Frage an Jan Korte bezüglich Recht

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Jan Korte
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Frage von Helmut S. •

Frage an Jan Korte von Helmut S. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Korte,

wieder einmal war ich entsetzt, als ich heute (05. Juni) im Spiegel (
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,628800,00.html ) und in der Welt (
http://www.welt.de/politik/article3868583/Politiker-nutzen-Killerspiele-als-Waffe-im-Wahlkampf.html ) lesen mußte, wie in diesem Land mit plattem Populismus ganz reale Politik gemacht wird:

Jetzt sollen sogenannte Killerspiele wegen des Amoklauf von Winnenden verboten werden. In meiner persönlichen Anschauung sind Amokläufer in ihrem Innersten zutiefst gekränkte und verletzte junge Männer, die - mangels Alternativen - ihren seelischen Schmerz auf diese entsetzliche Weise ausleben müssen.

Meiner Kenntnis zufolge gibt es keinen wissenschaftlichen Beleg, daß Computerspiele im wirklichen Leben zu vermehrten Gewalttaten führen.

Ich persönlich kann diesen Spielen rein gar nichts abgewinnen.

Aber nach dem unsäglichen Vorstoß der Familienministerin Frau Dr. v. d. Leyen zur nur scheinbaren Sperrung von Kinderpornoseiten und dem geplanten Verbot von Spielen wie Gotcha und Paintball frage ich Sie:

1) Wie stehen Sie zum geplanten ´Killerspiel´-Verbot?

2) Beabsichtigen Sie, in dieser Frage das Gespräch mit den Innenministern der Länder zu suchen?

3) Wenn ja, mit welchem Ziel?

Mit freundlichem Gruß
Helmut Schibath

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Schibath,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum geplanten Herstellungs- und Verbreitungsverbot für Erwachsenen-Computerspiele, die ich wie folgt beantworten möchte:

Ich gebe Ihnen völlig Recht. Das auf der letzten Innenministerkonferenz vereinbarte Herstellungs- und Verbreitungsverbot für sogenannte Killerspiele ist eine völlig ungeeignete Antwort auf die Problematik privater Gewalt, insbesondere der Problematik von Amok-Läufen an Schulen und großer Mengen legaler wie illegaler Waffen in Privathaushalten.

Mit dem geplanten Verbot betreibt die Regierungskoalition, genau wie beim kürzlich diskutierten Verbot von Paintball-Spielen oder Laserdromen, reine Symbolpolitik. Ob Ego-Shooter agressionsfördernd und - in der politisch-medialen Zuspitzung - partiell gar mitverursachend für Amok an Schulen sind, wird in Medien und Wissenschaft sehr unterschiedlich diskutiert. Einen monokausalen Zusammenhang zwischen gewalthaltigen Computerspielen und Amokläufen behauptet jedoch kein seriöser Wissenschaftler. Computerspiele sind ein Teil heutiger Populärkultur. Auch wenn ich, genau wie Sie, persönlich eine Begeisterung für Ego-Shooter in keiner Weise nachvollziehen kann, so ist ein Verbot dieser Computerspiele aus bürgerrechtlicher Sicht vor dem oben dargelegten Hintergrund nicht hinnehmbar. Die Bundesregierung und die Innenminister der Länder greifen damit auf unzulässige Weise in die Freizeitgestaltung der Bürgerinnen und Bürger ein.

Eine prohibitive Politik im Umgang mit Ballerspielen im allgemeinen und mit Ego-Shootern im besonderen lehnt DIE LINKE eindeutig ab. Ein solcher Weg beraubte sich der Möglichkeit, Einfluss auf Jugendliche und ihre Spielewelten nehmen zu können. Auch verschlösse er die Augen vor einer sehr viel schwierigeren sozialen Realität.

Ursächlich für Gewalt und Amok an Schulen ist aus Sicht meiner Partei nicht der Konsum von gewalthaltigen Computerspielen, sondern ein komplexes Bedingungsgefüge bestehend aus sozialen, psychologischen und familiären Komponenten. Neben den Themen soziale Isolation, Leistungsdruck, Schulversagen, Zukunftsangst, psychosoziale Kränkung oder Entwurzelung sind für ein angemessenes Verständnis von Wirkzusammenhängen auch die Mechanismen von kompensierender Gewalt und – last, not least – der Zugang zu realen Waffen näher zu betrachten.

Ein Abbau demokratischer Rechte wird hingegen eher die gesellschaftlichen Bedingungen weiter verschärfen und den Boden für autoritäre Politiklösungen bereiten. Es ist daher auch nicht weiter verwunderlich, aber auch in keiner Weise hinnehmbar, dass von den Verfechtern eines Verbots solcher Spiele auch die Ausweitung der Überwachung des Netzes mittels verdachtunabhängiger Kontrollen durch eine „Cyber-Police“ (Beckstein), „Internetsperren" (v.d. Leyen) und das Eindringen von Polizei- und Nachrichtendiensten in Online-PC’s gefordert und gesetzgeberisch vorangetrieben wird. DIE LINKE lehnt diese Politik einer schleichenden Transformation unserer Gesellschaft in einen Überwachungsstaat mit Nachdruck ab und vertrat und vertritt diese Position auch gegenüber den Innenministern im Bund und den Bundesländern.

Kurzfristig gegenzusteuern wäre vielmehr u.a. durch:

- Vermittlung von Medienkompetenz (zur Bildung eines kritischen Verstandes und der Fähigkeit, Realität und Fiktion zu unterscheiden)/Förderung von kultureller Bildung und Ermöglichung vielfältiger kultureller Aktivitäten (um Brücken zwischen Realität und Medienwelt sowie traditionellen und neuen Kulturformen zu bauen und eine ganzheitliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu befördern)
- Seminare zur Prävention von zielgerichteter Gewalt und Amok an Schulen (Zielgruppe Lehrer und Schüler)
- Beendigung der Perspektivlosigkeit insbesondere an Haupt- und Sonderschulen / Abbau des Leistungsdrucks an Gymnasien und Realschulen durch gezielte Förderung von schwächeren Schüler/inne/n
- Standardmäßige Beschäftigung von Schulsozialarbeitern zwecks Stärkung des sozialen Gefüges, Vermittlung sozialer Kompetenz und Ansprechbarkeit bei Zuständen von Frustration und Isolation
- Verschärfung der Bestimmungen und bessere Kontrolle des Zugangs zu realen Schusswaffen

Mit freundlichen Grüßen,
Jan Korte

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