Frage an Jürgen Trittin bezüglich Umwelt

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Jürgen Trittin
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Jakob S. •

Frage an Jürgen Trittin von Jakob S. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr Trittin,

wenn ich Veröffentlichungen auf der Website der Grünen zum Thema Klimaschutz lese, entdecke ich vor allem einen großen Willen, staatliche Regulationspolitik zu bertreiben, also bspw. den Neubau von Kohlekraftwerken zu verbieten, Abgasgrenzen bei Autos zu verschärfen, Tempolimits, usw.

Nun gibt es ja das Instrument des Emissionshandels, welches Sie ja auch befürwortet und unterstützt haben in Ihrer Amtszeit.

Wäre es nicht sinnvoller generell auf solche Regulationen, zB auch auf die spezielle Förderung regenrativer Energien zu verzichten, um stattdessen die Klimapoltik gänzlich per Emissionshandel zu gestalten? Dadurch werden die Emissionen ja automatisch per Marktmechanismus dort eingespart, wo es die geringsten volkswirtschaftlichen Kosten verursacht.

Warum ist dies nicht der Ansatz/Schwerpunkt der Grünen?

Mit freundlichen Grüßen

Jakob Schlockermann

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Schlockermann,

In die akuten Krisen der Welt, von der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten, der anhaltenden Ernährungskrise und der sich steigernden Erwärmung der Erde, sind wir nicht wegen zuviel, sondern wegen eklatanter Regulierungsmängel eines weitgehenden globalisierten Kapitalismus geraten.

Regulierung aber muss intelligent sein. Intelligente Regulierung setzt auf Standards aber auch auf Anreize und ökonomische Instrumente. Intelligente Regulierung versucht nicht jedes Problem mit dem gleichen Instrument anzugehen. Auch der Emissionshandel taugt nicht für alles – stellen Sie sich vor, die müssten vor dem Antreten einer Autofahrt zunächst ein Emissionszertifikat ersteigern. Deshalb kommt es auf einen vernünftigen Mix an.

In dem einen Fall ist eine Norm richtig. So haben ambitionierte Abgasvorschriften nicht nur dazu geführt, dass heute 100 Autos soviel Schadstoffe emittieren wie früher eines – das hat unsere Städte lebenswerter gemacht.

In dem anderen Fällen versucht man ökonomisch zu steuern – so hält bis heute die Ökosteuer die Rentenbeiträge niedrig und finanziert die bessere Isolierung von Häusern – und sichert damit gut 100 000 Jobs.

Die Förderung der Erneuerbaren Energien in der Stromerzeugung geschieht durch eine Umlage auf den Strompreis, der die fixe, aber über die Jahre sinkende Einspeisevergütung für Strom aus Wind, Wasser, Biomasse und Sonne finanziert. Mit einem Betrag von rund 1,40 € pro Monat entstand so eine neue Leitindustrie in Deutschland mit über 250 000 Arbeitsplätzen. Die Erneuerbaren Energien sparen heute mehr Treibhausgase ein, als die PKWs emittieren – und sie haben Deutschland zu einem Nettostromexporteur gemacht.

Der Emissionshandel ist ein vernünftiges Instrument, um die Emissionen der Industrie zu deckeln. Dafür muss er einfach und klar sein. Leider ist das aufgrund deutschen Drucks in Europa nicht so. Faktisch bekommt die Industrie die Zertifikate umsonst es werden im Rahmen des Emissionshandels durch billigere oder gar kostenlose Kohlekraftwerke subventioniert. Von Verboten sind wir da sehr weit entfernt.

Wichtiger wäre es, die einzelnen Instrumente besser auf einander abzustimmen. So können Anlagen, die dem Emissionshandel unterliegen von der Ökosteuer befreit bleiben – aber Industrieanlagen, die nicht dem Emissionshandel unterliegen, sollten Ökosteuer bezahlen. Auch muss der Deckel für den Emissionshandel kontinuierlich gesenkt werden: je schneller die Erneuerbaren Energie wachsen, umso mehr muss die Menge der Zertifikate gesenkt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Trittin