Frage an Jan Korte bezüglich Recht

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Jan Korte
DIE LINKE
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Frage von Christian M. •

Frage an Jan Korte von Christian M. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Korte,
sie haben heute gegen den Ausstieg gestimmt. Schaue ich in ihren Wahlkreis profitieren viele hier von den Erneuerbaren Energien und zahlen hier ihre Steuern. Vielleicht können sie kurz ihre Beweggründe für das "Nein" skizzieren.

Mit freundlichen Grüßen, Christian Meyer

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Meyer,

vielen Dank für Ihre Frage, die ich folgendermaßen zu beantworten versuche:

Sie haben natürlich völlig Recht, wenn Sie schreiben, dass gerade in meinem Wahlkreis viele Menschen von den Erneuerbaren Energien profitieren (wobei der Profit sicherlich sehr unterschiedlich verteilt ist...). Vor allem im 300 Hektar großen sogenannten Solar Valley in Thalheim bei Bitterfeld-Wolfen haben sich in den letzten Jahren etliche Unternehmen der Solarindustrie angesiedelt. Allein bei Q-Cells SE, dem weltweit größten Hersteller von Solarzellen, haben viele Bürgerinnen und Bürger meines ansonsten strukturschwachen Wahlkreises Arbeitsplätze gefunden. Die Solarbranche Sachsen-Anhalts hat insgesamt ca. 3600 Beschäftigte, die meisten davon im „Solar Valley“. Darüber hinaus hängen mehr als 3000 Arbeitsplätze in Sachsen-Anhalt indirekt von der Solarbranche ab. Gerade deshalb setze ich mich seit langer Zeit intensiv für den Ausbau der Erneuerbaren Energien, eine demokratische Energiewende und gegen die Kürzung der Solarförderung, wie sie von der schwarz-gelben Bundesregierung betrieben wird, ein. Und natürlich bietet der Atomausstieg gerade für die Solarunternehmen eine große wirtschaftliche Chance.

Warum habe ich aber dennoch gegen das 13. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes gestimmt?

Kurz zusammengefasst deshalb: Das schwarz-gelbe Atomausstiegsgesetz ist kein unumkehrbarer Atomausstieg, weil das Gesetz den Atomkonzernen Tür und Tor für Entschädigungsklagen öffnet und weil es wie unter Rot-Grün eine gesetzliche Garantie zum Weiterbetrieb der Atomkraftwerke – in diesem Fall bis 2022 – ist. Die Bundesregierung nimmt die Katastrophe von Fukushima nur zum Anlass, ihre äußerst unpopuläre und peinliche Laufzeitverlängerung zurückzunehmen. Dass SPD und Grüne sie dabei unterstützen und auf Druck der Regierung hinter ihre eigenen Forderungen zurückfallen, ist mehr als peinlich, aber nicht mein Problem, sondern das von SPD und Grünen, die sich damit aus der Anti-Atom-Bewegung verabschiedet haben.

Warum habe ich im Detail gegen diese Form des „Atomausstiegs“ gestimmt?

Im Beschluss „Sieben Schritte zum unverzüglichen und unumkehrbaren Atomausstieg“ vom 10. Mai 2011 hat die Bundestagsfraktion DIE LINKE. ihre Vorstellungen für eine vollständige und soziale Energiewende formuliert. Sie finden den Beschluss im Internet unter http://www.linksfraktion.de/positionspapiere/sieben-schritte-unverzueglichen-unumkehrbaren-atomausstieg/ oder können ihn auch gerne in meinem Büro anfordern.

In Punkt 3. dieses Beschlusses fordert die Fraktion die Aufnahme des Atomausstiegs in das Grundgesetz. Denn damit der Atomausstieg auch wirklich unumkehrbar wird, muss er in der Verfassung verankert werden. DIE LINKE. im Bundestag brachte daher im April 2011 einen entsprechenden Gesetzesentwurf in den Bundestag ein, der ein Verbot der Nutzung von Atomenergie und Atomwaffen im Grundgesetz vorsieht (BT-Drs. 17/5474).

