Frage an Katharina Schulze bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Katharina Schulze
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Sophia O. •

Frage an Katharina Schulze von Sophia O. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Am 05.09.2013 versuchten Sie in

http://www.abgeordnetenwatch.de/katharina_schulze-1234-72909--f394692.html#q394692

den verfassungswidrigen Rundfunkbeitrag zu rechtfertigen. Dabei argumentieren Sie mit der Kontrollmöglichkeit.

(1) Früher war die Kontrolle de facto unmöglich, denn die Rundfunkanstalten hatten, im Gegensatz zu Ihren offensichtlichen Prämissen, nie das Recht, die im Grundgesetz geschützte Privatsphäre der Bürger zu verletzen. Ich bitte Sie präziser zu erklären, warum jetzt sich mit den neuen Geräten etwas geändert haben soll.

(2) Wenn mit Computern und Telefonen heute Rundfunk empfangen werden kann, dann, weil die Rundfunkanstalten ihre Programme in das Internet einspeisen. Diese Möglichkeit bestand aber immer, sie konnten immer Radio-Programme in die Telefonleitungen einspeisen: was hat sich also mit den neuen Geräten geändert?

(3) Früher genügte die Aussage des Bürgers über seinen Besitz von Geräten, genauso wie beim Finanzamt eine Erklärung des Bürgers genügt. Heute muss man den Anstalten Nachweisen in Original oder beglaubigter Kopie bringen, um Begnadigung (Befreiung des angeblich freien Bürgers von der unbilligen und sittenwidrigen Abgabe) zu bekommen. Nicht mal das Finanzamt ist so misstrauisch. Sie reden über Kontrolle: können Sie sich die letzten Folgen dieses Präzedenzfalles (Rundfunkbeitrag) vorstellen? Wenn Politiker die Bürger so misstrauen, was für Vertrauen erwarten die Politiker vom Bürger? Ist das einer Demokratie würdig? Gehört das nicht eher zu einem totalitären Staates?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Liebe Frau Orthoi,

bitte verzeihen Sie die späte Antwort. Ich fürchte, Sie haben meinen Beitrag hier missverstanden. Meine Argumentation bezog sich nicht auf Kontrollmöglichkeiten. Vielmehr begrüßen wir Grüne es, dass durch den neuen Rundfunkbeitrag nicht nur keine Kontrolle mehr notwendig ist; die Bürger brauchen auch freiwillig keinerlei Auskünfte mehr darüber geben, ob, wie viele und welche Geräte in Ihrem Haushalt vorhanden sind. Somit ist die Privatsphäre der Bürger nachhaltig geschützt. Sie haben Recht, wenn Sie darauf verweisen, dass die Kontrolle früher de facto unmöglich war. Als Folge dessen wurden an die Erhebungsorgane überzogene und den BürgerInnen gegenüber nicht zu rechtfertigende Anforderungen gestellt, um die Aufkommensverluste möglichst niedrig zu halten. Mit dem Ergebnis, dass lediglich die Akzeptanz der Rundfunkgebühren in der Bevölkerung immer weiter abnahm. Dieses strukturelle Erhebungsdefizit, das durch Erweiterung der Empfangsmöglichkeiten auf Geräte wie Computer und Mobiltelefone entstand, war einer der Hauptpunkte, warum eine Reform dringend notwendig wurde. Der alten Rundfunkgebühr drohte die Verfassungswidrigkeit, denn der Gleichheitssatz verlangt (für das Abgabenrecht), dass alle auch tatsächlich gleich belastet werden. Da die Abgabenpflicht jedoch aufgrund der in der Realität unmöglichen Kontrollen nicht durchgesetzt werden konnte, wurden die Abgabenpflichtigen aufgrund der immer größeren Anzahl von nicht angemeldeten Rundfunkempfangsgeräten immer ungleicher belastet. Ein Rundfunkbeitrag, der pro Haushalt erhoben wird, löst die oben genannten Probleme. Den Ausführungen Ihres zweiten Punktes entnehme ich, dass Sie eine Lösung des Problems darin sehen würden, wenn die Rundfunkanstalten ihre Programme schlicht nur über Fernsehen und Radio verbreiten würden. Tatsächlich wäre dies eine Möglichkeit, jedoch keine in die Zukunft gerichtete und auch keine, die den Empfangsgewohnheiten und – vorlieben eines großen Teils der Bevölkerung entspräche. Auch Sie scheinen das Internet (ob über Computer oder Smartphone) zu nutzen, um sich Informationen zu beschaffen. Dies tut inzwischen der Großteil der Bevölkerung, da sollten die Informationen und Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in unseren Augen gerade dort nicht fehlen. Hinsichtlich Ihres dritten Punktes möchte ich bemerken, dass es früher für die Befreiung von der Rundfunkgebühr aufgrund nicht-vorhandener Geräte tatsächlich ausreichte, der GEZ eine kurze Mitteilung zukommen zu lassen. Wollte man sich allerdings von der Gebührenpflicht befreien lassen, aufgrund sozialer Gründe, mussten immer schon entsprechende Nachweise erbracht werden. Die Befreiung aufgrund sozialer Gründe ist heute noch genauso möglich wie vor der Reform. Lediglich die Möglichkeit, aufgrund nicht vorhandener Geräte keine Rundfunkbeiträge zu leisten ist nun weggefallen. Dies halten wir jedoch für durchaus zu rechtfertigen, da unserer Ansicht nach auch diejenigen von den Angeboten und der demokratieerhaltenden Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks profitieren, die ihn nicht direkt nutzen. Zudem darf nicht unbeachtet gelassen werden, dass ein Teil der Rundfunkbeiträge in Kinofilme, DVD-Produktionen, Kulturveranstaltungen, Orchester etc. investiert wird, so nutzen möglicherweise auch einige derer, die weder Radio hören noch fernsehen, diese Angebote. Die neue Gebühr ist daher ein Schritt weg von der bislang gepflegten Misstrauenskultur. Wie bereits im von Ihnen erwähnten Beitrag angesprochen, obliegt die Entscheidung ob der Rundfunkbeitrag rechtmäßig ist den Gerichten. Solange muss der Beitrag wie jeder andere behandelt werden. Bei jeglicher Befreiung von einer Abgabe wird ein Nachweis verlangt, dass derjenige entsprechend bedürftig ist.

Liebe Frau Orthoi, ich hoffe ich konnte Ihnen meine Position hinreichend darlegen.

Mit herzlichen Grüßen,
Katharina Schulze

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