Frage an Katrin Göring-Eckardt bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Katrin Göring-Eckardt
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Wilhelm W. •

Frage an Katrin Göring-Eckardt von Wilhelm W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Göring-Eckardt,
ich habe gestern die Sendung Anne Will und die entsprechenden Beiträge zum Thema Freitod aufmerksam verfolgt. Dabei haben Sie argumentiert, dass Sie gegen Regelungen in Deutschland sind, wie sie die Bürger in den Niederlanden in Anspruch nehmen können. Stattdessen haben Sie für mehr Palliativmedizin und bessere Seniorenheime plädiert.
Ich finde es sehr traurig, dass hier ein Argument gegen das Andere ausgespielt wird und ein Schwarz - Weiß - Denken und Handeln stattfindet. Da die Menschen sehr unterschiedliche Empfindungen und Bedürfnisse haben, sollte Politik dem gerecht werden und versuchen eine Vielfalt an rechtlich abgesicherten Möglichkeiten anbieten zu können, damit sich möglichst viele Menschen darin wiederfinden und niemand in seiner Not auf der (Zug-)strecke (in der Einsamkeit) bleiben muss - ganz abgesehen davon, dass solche Ereignisse auch für die Zugführer eine enorme seelische Belastung darstellen.

Die Grünen sind aus Bürgerinitiativen heraus entstanden, um für mehr Bürgerrechte und Umweltschutz einzutreten - aus diesen Wurzeln heraus erwarte ich auch aus Ihrer Partei heraus, dass Sie die Ängste und Wünsche der Menschen ernst nehmen und sie
1. in ihrer Not nicht alleine lassen
2. für lebenswerte Verhälnisse im Alter sorgen
3. das Selbstbestimmungsrecht in alle Richtungen ernst nehmen und dafür sorgen, dass Übergriffe in beide Richtungen (zwanghaftes Leben und zwanghaftes Sterben müssen) weitestgehend ausgeschlossen sind.
Nachdem wir vor einem Superwahljahr stehen, ist mir Ihre Meinung bzw. wie Sie sich politisch hier künftig verhalten wollen, wichtig. Vielen Dank !

Freundliche Grüße
W. Wick

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Wick,

vielen Dank für Ihre Zuschrift. Sie formulieren darin Ihre Erwartung gerade an die Partei Bündnis90/Die Grünen, Ängste und Wünsche der Menschen in Fragen, die das Ende des Lebens betreffen, ernst zu nehmen. Meiner Auffassung nach besteht dieses Ernstnehmen gerade darin, Sorge zu tragen, dass für solche Ängste und Befürchtungen kein oder kaum mehr Anlass besteht. In Deutschland herrscht dafür noch erheblicher Handlungsbedarf. Wer zu Hause, in vertrauter Umgebung seine letzte Zeit er-leben möchte, dem muss das ermöglicht werden, mit aller Unterstützung durch ambulante Versorgung und Hilfe auch für die pflegenden Angehörigen. Wo Versorgung auf der Palliativstation oder im Hospiz notwendig ist, müssen entsprechende Plätze zur Verfügung stehen. In Pflegeheimen müssen die Pflegekräfte mehr Zeit haben und auch die Ausbildung dafür, im besten Sinne beizustehen. Wir brauchen mehr Informationen darüber, wo und wie gute Pflege, auch heute schon, geleistet wird. Noch nicht alle Ärztinnen und Ärzte sind mit den Möglichkeiten palliativer Versorgung umfassend vertraut und allzu oft fällt es schwer, gemeinsam mit den Angehörigen zu entscheiden, wann nicht mehr Therapien angezeigt sind, sondern wann die Begleitung des Sterbeprozesses einsetzen soll. Und nicht zuletzt brauchen wir für dafür, dass schwer Kranken die Angst genommen werden kann und zugesagt: du wirst nicht allein sein, wenn es zu Ende geht, Menschen die bereit sind, diesen schweren Dienst zu übernehmen. Ob als pflegende Angehörige, als ehrenamtliche Hospizhelfer oder in anderer Weise. In all diesen Bereichen sehe ich Handlungsbedarf und die Notwendigkeit, als Gesetzgeber rechtlich absichernde Rahmenbedingungen zu schaffen. Wir haben als grüne Fraktion einen entsprechenden Antrag vorgelegt (...) und Ende März mit unserer Tagung "Leben am Lebensende. Was (bis) zuletzt wichtig ist" den Austausch mit denen gesucht, die im Bereich Pflege, Begleitung und Versorgung Sterbender engagiert sind. Den Veranstaltungsbericht können Sie nachlesen unter

Ich bin davon überzeugt davon, dass über aktiver Sterbehilfe um so weniger heftig debattiert wird, je besser die Bedingungen am Lebensende sind und um so lebenswerter das Leben bis zuletzt erfahren werden kann. Die derzeitige Situation aber als defizitär zu beschreiben und daraus den Schluss zu ziehen, dass auch aktive Sterbehilfe zulässig sein muss, ist für mich nicht akzeptabel. Für mich gehört aktive Sterbehilfe nicht in der Bandbreite rechtlich zu schaffender Möglichkeiten. Ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben, die Selbsttötung oder der Bitte um Tötung hinnimmt und sich gerade damit ihrer Verantwortung für Schwerstkranke und Sterbende entzieht. Sondern in einer, in der die Frage nach dem letzten Ausweg Suizid nicht gestellt werden muss.

Mit vielen Grüßen,
Katrin Göring-Eckardt

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