Frage an Katrin Göring-Eckardt bezüglich Frauen

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Katrin Göring-Eckardt
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Wilfried M. •

Frage an Katrin Göring-Eckardt von Wilfried M. bezüglich Frauen

Sehr geehrte Frau Göring - Eckardt,

der OTZ vom 23.8.05 (S. 1) zufolge treten Sie für eine Verbesserung der Qualifizierung von Erzieherinnen ein. Dazu meine Fragen an Sie:

1. Welche (bitte: seriöse) Untersuchung läßt den Schluß zu, daß (nur) die Qualifizierung der Erzieherinnenn verbessert werden muß?

2. Wie beurteilen Sie die Qualifizierung der Erzieher?

3. Sind Alleinerziehende nach Ihrer Beurteilung auch zu gering qualifiziert und also noch zu belehren?

4. Da ich erzogen wurde, als die Erzieherinnen wohl noch nicht so qualifiziert waren, wie sie nach Ihrer Vision wohl ein sollen: Wo muß ich mein Erziehungshandicap vermuten? Werden künftig besser qualifizierte Erzieherinnen sich meiner noch einmal annehmen? Wer zahlte dann die Kursgebühren?

5. Sind europäische Zertifizierungen / ISO- Normen für Erzieherinnen schon parat, damit klar ist, was richtige (also: grüne) Erziehung ist?

Mit freundlichen Grüßen
W. Meißner

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Meißner,

vielen Dank für Ihre Fragen. Die jüngste Ausarbeitung zur Verbesserung der Erzieherinnenausbildung findet sich in dem 12. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung. Dieser ist von einem unabhängigen wissenschaftlichen Beirat unter der Leitung von Prof. Rauschenbach angefertigt worden. Prof. Rauschenbach ist ein hoch angesehener Experte in dem Bereich und Direktor des renommierten Deutschen Jugendinstituts. In einem anderen Gutachten mahnt Prof. Dr. Fthenakis, Leiter des Staatsinstituts für Frühpädagogik in München, dringend eine verbesserte und modernisierte Ausbildung unserer Erzieherinnen und Erzieher an. Prof. Fthenakis berät u.a. die Bayerische Staatsregierung und hat maßgeblich an der Ausarbeitung des Bayerischen Erziehungs- und Bildungsplans mitgearbeitet. Es steht also kaum im Verdacht, wie Sie es formulieren "grüne Erziehung" zu propagieren. Ferner ist auf eine internationale Vergleichsstudie zur frühkindlichen Betreuung, Erziehung und Bildung der OECD zu verweisen, in der ebenfalls eine stärker zeitgemäße Ausbildung verlangt wird. Unterschiedliche Einschätzungen gibt es dazu, ob Erzieherinnen künftig auf (Fach)Hochschulniveau ausgebildet sein sollten - auch unter dem Gesichtspunkt der Finanzierbarkeit. Der Kinder- und Jugendbericht kommt etwa zu diesem Ergebnis. Alle Studien kommen jedoch eindeutig zu dem Schluss, dass die Qualifizierung verbessert werden müsse.

Angesichts der komplexer und umfangreicher werdenden Anforderungen an Erzieherinnen und Erziehern liegt der Schluss nahe, dass deren Ausbildung immer weniger angemessen ist. Ihre heutige und künftige Aufgabenpalette ist sehr umfangreich geworden. Sie sollen
* die Kinder auf deren Individualität ausgerichtet betreuen; dabei sowohl besondere Schwächen, Stärken, Begabungen und Neigungen identifizieren,
* befähigt sein, eine fachgerechte Entwicklungs- und Bildungsdokumentation der Kinder zu bewerkstelligen,
* den Spracherwerb der Kindern fördern,
* den Kindern grundlegende lernmethodische Fähigkeiten näher bringen,
* Kinder an mathematische, naturwissenschaftliche und musische Felder sowie an Umwelt- und Medienbildung heranführen,
* soziale und interkulturelle Kompetenz vermitteln,
* die körperliche und motorische Entwicklung fördern und gesundheitliche Bildung näher bringen,
* die Integration von Kindern mit Behinderung bewerkstelligen bzw. Entwicklungsrisiken und aufkommende Behinderungen frühzeitig diagnostizieren sowie nach Möglichkeiten abwenden helfen,
* die eigene pädagogische Arbeit sowie das pädagogische
Gesamtkonzept der Einrichtung kritisch reflektieren und fortentwickeln,
* den Übergang in die Grundschule vorbereiten und unterstützen,
* über Kenntnisse im Bereich Qualitätsmanagement und Selbstevaluation verfügen,
* mit den Eltern eine Erziehungspartnerschaft eingehen,
* Kontakte zu anderen Hilfs- und Beratungseinrichtungen etablieren und nutzen.

