Frage an Kerstin Andreae bezüglich Soziale Sicherung

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Kerstin Andreae
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Almuth G. •

Frage an Kerstin Andreae von Almuth G. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Andrea,

seit der mit 53 000 Stimmen votierten Petition an den DB zur Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens gibt es in Deutschland immer mehr Menschen, die sich zu diesem Thema Gedanken machen.

Laut aktuell durchgeführter Bürgerbefragung halten auch im europäischen Rahmen bereits 80 Prozent der Befürworter das Thema relevant, um Armut vorzubeugen, bzw. vorhandene abzuschaffen und das wirtschaftliche Desaster zu entschärfen.

Wie stehen Sie zum Bedingungslosen Grundeinkommen. Würden Sie sich in ihrer Partei aktiv dafür einsetzen, dass das Thema immer wieder ernsthaft aufgegriffen und vorangetrieben wird??

Mit freundlichen Grüßen
Almuth Gäbler

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Gäbler,

die Debatten um das Grundeinkommen verfolge ich mit großem Interesse. Gesellschaftliche und soziale Ausgrenzung sind keine Randerscheinungen mehr, sie sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die Kritik an der Angemessenheit und Leistungsfähigkeit unseres Sozialstaates geht damit einher. Wir werden uns auch in Zukunft darüber zu unterhalten haben, wie viel Geld wir für diese Aufgaben ausgeben wollen und wie Bildung oder auch der Schutz bei Pflegebedürftigkeit am besten gewährleistet werden können. In diesem Zusammenhang gewinnt die Debatte über ein bedingungsloses Grundeinkommen ständig an Bedeutung.

Gerade wegen der Erfahrungen mit Hartz warne ich vor dem bedingungslosen Grundeinkommen. Dies wäre der Totalumbau des deutschen Sozialstaates und noch viel ehrgeiziger als Hartz. Weshalb das Grundeinkommen noch stärker als Hartz Weitungen und Konsequenzen haben kann, die jedenfalls kein Grüner will.

Mein Freiheitsbegriff ist nicht der, dass sich der Staat aus der Verantwortung für Menschen zurückzieht. Damit überlässt er sie einfach nur sich selbst, anstatt die best mögliche Förderung zu gestalten. Ein bedingungsloses Grundeinkommen kann keine globale Alternative zum bestehenden Sozialstaat sein. Die meisten sozialstaatlichen Institutionen werden auf lange Sicht nicht entbehrlich. Die Rentenversicherung kann nicht über Nacht abgeschafft werden, über viele Jahrzehnte wären erworbene Ansprüche zu bedienen. Auf die Krankenversicherung, Pflegeversicherung oder auch die Eingliederungshilfe für Behinderte kann gar nicht verzichtet werden. Ganz zu schweigen davon, dass Bildungseinrichtungen verbessert und ausgebaut werden müssen und nicht abgebaut werden können.

Entscheidend ist meiner Meinung nach, Wege aus der Armut zu weisen. Das hat auch, aber eben nicht nur, mit Geld zu tun. Deshalb trete ich für eine Grundsicherung in einem umfassenden Sinne ein. Das heißt, dass Menschen Zugang zu Bildung, zu Kinderbetreuung, bezahlbarem Nahverkehr und erschwinglicher Erwachsenenbildung, zu gesunden und ausreichenden Mahlzeiten in Kindergärten und Schulen sowie zu Jobs haben müssen – Jobs, die anständig bezahlt sind, weshalb wir ja auch für einen Mindestlohn eintreten. Auch plädieren wir dafür, die Lohnnebenkosten bei niedrigen Einkommen zu senken, damit Menschen mit geringer Qualifikation die Chance erhalten, mit ihrer eigenen Hände Arbeit ihre Existenz zu sichern. Denn die meisten Bürgerinnen und Bürger wollen arbeiten.

Wir wollen einen Sozialstaat, der die soziale Orientierung des oder der Einzelnen fördert, statt die jeweilige Lebenslage zum „sozialen Schicksal“ erstarren zu lassen. Das aber passiert leicht, wenn sich der Kontakt auf die monatliche Kontoüberweisung beschränkt.

Wer Menschen bei der Entfaltung ihrer Potenziale unterstützen will, muss ihnen mehr anbieten als bloße Geldtransfers. Diese allein eröffnen langfristig keinen Raum für neue Lebensentwürfe. Grüne Grundsicherung setzt sich deshalb aus zwei gleichrangigen Bestandteilen zusammen: Teilhabegarantie und Existenzsicherung. Wir entwickeln unser Konzept auch in der Auseinandersetzung mit den Vertretern eines bedingungslosen Grundeinkommens kontinuierlich weiter und befördern so die Debatte um das Grundeinkommen, die heute – auch aufgrund der intensiven Diskussion bei den Grünen- schon viel weiter ist.

Mit freundlichen Grüßen

Kerstin Andreae