Frage an Kerstin Griese bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Kerstin Griese MdB
Kerstin Griese
SPD
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Frage von Heribert K. •

Frage an Kerstin Griese von Heribert K. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Griese,

zum Thema "Mindestlohn" hätte ich gerne von Ihnen in Ihrer Eigenschaft als Ausschussvorsitzende für den Bereich Arbeit und Soziales gewusst, warum bei einer 38,5 Stundenwoche, Steuerklasse 1, Kinder 0 und einem Stundenlohn von 5,69 Euro keine Lohnsteuer anfällt (entspricht 950 Euro Bruttolohn/Monat), bei 5,70 Euro Stundenlohn geht indes die Lohnsteuer los (= 951 Euro Bruttolohn/Monat)und bei 8,50 Euro Stundenlohn fallen gleich 74,08 Euro Lohnsteuer monatlich an. Kann es Rechtens sein, dass unsere Regierung in die grundgesetzlich geschützte Privatautonomie (Art. 2 Abs.1, 20 Abs. 1 GG) derartig eingreift, dass oberhalb des angeblich sozialrechtlichen Existenzminimums von 950 Euro "Mindestlöhne" vorgeschrieben werden oder halten Sie das sozialrechtliche Existenzminimum, welches steuerfrei zu stellen ist, für zu niedrig bemessen? Müsste das steuerfreie Existenzminimum bei dem Geltenden "MINDEST"lohngesetz nicht vielmehr auf einer Basis von 8,50 Euro bemessen werden, vor allem wenn die Gesetzesbegründungen dazu gelesen werden?

Wäre es nicht sinnvoller, den Mindestlohn an den Grundfreibetrag des Einkommensteuergesetzes zu koppeln, der ohnedies jedes Jahr neu ermmittelt wird? Könnte dadurch nicht das zusätzliche Kostenmonster "Mindestlohnkommission" überflüssig gemacht werden? Warum wurde hier "entkoppelt"?

Werden in anderen westeuropäischen Ländern (Frankreich, Belgien, Holland, England) ebenfalls derartige Aufzeichnungspflichten statuiert und der Zoll zur Überwachung und Umsetzung des Mindestlohns etabliert (mit 1.600 neuen Stellen) - wo kann ich hierzu Auskünfte finden?

Mit freundlichen Grüßen

Kerstin Griese MdB
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Karsch,

vielen Dank für Ihre Anfrage zu den Themen gesetzlicher Mindestlohn und steuerlicher Grundfreibetrag.

Die SPD setzt sich seit vielen Jahren für einen Mindestlohn ein, wie er bereits in 21 der 28 europäischen Mitgliedsstaaten vorhanden ist. Seit dem 1. Januar dieses Jahres gilt endlich auch in Deutschland der flächendeckende Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. 3,7 Mio. Menschen profitieren davon. Die Höhe des Mindestlohns wird alle zwei Jahre überprüft und gegebenenfalls angepasst. Dies erfolgt zum ersten Mal zum 1. Januar 2017. Die Prüfung und den Vorschlag zur Anpassung des Mindestlohns nimmt die Mindestlohnkommission vor. Ihr gehören sechs stimmberechtigte Mitglieder an – je drei VertreterInnen auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite sowie zwei WissenschaftlerInnen in beratender Funktion. Die Bundesregierung setzt die von der Kommission vorgeschlagenen Anpassungen des Mindestlohns per Rechtsverordnung um. Dabei ist es Aufgabe der Kommission, sich an der Tarifentwicklung in Deutschland zu orientieren und dies unabhängig von politischen Mehrheiten. Ferner soll sie bei ihren Entscheidungen die Aspekte: Mindestschutz der Beschäftigten und fairen Wettbewerb berücksichtigen. Ebenfalls gilt es zu beachten, dass die Beschäftigung nicht gefährdet wird. Die Kommission ist notwendig, um die Tarifautonomie nicht einzuschränken, denn die Koalitionsfreiheit und die Tarifautonomie haben in Deutschland Verfassungsrang.

Die Bewertung durch die Kommission wird unabhängig von dem Grundfreibetrag in der Einkommensteuer vollzogen, da es sich hierbei um zwei voneinander zu trennende Bereiche handelt. Bei der Frage des Mindestlohns geht es um die adäquate und würdevolle Bezahlung der Arbeit. Bei dem Grundfreibetrag geht es um das steuerfreie Existenzminimum. Dies ist auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (u.a. BVerfGE 87,153-181) zu bemessen. Die Bundesregierung erstellt deshalb alle zwei Jahre den Existenzminimumbericht, unter Berücksichtigung des notwendigen Lebensunterhalts für Erwachsene und Kinder. Im 10. Existenzminimumbericht wird vorgeschlagen die aktuellen Freibeträge (8.354 Euro für Erwachsene und 4.368 Euro für Kinder) zu erhöhen. Wichtig ist, dass bei der Einkommensteuer, im Gegensatz zur Entlohnung, den persönlichen Umständen (wie Kinder) und möglicher Zusatzbelastung Rechnung getragen werden.
Der Mindestlohn kann nur in der Breite funktionieren, wenn er auch kontrolliert wird. Zuständig ist dafür der Zoll. Ein wesentlicher Schritt zur Überprüfung der Einhaltung des Mindestlohns ist die Aufzeichnung der Arbeitszeiten. Der Großteil der Beschäftigten ist davon nicht betroffen. Jedoch sind gerade geringfügig Beschäftigte durch längere Arbeitszeiten von der Unterschreitung des Mindestlohns bedroht, weshalb hier ein besonderes Augenmerk liegt.

Wie erfolgreich der Mindestlohn in den anderen europäischen Ländern ist, zeigen viele Studien. Eine gute und ausführliche Übersicht, wie andere europäische Mitgliedsstaaten den Mindestlohn kontrollieren und mit welchen Problemen sie sich konfrontiert sehen, finden sie bei der G.I.B. - Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung mbH aus Nordrhein-Westfalen. Diese Studie bezieht sich explizit auf die Länder Frankreich, Großbritannien und die Niederlande. ( http://www.gib.nrw.de/service/downloaddatenbank/umsetzung-und-kontrolle-von-mindestloehnen-europaeische-erfahrungen-und-was-deutschland-von-ihnen-lernen-kann ).

Mit freundlichen Grüßen

Kerstin Griese

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