Frage an Jan-Marco Luczak bezüglich Bundestag

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Jan-Marco Luczak
CDU
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Frage von Jüri U. •

Frage an Jan-Marco Luczak von Jüri U. bezüglich Bundestag

Lieber Herr Luczak,

einerseits schreiben Sie, dass CDU/CSU und auch Sie persönlich für eine Senkung der Mandatsträger auf ca. die ursprünglich vorgesehene Anzahl eintreten. Kurz darauf schreiben Sie von der Gefahr von Politikverdrossenheit wenn zu viele Bürger/Wähler aufgrund der Größe des Wahlkreises sich nicht repräsentiert fühlen könnten. Als Beispiel bemühen Sie einen (nicht benannten) Wahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern (gesamt 1,6 Mio Einwohner), der doppelt so groß (Anzahl Wähler?) ist wie das ganze Saarland (gesamt 0,99 Mio Einwohner). Demnach müsste das gesamte Land Mecklenburg-Vorpommern aus nur einem Wahlkreis bestehen. Tip: bemühte man Bremen, dann wäre das Verhältnis noch abstruser. Dem kann man doch (kurz nachgerechnet) nur damit entgegentreten dass man noch mehr und kleinere Wahlkreise schafft. Das ist aber das Gegenteil dessen, wofür Sie sich einsetzen.

An Kontaktmöglichkeiten zwischen Bürger und Abgeordneten mangelt es ja nicht wirklich (siehe unseren Schriftverkehr), und diese sind nicht hauptsächlich durch die geografische oder bevölkerungsmäßige Größe der Wahlkreise definiert oder behindert. Bevölkerungsreichere Demokratien als Deutschland funktionieren auch mit geringerer Abgeordnetendichte. Sie wissen besser als ich, dass das Anwachsen der Abgeordnetenzahl nicht durch Gebiets- oder Bevölkerungswachstum Deutschlands zustande kommt. Die Ursache sind Tricksereien mit "Überhangs"- und ähnlichen Konstellationen. Und nach Angaben von ARD/ZDF hauptsächlich zugunsten der Versorgung von CSU-Abgeordneten. Es ist sicher eine menschlich schwere Aufgabe, befreundeten Abgeordneten den Futternapf weg zu nehmen. Aber das Parlament einschließlich der vorgesehenen Zahl an Abgeordneten ist nicht dafür geschaffen, Profi-Abgeordnete möglichst lebenslang zu versorgen, sondern den Willen des Volkes zu debattieren und ggf. umzusetzen.

Je größer das Parlament wird, desto unsichtbarer wird der einzelne Abgeordnete (der seinen Wahlkreis repräsentieren soll). Was bei wachsender Bedeutungslosigkeit des Einzelnen und seines Einflusses geschieht, zeigen uns Monster wie der Chinesische Nationalkongress oder andere große Organisationen sowohl in der Wirtschaft (Konzerne, z.B. VW vor dem Diesel-Betrug oder Lehman Brothers) als auch im "gemeinnützigen" Bereich (z.B. Neue Heimat). Um bei steigender Größe weiter funktionieren zu können, wird es dann immer bedeutener, was Einzelne wichtige Funktionäre (KP China, VW Vorstand Winterkorn, der hysterisch Chef von Lehman, selbstherrliche Gewerkschaftsführer, etc.) vorgeben und was für das Organisations-"Gemeinwohl" angeblich unerlässlich ist. Die USA liefern uns gerade zutiefst abschreckende und abstoßende Beispiele von Kadavergehorsam (bei Angriffen auf Verfassungsorgane, während des Impeachments, der aktuelle gewünschte militärische Umgang mit Demonstranten, etc.). Das ist es, was zu der von Ihnen erwähnten Politikverdrossenheit führt.

Ich wünsche nicht, dass der von mir gewählte Abgeordnete so zu einer willfährigen Marionette wird. Und dies kann am besten dadurch geschützt werden, dass "mein" Abgeordneter viele Bürger aktiv und in deren Interesse vertritt. Deshalb muss die Anzahl der Mandate überschaubar, operabel, und der einzelne Abgeordnete souverän bleiben. Deutschland hat mit ca. 600 Abgeordneten ohnehin schon eine ungewöhnlich hohe Abgeordnetendichte, aber das ist m.E. in Ordnung für eine echte Demokratie. Nur bitte, bitte, nicht noch mehr Abgeordnete, und schon gar nicht aus Versorgungsüberlegungen heraus.

