europäischen Klimazielen zu leisten.

Aber ich mache mir keine Illusionen: Auch wenn wir das Maximum herausholen und bei vielen Deutschen schon den Ruf viel zu radikaler Klimaschützer haben, reicht das noch nicht, um 1,5° zu halten. Wir haben derzeit in Deutschland jenseits von abstrakter Zustimmung zu Klimaschutz keine Mehrheiten für Maßnahmen im Einklang mit dem 1,5°-Ziel. Ich halte es für sehr irrational, dass wir als Gesellschaft die Armut, die Katastrophen und den Hunger durch die Klimakrise nicht ausreichend in den Entscheidungen berücksichtigen. Und ich freue mich über jeden, der oder die mit uns für einen rationaleren Kurs kämpft.

Mit besten Grüßen

Ingrid Nestle

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