Frage an Kerstin Andreae bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Kerstin Andreae
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Michael P. •

Frage an Kerstin Andreae von Michael P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Liebe Frau Andreae,

sicher dürfte Ihnen bekannt sein, dass sich viele Menschen aus verzweifelter Lage selbstständig machen.

Viele dieser "Einzelunternehmen" kämpfen täglich um ihre Exisitenz.

Sicher gibt es einen Freibetrag den Die Kammern zugestehen. Bei der Handwerkskammer ist es lediglich ein lächerlicher Betrag von 5.220,- €.

1. Frage:
Können Sie IHren Lebensunterhalt mit jährlich 5.200,- € bestreiten`?

Sicher ist Ihnen auch bekannt, dass es selbstständige Unternehmer in diesem Lande gibt, die unter dem Strich weniger als den "Sozialhilfesatz" monatlich zur Verfügung haben. Diese Menschen wollen der Allgemeinhait mittels Sozialhilfe nicht zur Last fallen. Die Kammern jedoch treiben skrupellos Ihre Zwangsbeiträge von diesen Menschen ein.

2. Frage:
Wie stehen Sie dazu? Was raten Sie diesen Menschen?

Diese Menschen müssen sich eine neue Waschmaschine vom Mund absparen, wohlgemerkt. Während ein Hartz IV-Empfänger dafür Mittel bei der Gemeinde beantragen kann und diese auch genehmigt bekommt. Wobei ich nichts gegen Hartz IV-Menschen abwertend sagen will.

Sie glauben mir nicht? Ich kenne einige Personen, die betroffen sind. Es gibt Beispiele, Sie auch im Internet nachlesen können. Die Verlinkung wird mir allerdings von den Kommentatoren untersagt.

Ich zähle mich zu den Kammerverweigerern und werde mich eher in Handschellen abführen lassen, bevor ich einen weiteren Euro Schulden machen werde, um die Feste meiner Kammer zu finanzieren.

ich freue mich über Ihre Stellungnahme.

M. Pramann

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Pramann,

Es gibt in der Tat viele Menschen, die sich aus der Arbeitslosigkeit heraus selbstständig machen, weil sie in der Existenzgründung am ehesten die Chance sehen, selbst für ihr Auskommen sorgen zu können. Dazu braucht es viel Mut und Ausdauer, zumal, wenn man nicht mit großem Startkapital ausgestattet ist. Ich bin der Ansicht, dass dies auch von staatlicher Seite unterstützt werden sollte, denn damit eröffnen sich für von Arbeitslosigkeit Betroffenen neue Perspektiven, ihr Leben selbst zu gestalten, anstatt in Abhängigkeit von Transferzahlungen zu bleiben. Dass die Hilfe zur Selbstständigkeit ein guter und oft auch dauerhaft erfolgreicher Weg aus der Arbeitslosigkeit sein kann, hat der in vielen Studien nachgewiesene Erfolg der unter rot-grün eingeführte Ich-AG deutlich bewiesen. Leider hat die Große Koalition dieses arbeitsmarktpolitische Instrument weder in seiner bisherigen Form beibehalten noch ausgebaut.
Wir Grüne dagegen fordern schon seit langem, die Möglichkeit zur Existenzgründung aus Arbeitslosigkeit deutlich zu verbessern und haben dazu auch konkrete Vorschläge unterbreitet. Für Existenzgründungen jeglicher Art gilt nach wie vor, dass sie die ersten drei Jahre von Kammerbeiträgen freigestellt sind. Wer sich also aus einer schwierigen Lage heraus selbstständig macht, muss in der Anfangs- und Aufbauphase seiner Gründung keinerlei verpflichtenden Zahlungen an die Kammern leisten, kann aber ihre Existenzgründungsberatungen und ähnliche Starthilfen in Anspruch nehmen. Wenn das Unternehmen nach drei Jahren immer noch nur sehr wenig Erträge einbringt, ist es bei den IHKen zumeist auch von Pflichtbeiträgen freigestellt. Bei den Handwerkskammern gelten unterschiedliche Regelungen, je nach dem, bei welcher Kammer man ist. Generell gilt, dass sich die Beiträge an der Leistungsfähigkeit des Mitgliedsunternehmens orientieren. Wer also wenig Ertrag hat, zahlt auch wenig. Der durchschnittliche Jahresbeitrag bei Handwerkskammern liegt im Bereich von 100 Euro. Eine Stundung oder Ratenzahlung ist oft möglich, wenn Unternehmen in Schwierigkeiten sind. Schließlich liegt es nicht im Interesse der Kammern, ihre Mitglieder in den Ruin zu treiben. 5200 Euro reichen in der Tat nicht aus, um davon zu leben, egal, ob man davon nur seine eigenen Lebensunterhalt finanziert oder zusätzlich noch Beiträge an Kammern bezahlt. Wie ich schon in meiner vorherigen Antwort an Sie deutlich gemacht habe, kann ich durchaus verstehen, dass Sie Kritik an den Kammern üben, da immer wieder Mißstände zu Tage treten, die schwer zu ertragen sind. Besonders, wenn man als Kammermitglied ohne große Erträge den Eindruck hat, man würde die skandalträchtigen Vorkommnisse in einzelnen Kammern ungewollt mitfinanzieren. Deswegen setze ich mich dafür ein, die Kammerstrukturen grundlegend zu reformieren.

mit freundlichen Grüßen

Kerstin Andreae