Das ist mein Hauptanliegen. Und wenn die angeblich "von allen gewollte" Normalisierung des Parlaments zu Einsparungen führt, dann umso besser.

Ich wünsche mir, dass Sie mein Anliegen und meine Argumente ernst nehmen. Und vielleicht können Sie dann ja auch mal meine ursprüngliche Frage beantworten, welchen konkreten Initiativen zur Normalisierung der Parlamentsgröße Sie persönlich als mein Abgeordneter beigetreten sind.

Vielen Dank und besten Gruß

Jüri Ugrinsky
Dipl.-Kfm.

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CDU

Sehr geehrter Herr Ugrinsky,

vielen Dank für Ihre erneute Nachfrage. Ich hoffe, dass ich Ihnen meine Position nun etwas deutlicher zeichnen kann.

Sie haben insofern Recht, als dass die Kontaktmöglichkeiten für die Bürger auch bei einer Vergrößerung der Wahlkreise nach wie vor vorhanden sind. Glücklicherweise nutzen immer mehr Bürger die schnellen und direkten Kommunikationswege, die uns heute zur Verfügung stehen, um Abgeordnete über ihre Sorgen und Nöte zu informieren. Allerdings bin ich überzeugt, dass eine persönliche Ansprache vor Ort durch nichts zu ersetzen ist. Und das gilt nicht nur für die vielen älteren Menschen, die nicht - wie Sie - im Netz unterwegs sind. Viele Bürger wünschen sich gerade von ihren gewählten Abgeordneten, dass man sie „sehen und anfassen“ kann und sie sich im direkten Gespräch einen Eindruck vor Ort verschaffen.

Gleichzeitig zeigt sich, dass Abgeordnete durch die direkte Vernetzung, insbesondere über soziale Medien, ohnehin schon vor einer großen Herausforderung stehen. Eine größere Zahl von Anfragen bei einer größeren Anzahl von Bürgern im Wahlkreis stellt demnach einen enormen Aufwand dar, dem ein Abgeordneter neben seiner parlamentarischen Arbeit noch nachkommen muss. Das ist nicht immer einfach. Der Anspruch ist natürlich, möglichst allen Bürgern adäquate und fundierte Antworten auf ihre Fragen und Nöte geben zu können. Das macht Bürgernähe aus. Unbeantwortete Anfragen führen im Ergebnis zu erhöhter Politikverdrossenheit. Ich will das nicht.

Daher bin ich ganz klar gegen eine Vergrößerung der Wahlkreise. Die Idee der Union ist vielmehr, dass die Zahl der Direkt- und Listenmandate wieder ins Gleichgewicht kommt, also jeweils 299 Abgeordnete ausmacht. So ist es im Gesetz im Grundsatz auch vorgesehen. Tatsächlich gibt es im aktuellen Bundestag 299 direkt gewählte Abgeordnete, demgegenüber aber 410 Abgeordnete, die über die Liste eingezogen sind. Das zeigt: das Problem liegt nicht bei der Anzahl der Wahlkreise, sondern bei der Berechnung der Listenmandate. Eine einseitige Beschneidung der Direktmandate ist daher in keiner Weise zielführend.

Für die Herstellung des Gleichgewichts zwischen den Mandaten gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Eine davon ist beispielsweise, fünfzehn Überhangmandate ausgleichslos zu lassen. Dieser Vorschlag ist ausdrücklich als verfassungsgemäß beurteilt worden, findet sich jedoch nicht in den Vorschlägen der Opposition wieder. Die Union hat verschiedene Vorschläge gemacht. Die Debatte ist noch nicht vorbei. Sie können sich sicher sein, dass wir von der Union für eine für alle Parteien gerechte Lösung bereit sind.

Mit freundlichen Grüßen,
Jan-Marco Luczak

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