Frage an Johannes Remmel bezüglich Umwelt

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Johannes Remmel
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Ulrich S. •

Frage an Johannes Remmel von Ulrich S. bezüglich Umwelt

Wie ich aus der Zeitung erfuhr sind sie für die umstrittene Dichtheitsprüfung.

Ist ihnen klar, dass die Überprüfung mit Druck unter Umständen erst zu Beschädigungen führen kann?

Vor welchen Gefahren für den Boden soll die Dichtheitsprüfung genau schützen?

Wie groß ist die Gefahr durch Undichtigkeiten im Vergleich zum Verklappen von Gülle auf Äckern?

Was unternehmen sie gegen das Verklappen von Gülle auf Äckern?

Warum wird die Dichtheitsprüfung pauschal und nicht abhängig von Material und Alter der Rohre gefordert?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Scharfenort,

ich bedanke mich für Ihre E-Mail zur Funktionsprüfung von privaten Abwasserleitungen.
In Ihrer E-Mail sprechen Sie sich gegen die Funktionsprüfung privater Abwasserleitungen aus und befürchten, dass es bei der Überprüfung mit Druck unter Umständen erst zu Beschädigungen kommen kann. Darüber hinaus fordern Sie eine Funktionsprüfung in Abhängigkeit von Material und Alter der Rohre. Für Sie sei die Gefahr für den Boden nicht erkennbar, diese sei eher gering gegenüber der aus landwirtschaftlicher Düngung.
Für die Funktionsprüfung gibt es gute Argumente. Um den Boden, die Gewässer und das Grundwasser vor schädlichen Verunreinigungen zu schützen, darf aus öffentlichen und privaten Abwasseranlagen kein Abwasser in den Untergrund gelangen.
Die Umweltbelastung durch undichte Abwasserkanäle kann über zwei Wege geschehen. Bei der Exfiltration (Austreten) gelangt Schmutz-wasser aus der Abwasserleitung in das Erdreich und verunreinigt nicht nur das Grundwasser sondern kann auch zu Nässeschäden am Bau-werk führen.
Umgekehrt verhält es sich bei der Infiltration (Eindringen), hier gelangt im Boden anstehendes Grundwasser in den Abwasserkanal. Dadurch wird das der Kläranlage zufließende Schmutzwasser verdünnt bzw. in seiner Menge erhöht und muss kostspielig mitgereinigt werden. Dieses sog. Fremdwasser führt dazu, dass es zu einer Reduzierung des Wirkungsgrades der betreffenden Kläranlage kommt und es führt auch dazu, dass es bei Regenereignissen zu erhöhten Abschlägen von mit Regenwasser vermischtem Schmutzwasser in die Gewässer kommt.
Die DIN 1986 Teil 30 sieht als Standardprüfverfahren eine Wasserfüllstandsprüfung vor. Dabei wird die Leitung zunächst abgesperrt und die Rohre bis 50 cm über den höchsten Punkt mit Wasser gefüllt und über 15 Minuten gehalten. Die Leitung gilt als dicht, wenn eine bestimmte Wasserzugabemenge nicht überschritten wird. Mit Erlass vom 17.Juni 2011 habe ich für bestimmte Fälle eine andere Regelung getroffen. Bei Grundleitungen, die unter der Bodenplatte liegen, kann die Füllhöhe bis zur obersten Rohrverbindung zwischen Bodenablaufgegenstand und Grundleitung reduziert werden. Die Füllhöhe reduziert sich dadurch in der Regel auf ca. 20-30 cm unter Fußbodenoberkante.
Als Regelverfahren zur Funktionsprüfung hat sich eine optische Inspektion mit TV-Kamera bewährt. Damit können Schäden festgestellt, aber nicht alle undichten Stellen erkannt werden. Die optische Inspektion wird dennoch als Funktionsnachweis im Sinne der DIN 1986-30 anerkannt. Die von Ihnen erwähnte Drückprüfung findet nur bei Neubau und nach wesentlicher Änderung statt. Sowohl die Wasserfüllstandsprüfung als auch die optische Inspektion führen in keinem Fall zur Beschädigung privater Abwasserleitungen.
