Liebe Frau Göring-Eckardt,

ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, mit welcher Überzeugung ich bei den letzten Bundestagswahlen die Grünen gewählt habe. Warum habe ich sie gewählt? Sie vertraten eine langfristige Vision, wie Deutschland in einigen Jahren aussehen sollte. Da war die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens und der Umbau der Wirtschaft hin zu einem ökologischen Wirtschaftssystem.

Wo bleiben Konsequenz und Langfristperspektive? Vielleicht ist es nur ein Gefühl, aber mir scheint, die Grünen verstricken sich im Alltagskleinklein und auf fremdem Terrain. Die SPD hat bereits den Fehler gemacht, sich als zweite CDU darzustellen. Versuchen dies die Grünen jetzt auch, indem sie in den Medien primär ein hartes Vorgehen in der Flüchtlingspolitik ankündigen? Statt halbherziger reaktiver Statements wünschen sich die Menschen, nicht nur von den Grünen, eine proaktive Weitsicht.

Wo soll Deutschland im Jahr 2025 sein? Ein anderes Thema ist die Bildung: Sicher ist es schlimm, wenn die Schultoiletten verdreckt sind, wie die Grünen neulich in einer Talkshow kritisiert haben. Aber ist die Reparatur von Schultoiletten ihre Bildungsvision für 2025? Die USA überholen uns derzeit an allen Enden in der Innovationskraft. Das liegt m.E. auch an der konsequenten Umsetzung des humboldtschen Bildungsideals an Unis wie Stanford. Eine Kindergartenpflicht für alle und eine Einschränkung der Wahl des Schulorts durch die Eltern, um Migrantenkinder endlich besser zu integrieren. Eine Studiumspflicht für Kindergärtner. DAS wären weitsichtige Massnahmen!

Drängende Nachhaltigkeitsfragen wie Peak Phosphor, Antibiotikaresistenzen und Ressourcenknappheit durch Konsumismus habe ich in öffentlichen Auftritten nie vernommen. Das sind doch Themen, die ganz oben auf dem Programm einer grünen Partei stehen müssten!

Meine Frage: Wann präsentiert ihre Partei eine solche langfristige Vision, die den Wählern aufzeigt, warum man sie wählen soll?

Mit freundlichen Gruessen
Andreas Reichhardt