Frage an Jürgen Trittin bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Jürgen Trittin
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Max G. •

Frage an Jürgen Trittin von Max G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Trittin,

als ich ("Besserverdienender") am 27.9. nicht, wie bei den vergangenen beiden Landtags- und Bundestagswahlen, Grün gewählt habe (sondern Links), war mir durchaus ein bisschen wehmütig ums Herz. Aber, ausschlaggebend für meine Wahlentscheidung war mein subjektiver Eindruck, dass die Politik der Grünen während der Schröder Arä einfach zu wenig links bzw. sozial ausgewogen war. Eine fast noch größere Rolle gespielt hat aber der Eindruck, dass sich viele Grünen Politiker und auch prominente Ex-Politiker, z.B. Joschka Fischer eine Spur zu schnell und zu eifrig dem Mainstream oder der sog. Realität angepasst haben. Nach der zufälligen Online Lektüre eines Stuttgarter Zeitung Artikels ( http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2252095_0_6369_-koalitionsverhandlungen-im-saarland-jamaika-filz-an-der-saar.html ) finde ich mich leider ein weiteres Mal bestätigt. Da mich trotzdem die weitere Entwicklung der Grünen interessiert, möchte ich Ihnen (ich sehe in Ihnen noch einen Vertreter Grüner Politik, wie sie mir vorschwebt) gerne folgende Frage stellen: Wie stehen Sie persönlich zu den jahrelangen Verwicklungen von Herrn Ulrich mit der Saar FDP ("Jamaika Sumpf")? Wie beurteilen Sie generell meinen Eindruck, dass immer mehr Grüne immer schneller an Kohle und Karriere denken, sprich zu Realos mutieren bzw. bei Partei-Eintritt bereits sind? Ich war auch einmal eher auf der Realo Seite - aber mittlerweile wünschte ich mir, es gäbe wieder mehr Fundis... Vielen Dank im Voraus!

Mit freundlichen Grüßen,

Max Glogger

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Glogger,

Sie haben eine Partei gewählt, die im Wahlkampf im Saarland davon gesprochen hat, sie wollten Die Grünen "vernichten" (Oskar Lafontaine). Dass sich die Grünen schwer tun, nachdem sie durch einen harten Wahlkampf der Vernichtung erfolgreich begegnet sind, ausgerechnet mit denen zu koalieren, die sie gerade vernichten wollten, ist wohl mehr als verständlich. So sind die Verhandlungen und das Koalitionsergebnis im Saarland weniger Ausdruck der Orientierung der Grünen Partei hin zu Schwarz-Grün oder Jamaika sondern Ausdruck der Haltung der Linken gegenüber uns Grünen.

Die Bundesführungsebene der Grünen hat mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass sie sich eine Rot-Rot-Grüne Konstellation im Saarland gut hätte vorstellen können. Die saarländischen Grünen haben aufgrund ihres Eindrucks mangelnder Verlässlichkeit der Linksfraktion im saarländischen Landtag anders entschieden. Der von Ihnen gewählte Oskar Lafontaine hat zu diesem Eindruck einiges beigetragen.

Insgesamt stellen wir fest, dass sich die Grünen als Partei, sowohl bei ihren Mitgliedern als auch bei ihrer Wählerschaft mit großer Mehrheit als links definiert. Das zeigt sich auch an den Beschlüssen der letzten Parteitage, zur Sozialpolitik (Nürnberg), zur Außenpolitik (Göttingen) und zum Bundestagswahlprogramm (Berlin).Vor der Bundestagswahl haben die Grünen eine Jamaika-Koalition auf Bundesebene explizit ausgeschlossen und nach der Bundestagswahl haben sie diese Entscheidung auf ihrem letzten Parteitag in Rostock bestätigt. Sämtliche Versuche, anderes zu beschliessen wurden wegen absehbarer absoluter Aussichtslosigkeit zurückgezogen.

Bei der Frage mit wem die Grünen Regierungsverantwortung übernehmen sollen, zählt für uns immer, ob bei solchen Koalitionen genügend ihrer Inhalte durchsetzbar sind. Auf kommunaler Ebene gilt schon lange, dass es darauf ankommt, was mit wem umsetzbar ist. Wir gehören nicht zu denen, die vor einer Wahl Volksbegehren gegen die weitere Nutzung der Braunkohle untertsützen und nach der Wahl um der Macht willen, die Abbabergung von Dörfern zur "Brücktechnologie" zu erklären, wie es die Linke jetzt in Brandenburg getan hat. Wir haben auch im Saarland den Ausstieg aus der Kohle durchgesetzt.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Trittin