Zum Zustand privater Abwasserleitungen liegen eine Fülle von Untersuchungen vor. Ich verweise hierzu auf den Vortrag von Herrn Prof. Dr. Pinnekamp auf dem 3. Deutschen Tag der Grundstücksentwässerung, den Sie im Internet unter www.ikt.de abrufen können. Danach ist der Zustand der privaten Abwasserleitungen vielfach deutlich schlechter als der der öffentlichen Kanäle. Private Abwasserleitungen weisen bezogen auf die jeweilige Haltungslänge etwa 5 bis 6-mal so viele Schäden auf, wie die öffentlichen Kanäle. Die bisherigen Untersuchungen lassen keinen konkreten Zusammenhang zwischen Schaden und dem Alter bzw. Material des Hausanschlusses erkennen.
Die Städte und Gemeinden haben ihre Kanäle bereits seit 20 Jahren regelmäßig überwachen und ggf. sanieren. Sinn machen diese Untersuchungen bzw. Sanierungen nur, wenn neben den öffentlichen Kanälen (rd. 70.000 km) auch die privaten Abwasserkanäle (rd. 200.000 km) überprüft und ggf. saniert werden.
Die Aufbringung von großen Mengen Gülle ist durch das Düngemittelgesetz und die Düngeverordnung des Bundes geregelt. Die Düngever-ordnung wurde erst im Jahr 2007 novelliert. In dieser Verordnung wird die sogenannte gute fachliche Praxis definiert. Hierzu enthält die Ver-ordnung zahlreiche Anforderungen. So muss vor einer Aufbringung eine Düngebedarfsermittlung erfolgen; Aufbringungszeitpunkt und -menge sind so zu wählen, dass verfügbare oder verfügbar werdende Nährstoffe den Pflanzen so weit wie möglich zeitgerecht in einer dem Nährstoffbedarf der Pflanzen entsprechenden Menge zur Verfügung stehen.
Die Aufbringung soll so erfolgen, dass möglichst wenige Verluste (v.a. gasförmige Verluste in Form von Ammoniak, die hauptsächlich für den Geruch verantwortlich sind) verursacht werden. Daher muss Gülle auf unbestelltem Ackerland unverzüglich eingearbeitet werden. Dies ist bei tief gefrorenem Boden nicht möglich. Die Ausbringgeräte müssen dem allgemeinen Stand der Technik entsprechen, d.h. bestimmte Geräte wie z.B. Güllewagen mit zentralem Prallverteiler, mit dem die Gülle nach oben abgestrahlt wird, sind nicht mehr zulässig.
Es dürfte unstreitig sein, dass eine Düngung landwirtschaftlicher Flächen grundsätzlich erforderlich ist. Hinsichtlich einer Gefährdung des Grundwassers unterscheidet sich die der Gülleaufbringung dadurch von der undichter Kanäle, dass bei der Aufbringung von Gülle eine belebte Bodenzone zur Verfügung steht.
Die Vorschriften der geltenden Düngeverordnung sind aus Sicht meines Hauses in einigen Punkten unzureichend, um Umweltrisiken, vor allem Stickstoffaustrag ins Grundwasser, effektiv verhindern zu können. Zur Reduzierung der Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft werden geeignete Maßnahmen durchgeführt. So setzt sich NRW als Teil seiner Gewässerschutzstrategie für eine Änderung der Düngeverordnung auf Bundesebene ein.
Zuletzt möchte ich Sie über den aktuellen Stand zum § 61a Landeswassergesetz informieren.
Die Notwendigkeit, Abwasserleitungen funktionsfähig und in einwandfreiem Zustand zu halten, folgt aus bundesrechtlichen Vorgaben - un-abhängig von konkretisierenden Vorschriften in Nordrhein-Westfalen.
Um Klarheit und Rechtssicherheit zu schaffen, sollen die Vorschriften zur Funktionsprüfung im Landeswassergesetz NRW zeitnah neu gefasst werden. Die Koalitionsfraktionen aus SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben das im Koalitionsvertrag ausdrücklich verabredet.
Die Neuregelung soll gleichermaßen bürgerfreundlich und praxistauglich sein sowie den Erfordernissen des Gewässerschutzes Rechnung tragen. Hierbei wird auch geprüft, inwieweit sachgerecht nach unter-schiedlichen Gefährdungslagen differenziert werden kann.

Mit freundlichen Grüßen

Johannes Remmel