Frage an Jürgen Fischer bezüglich Wirtschaft

Jürgen Fischer
BAYERNPARTEI
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Frage von Wolfgang S. •

Frage an Jürgen Fischer von Wolfgang S. bezüglich Wirtschaft

Wo sehen Sie Ihre Aufgaben im neuen Bundestag?
Was wollen Sie zur Herausbildung einer tragfähigen Landestruktur im Südosten Deutschlands tun, damit endlich das unerträgliche Gejammere über die am Fördertropf hängenden Ostdeutschen aufhört und hier eine den tatsächlichen Möglichkeiten dieses Wirtschaftsraumes entsprechende starke Konkurrenz für westdeutsche Wirtschaftsräume entsteht?
Nichtantwort werte ich als - Sie wollen nix tun.

MfG W.S.

Antwort von
BAYERNPARTEI

Sehr geehrter Herr Schleicher,

Da ich mich mit Namen und Anschrift präsentiere wäre es sehr nett, wenn Sie und alle Fragesteller mit Name, mail und Anschrift auftreten. Normalerweise reagiere ich auf anonyme Anfragen, zumal im sensiblen Medium Internet, nämlich überhaupt nicht. Sei´s drum, es ist halt Wahlkampf.

Zu Ihrer Frage:

Das Problem ist beim ersten Hinsehen zunächst einmal sehr, sehr komplex. Das scheint banal weil, wenn dem nicht so wäre, hätte sicher irgend jemand das Problem schon längst gelöst. Beim zweiten, und etwas genauerem Hinsehen entpuppt sich dieses Kernproblem der Deutschen Einheit aber als ein verblüffend einfaches.

Zur Lage:

Die Höhe und die Art der Transferleistungen sowie deren mehr oder weniger sinnreiche Verwendung lasse ich einmal ausdrücklich außen vor. Betrachten wir statt dessen einfach die wirtschaftliche Landkarte Deutschlands. Dabei fällt sofort auf das alle DAX-Unternehmen, TEC-DAX Firmen und auch so gut wie alle namhaften Mittelständler durchweg im Gebiet der alten BRD angesiedelt sind. Schauen Sie sich das who is who der deutschen Unternehmen, einschließlich aller Handelsketten, Mineralölfirmen und natürlich auch Medienriesen an. Das bedeutet das auch die Wertschöpfung bis hin zur
Besteuerung ebenfalls ein deutliches Ungleichgewicht zugunsten der westdeutschen Bundesländer ergibt. Aus Sicht des sogenannten kleinen-Mannes-Ost (den es natürlich nicht gibt) bedeutet dies, das für jeden Euro, den er in den Supermarkt zu Aldi, Norma oder sonst wohin trägt, können wegen der Steuergesetzgebung die Heimatgemeinden und -Bundesländer die Steuern verbuchen, nicht aber der Osten. Der Osten fungiert in
wesentlichen Teilen nur als verlängerte Werkbank (viele Konzerne unterhalten
nichtselbständige Niederlassungen deren Umsätze im Westen versteuert werden)
und als Einkaufstheke. Das im Verhältnis zu den Altbundesländern ohnehin geringe eigene Wertschöpfungsaufkommen wird so zusätzlich abgeschöpft. Der Osten trägt mithin zur Auslastung der Betriebe im Westen und deren Wertschöpfung bei, profitiert aber nicht davon. Insofern macht der Finanzausgleich, der sich blumig Solidarpakt nennt, gesamtgesellschaftlich durchaus einen Sinn.

Jetzt drängt sich natürlich sofort die Frage auf, wo denn das viele Geld bleibt, und warum der Osten nicht endlich auf die Beine kommt, es im Gegenteil einen immer größeren Abstand gibt. Nun, auch hier wirken wieder die Mechanismen der vorab beschriebenen strukturellen Ungleichgewichte. Die im Osten realisierten Großprojekte können natürlich in der Masse auch wieder nur von Großfirmen realisiert werden. Anders geht es nicht. So kann keine 10-Mann Baufirma aus dem Erzgebirge eine Autobahn wie die A72 nach Leipzig komplett neu bauen. Also gehen die Aufträge wieder nach dem Westen mit den eben beschriebnen Wirkungen bei Wertschöpfung und Steuern. Der Solidarpakt ist somit indirekt und auch ungewollt ein Konjunkturprogramm West. Von den
transferierten Mitteln fließen also nicht unerhebliche Teile wieder dorthin zurück wo diese hergekommen sind. Das erklärt auch, warum der sogenannte Aufschwung Ost nicht selbsttragend sein kann, eben weil die Strukturen so und nicht anders im Ergebnis der Deutschen Einheit sind. Die großen, arbeitsintensiven und unwirtschaftlichen Kombinate der DDR sind weggebrochen und in dieser Größenordnung ist nichts Neues achgekommen. Und was nachgekommen ist sind Hochtechnologiearbeitsplätze in bei weitem nicht ausreichender Anzahl und keine Arbeitsplätze für die Massenproduktion.

Das Alles ist nicht etwa Ideologie sondern simpelste Volkwirtschaftlehre. Es ist auch nicht zu bewerten, nur sachlich und nüchtern festzustellen. Die Einzigen, die dies bereits vor über zehn Jahren klar erkannt und auch ausgesprochen hatten war übrigens Otto Graf Lampsdorf und Kurt Biedenkopf. Nun kann man nicht einfach hergehen und Firmen anweisen sich dort oder dort anzusiedeln. Dieser wirkliche Strukturwandel braucht seine Zeit und noch viele, viele Jahre.

In Erkenntnis dessen hat die FDP schon vor vielen Jahren gefordert, und sie tut es im aktuellen Wahlkampf mit großem Nachdruck erneut, im Osten Sonderwirtschaftsgebiete einzurichten um genau diesen Strukturwandel schneller herbeiführen zu können. Im Sinne dieser Notwendigkeiten werde ich sowohl meine praktische Arbeit als auch mein Abstimmungsverhalten bei konkreten Gesetzesvorlagen im Deutschen Bundestag ausrichten.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Fischer