In dem Gesetzentwurf heißt es:
„Um endgültig und unumkehrbar zu sein, müssen der Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie zur Erzeugung von Elektrizität mit Verfassungsrang ausgestattet werden und ihre künftige Nutzung verfassungsunmittelbar verboten werden. Dazu ist diese Form der Energieerzeugung wegen ihrer unabsehbaren Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt der gegenwärtig lebenden sowie künftiger Generationen unmittelbar im Grundgesetz für verfassungswidrig zu erklären. In dem neu einzufügenden Artikel 20b in das Grundgesetz ist des Weiteren eine Pflicht zur unverzüglichen, sicheren und geordneten Beendigung des Betriebs bestehender kerntechnischer Anlagen zur Erzeugung von Elektrizität vorzusehen sowie ein Verbot der Planung, Errichtung und des Betriebs neuer kerntechnischer Anlagen zu diesem Zwecke. Verstöße sind unter Strafe zu stellen. Um zu verhindern, dass das Verbot nuklearer Rüstung durch Kündigung des Atomwaffensperrvertrages aufgehoben werden kann, ist ferner ein ausdrückliches Verbot der Herstellung, Beförderung und des Inverkehrbringens von Atomwaffen sowie Technologien und Produkten zur Nutzung der Atomenergie für militärische Zwecke in das Grundgesetz aufzunehmen.“

Obwohl derzeit alle Parteien behaupten, dass sie aus der Atomenergie aussteigen wollen und somit auch eine verfassungsändernde Mehrheit im Parlament vorhanden wäre, stimmte in der Abstimmung am 30. Juni 2011 jedoch lediglich die Linksfraktion geschlossen für den Gesetzentwurf, der eine Verankerung des Atomausstiegs im Grundgesetz vorsah. CDU, CSU, FDP, SPD und Grüne wollten sich bewusst eine atomare Hintertür offenhalten.

Ich habe dem 13. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes nicht zugestimmt, weil das Gesetz nicht sicher stellt, dass der Ausstieg aus der Atomstromerzeugung zum frühestmöglichen Zeitpunkt erfolgt und auf Grund der vorgesehenen Bestandsgarantie bis längstens 2022 die Bevölkerung unnötig lange den mit der Atomstromerzeugung einhergehenden tödlichen Risiken ausgesetzt wird. Die Verschiebung des Atomausstieges auf das Jahr 2022 ist wissenschaftlich nicht begründbar. Ein Atomausstieg wäre erheblich früher möglich, wie zahlreiche Gutachten bestätigen. Es geht hierbei offensichtlich darum, den Ausstieg für die vier großen Energiekonzerne rentabel zu machen. Gerade die Aufkündigung des sogenannten Atomkompromisses von Rot-Grün durch die Schwarz-Gelbe Regierung hat ja gezeigt, dass eine einfachgesetzliche Regelung nicht ausreicht und der Atomausstieg nur durch eine grundgesetzliche Verankerung unumkehrbar gestaltet werden kann. Auch bestehen, nach zahlreichen Warnungen namhafter Juristen, ernsthafte juristische Bedenken an der Gerichtsfestigkeit des Gesetzes, die jedoch die Mehrheit des Bundestages einfach ignorierte. Aus meiner Sicht ist die Begründung des Gesetzes geradezu eine Einladung an die Atomkonzerne, auf Entschädigung zu klagen. In der Gesetzesbegründung werden keinerlei schwerwiegende Gründe des öffentlichen Interesses, wie vom Bundesverfassungsgericht für einen derartigen Eingriff in das Eigentum gefordert, dargelegt. Dieser Atomausstieg ist vielmehr einzig an den Profitinteressen der Atomkonzerne orientiert. Die Interessen der Bevölkerung spielten trotz großer Worte keine Rolle. Die Reihenfolge der Abschaltung der Meiler ist willkürlich. Das Gesetz ist Murks. Die Chancen von RWE und Co. mit Entschädigungsklagen durchzukommen, stehen deshalb nicht schlecht. Die Zeche werden einmal mehr die einfachen Leute zu zahlen haben.

Völlig ungeklärt bleibt auch die sichere Lagerung des Atommülls. Sicher ist nur, dass bis 2022 munter tausende Tonnen hochgefährlichen Atommülls produziert werden. Politik im Interesse des Landes, wie es Umweltminister Röttgen in der Debatte zur Gesetzesänderung nannte, sieht anders aus. Ich werde mich deshalb auch weiterhin für einen endgültigen Atomausstieg und eine soziale und demokratische Energiewende einsetzen.

Mit freundlichen Grüßen
Jan Korte

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