Frage an Katja Kipping bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Frage an Katja Kipping von Klaus-Peter S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Kipping,

der sogenannte "Merkel-Deal" von unserer jetzigen Kanzlerin mit Recep Erdogan setzt als eine Gegenleistung die Aufhebung der Visa-Einschränkungen mit der Türkei voraus. Diese Änderung war für Erdogan sehr wichtig! Gibt es in unseren politischen informierten Expertenkreisen verlässliche Einschätzungen, wie viele Türken vermutlich jährlich nach Deutschland bzw. in die EU durch eine künftige Visa-Freiheit einreisen werden? Hat man überhaupt eine realistische Einschätzung um welche Zahl es sich bei diesem "Deal" handeln wird, oder ist man von politischer Seite wieder wie schon in der Flüchtlingspolitik weitgehend ahnungslos?

Mit freundlichem Gruß
Klaus-Peter Steinberg

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Lieber Klaus-Peter Steinberg,

es gibt einiges an Forschung zur Aufhebung oder Einführung von Visabeschränkungen.

Zwei Effekte werden in der Literatur beschrieben: Die Zahl von Einreisen steigt kurzfristig auf niedrigem Niveau an und sinkt wieder ab. Die Zahl der Ausreisen steigt.

Derzeit werden etwas über 800.000 Visa pro Jahr im Gesamten Schengenraum für türkische StaatsbürgerInnen ausgestellt. Da auch bisher die Ablehnungsquote deutlich unter 5 Prozent liegt, ist auch insgesamt nur mit einem moderaten Anstieg zu rechnen. Aus diesem Grund dürfte es der Bundesregierung leicht fallen, dies im Gegenzug für die türkische Zusage einer effektiven Flüchtlingsabwehr zu versprechen.

Deswegen ist auch nachvollziehbar, dass die türkische Regierung obendrein für ein dubioses Abkommen, das nicht anders als staatlich legitimierter Menschenhandel bezeichnet werden kann, einen höheren Preis verlangt: Dieser besteht im Schweigen zu Menschenrechtsverletzungen und in der Komplizenschaft bei der Verfolgung von Regierungskritikern.

Grundsätzlich ist gegen eine Visaerleichterung sonst wenig einzuwenden. Für türkische StaatsbürgerInnen fällt ein erheblicher Aufwand und Kostenfaktor beim Besuch von Verwandten oder FreundInnen in Deutschland weg. Angesichts der großen hier lebenden deutsch-türkischen Community ist dies zu begrüßen. Die Tatsache, dass EU-BürgerInnen selbst mit einem seit maximal einem Jahr abgelaufenen Personalausweis in die Türkei einreisen dürfen, während andersherum bei Ersteinreise nicht nur 60 Euro Gebühr, sondern auch die Einkommenssteuererklärung der letzten drei Jahre, Kontoauszüge des letzten halben Jahres und vieles mehr fällig wurden, ist einigermaßen grotesk.

Freundliche Grüße
Katja Kipping