Frage an Jan Korte bezüglich Arbeit und Beschäftigung

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Jan Korte
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Frage von Ronald M. •

Frage an Jan Korte von Ronald M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Hallo,

warum werden eigendlich die privaten Briefdienstleister wie z.Bsp. die PIN so ins Rampenlicht gestellt, wenn es um das Thema Niedrigstlöhne geht. Nach Ihrer Aussage " ist es bei denen ja üblich" das zusätzliche Sozialleistungen bezogen werden, weil die Löhne so niedrig sind. Nun wurde in der Kürzeren Vergangenheit ja ermittelt, dass der Durschnittslohn bei ca. 7.85€ lag. Meine Friseuse, mein Backwarenverkaüfer, meine Mutter (Reinigungsfachkraft) etc. bekommen bei weiten nicht so viel. Wieso wird für so eine kleine Branche wie die priv. Briefbranche so ein Aufriss betrieben, wenn jeder weiss, dass 100mal so viele Menschen in anderen Berufen noch viel weniger Bekommen? Sind dass keine Abzocker?

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Marx,

auch Ihnen möchte ich für Ihre Anfrage herzlich danken.

Sie haben natürlich Recht, mit Ihrer These, dass auch in anderen Wirtschafsbereichen in Deutschland sehr niedrige Löhne gezahlt werden. Ein menschenwürdiges Leben wird den Angestellten und ihren Angehörigen durch diese menschenunwürdigen Löhne nicht ermöglicht.

DIE LINKE hat sich deshalb mit ihrer Forderung nach gerechten Löhnen für Beschäftigte nicht allein auf die Postdienstleistungsbranche bezogen. Vielmehr fordert DIE LINKE seit langem, als einzige Partei glaubhaft in Deutschland, einen flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn.

Denn von Armut trotz Arbeit sind in der Bundesrepublik immer mehr Menschen betroffen. Eine neue Studie des Instituts für Arbeit und Qualifikation zeigt: Rund 6,5 Millionen und somit 22 Prozent aller abhängig Beschäftigten arbeiteten im Jahr 2006 zu Niedriglöhnen. Damit hat die Niedriglohnbeschäftigung seit 1995 um gut 43 Prozent zugenommen.

Immer mehr Beschäftigte verdienen so wenig, dass sie auf zusätzliche Sozialleistungen nach dem SGB II angewiesen sind. Im Jahr 2006 erhielten bereits 880 000 Erwerbstätige neben ihrem Lohn ALG II-Leistungen. Im Jahr 2007 stieg ihre Zahl noch einmal auf durchschnittlich 1,3 Millionen. Dabei kam eine Studie des Projekts "Soziale Gerechtigkeit" der J. W. Goethe-Universität Frankfurt a. M. schon im Jahr 2006 zu dem Schluss, dass mindestens 2,9 Millionen Personen aufgrund ihres geringen Einkommens Anspruch auf zusätzliche ALG II-Leistungen hätten.

Dieser Zustand ist für DIE LINKE unannehmbar. Ein gesetzlicher Mindestlohn verhindert, dass Menschen zu Hungerlöhnen arbeiten müssen, mit denen sie ihre Existenz nicht sichern können. Er zieht eine einheitliche Lohnuntergrenze für alle Beschäftigten ein und setzt einen sozialen Mindeststandard ähnlich den gesetzlichen Regelungen zu Arbeitszeit und Urlaub.

Ein Mindestlohn muss unserer Meinung nach gesetzlich verankert werden. Denn Existenz sichernde Löhne können mit einer ausschließlichen Festlegung der Löhne durch die Tarifparteien gegenwärtig nicht für alle Beschäftigten erreicht werden. In den vergangenen Jahren haben sich Arbeitsmarktsegmente herausgebildet, in denen es keine Tarifbindung gibt. In Brandenburg liegt beispielsweise der Tariflohn im Friseurhandwerk bei 2,75 Euro in der Stunde.

Ein gesetzlicher Mindestlohn sorgt dafür, dass Unternehmen nicht weiter auf Kosten der Allgemeinheit Lohndumping betreiben können. Höhere Löhne führen zudem zu höheren Steuereinnahmen des Staates. Steuereinnahmen sind die Voraussetzung dafür, dass der Staat seine sozialen und kulturellen Aufgaben, wie etwa Bildung, Verkehrswege, Umweltschutz, erfüllen kann. Höhere Löhne stärken die sozialen Sicherungssysteme - unter anderem Rente, Gesundheit -, da höhere Beiträge in die Kassen fließen. Ein gesetzlicher Mindestlohn nutzt der gesamten Gesellschaft.

Ein Mindestlohn muss so hoch sein, dass er bei einer Vollzeitarbeit für ein Existenz sicherndes Einkommen sorgt. Ein Anhaltspunkt ist die so genannte Pfändungsfreigrenze. Sie liegt derzeit bei rund 1.000 Euro. Diese vom Gesetzgeber festgelegte Grenze besagt, dass einem verschuldeten und alleinstehenden Arbeitnehmer oder einer Arbeitnehmerin ein Einkommen in dieser Höhe zusteht, welches trotz Schulden nicht gepfändet werden darf. Denn weniger als 1.000 Euro reichen nicht zum Leben. Ein Mindestlohn in der Größenordnung von 8,44 Euro ermöglicht bei einer Vollzeitarbeit (38,5 Stunden/Woche) einen Nettolohn, der mindestens auf der Höhe der Pfändungsfreigrenze liegt.

So hoch ist derzeit der Mindestlohn bei unseren französischen Nachbarn. Auch in anderen europäischen Ländern, die in ihrer Wirtschaftskraft mit Deutschland vergleichbar sind, liegt der gesetzliche Mindestlohn über 8 Euro in der Stunde.

Die Höhe des Mindestlohns ist also entscheidend. Mit 8,44 Euro fordert nur DIE LINKE einen gesetzlichen Mindestlohn in Existenz sichernder Höhe. Doch 8,44 Euro sind nur der Anfang: Um Niedriglöhne abzuschaffen und Armut trotz Arbeit zu verhindern, muss der Mindestlohn nach seiner Einführung in schnellen Schritten angehoben werden.

DIE LINKE forderte die Bundesregierung bereits im Juni 2006 auf, unverzüglich einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. Damals lehnten alle Fraktionen diese Forderung ab. Im Oktober 2006 brachte DIE LINKE ihr Konzept des dualen Mindestlohns als Antrag ins Parlament ein.

Mit freundlichen Grüßen

Jan Korte

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