Beachtenswert ist ferner, dass wir mittlerweile ungleich mehr über Entwicklungsprozesse bei kleinen Kindern wissen. Wie Ergebnisse der Hirnforschung und Entwicklungspsychologie unzweifelhaft belegen, verfügen gerade Kinder in den ersten Lebensjahren über ein ungleich höheres Lernpotential, als bisher angenommen. All diese Argumente sprechen dafür, dass die Ausbildung, die bislang auf Fachschulniveau angesiedelt ist, durchaus noch optimiert werden kann. Neben Österreich ist Deutschland das einzige Land in Westeuropa, das für diesen Bereich nur ein solch niedriges Qualifikationsniveau fordert.

Es irritiert, dass sie Ihre Frage auf Alleinerziehende fokussieren. Ihr Vorwurf lautet ja dahingehend, dass ich die elterliche Erziehungskompetenz in Zweifel ziehe. Für mich und meine Partei ist klar: die elterliche Erziehung ist Privatsache, ausgenommen natürlich Situationen, in denen es zu einer erheblichen Gefährdung des Kindeswohls kommt, aber das sei an dieser Stelle als Ausnahme ausgeklammert. Eltern haben, so unsere Verfassung, das Recht und die Pflicht zur Erziehung ihrer Kinder. Ich denke, dass die Eltern das im Großen und Ganzen auch sehr gut machen. Dennoch mag es hilfreich - und in Einzelfällen sehr notwendig - sein, ihnen Angebote zur Familienbildung und zur Stärkung von Erziehungskompetenzen zu unterbreiten. Das hat jedoch nichts mit einer von ihnen unterstellten Qualifikationsleistung zu tun. Die Gleichsetzung von Erzieherinnen und Eltern ist nicht zutreffend. Erzieherinnen sollten die Eltern nicht ersetzen. Sie leisten Aufgaben in Ergänzung zur familiären Erziehung. Dies geschieht in öffentlicher Verantwortung und da halte ich es nur für angemessen, für ein hochwertiges Angebot zu sorgen.

Sie vertreten in Ihrer Argumentation eine einseitige Auffassung. Es geht bei diesem Thema nicht um richtige oder falsche Erziehung, also um Werte, die man vertritt oder nicht, sondern es geht um die Bedingungen für die Unterstützung kindlicher Entwicklung. Dabei gibt es verschiedenste Ansatzpunkte, die Ausprägung kindliche Kernkompetenzen zu fördern. Im Interesse des Kindes sollte diese Förderung möglichst gut und engagiert sein. Dies hat nichts mit einem schlichten Falsch-Richtig-Schema zu tun.

Sie haben scheinbar große Vorbehalte gegen Bündnis 90/Die Grünen, sonst würden Sie uns nicht unterstellen, wir wollten nicht nur übertrieben hoch ausgebildete Erzieherinnen, sondern wollten diese auch noch in ein Normkorsett einzwängen. In meinen Ausführungen bin ich darauf schon eingegengen: es geht nicht im Geringsten um durchnormierte Erzieherinnen oder Erziehungs- und Bildungspläne. Ohnehin liegen Sie mit ihren Vorwürfen bei uns falsch. Es sind besonders Bündnis 90/Die Grünen, die für ein vielfältiges Angebot in der Kindertagesbetreuung stehen. Wir unterstützen ausdrücklich, dass es in Deutschland eine solch heterogene Trägerlandschaft gibt, d.h. dass die Einrichtungen sowohl von Kirchen, von Wohlfahrtsverbänden, von staatlichen Stellen oder von freien Elterninitiativen betrieben werden. Das ist das Gegenteil von normierter Betreuung. Wichtig ist natürlich, dass Qualitätsstandards festgelegt werden. Wie sonst sollte man Anhaltspunkte für das Niveau der angebotenen Leistungen erhalten? Aber sollte Ihnen das bereits zu weit gehen, sollten sie Ihren Missmut nicht auf Bündnis 90/Die Grünen beschränken. Sie werden keine Partei finden, die diese Forderung nicht unterstützt.

Mit freundlichen Grüßen,

Katrin Göring-Eckardt

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