Frage an Kerstin Tack bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Kerstin Tack
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SPD
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Frage von Nico B. •

Frage an Kerstin Tack von Nico B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Leider verfestigt sich bei mir der Eindruck, das die Politiker aller Parteien nur noch die Erfüllungsgehilfen der Konzerne sind.
Beispiele:
- Transaktionssteuer: trifft nur die Kleinanleger.
- Kassenbonpflicht: die kleinen Geschäftsleute werden drangsaliert, währenddessen die Großkonzene weiterhin ihre Steuervermeidungspolitik ungehindert weiterführen dürfen und Milliarden an Steuern hinterziehen.
- Umweltpolitik: ist für euch nur ein Mittel die Abgaben und Steuern zu erhöhen ohne das etwas für die Umwelt dabei herauskommt.
Autofahren wird zwar teurer, aber zur Arbeit müssen wir trotzdem kommen also kommt keine C02 Ersparnis zustande, da wir nicht auf ein gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz ausweichen können.
- Umgang mit dem Steuerüberschuss: Anstatt die Mehreinnahmen in den Ausbau der Infrastruktur zu stecken soll das Geld über die Senkung der Unternehmenssteuern an die Industrie verschenkt werden. Später, wenn die Zeiten mal wieder schlechter werden, werden dann die Unternehmenssteuern nicht etwa wieder angehoben , nein dann müssen wieder „alle“ (gemeint sind damit natürlich nur die Bürger) der Gürten enger schnallen.
- Aberkennung der Gemeinnützigkeit von Organisationen wie Change.org, Campact, Attac usw. währenddessen die Lobbyisten der Konzerne von diesen von der Steuer abgesetzt werden können.
- …
Ich könnte so weiter machen!

Frage:
Wie rechtfertigen Sie den von Ihnen vertretenen Anspruch Politik für das Wohl und die Interessen der Wähler bzw. der Bürger dieses Landes zu machen?

Kerstin Tack
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr B.,

vielen Dank für Ihre Fragen auf Abgeordnetenwatch.de, die ich gerne beantworte. Auf Grund der von Ihnen angesprochenen Themenbreite bitte ich um Verständnis, dass ich auf die einzelnen Punkte nur knapp eingehen kann.

1. Transaktionssteuer:
Richtig ist, dass wir als SPD eine Finanztransaktionssteuer bevorzugen würden, die im Idealfall alle Finanzprodukte umfasst. Für eine möglichst weitreichende Reform hat sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz auch eingesetzt, sie war jedoch im Rahmen der „Verstärkten Zusammenarbeit“ auf europäischer Ebene nicht konsensfähig. Deshalb gibt es als ersten Schritt einen weniger weitreichenden Vorschlag, der allerdings nur die Mindestanforderungen festlegt. Die an der „Verstärkten Zusammenarbeit“ beteiligten Länder sind frei darin, weitere Finanzprodukte in die Besteuerung einzubeziehen. Wir wären dafür offen, CDU/CSU jedoch nicht.

Der jetzt vorgelegte Entwurf trifft Kleinsparer aber trotzdem nur zu einem geringen Teil. Zum einen ist der Anteil der von Privatanlegern gehaltenen deutschen Aktien relativ gering. Mit steigendem Einkommen nimmt er hingegen deutlich zu. Zum anderen haben gerade Privatanleger in der Regel einen langfristigen Anlagehorizont und sind nicht an kurzfristigen Kursgewinnen interessiert. Sie lassen deshalb Aktien für einen längeren Zeitraum im Depot liegen. Der niedrige Steuersatz von 0,2 Prozent und die niedrige Umschlaghäufigkeit, d.h. die Häufigkeit, mit der Aktien verkauft und vom Erlös wieder neue Aktien gekauft werden, führen zu einer geringen Steuerlast. Dies hat auch ein aktuelles Gutachten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft festgestellt, über das die Rheinische Post berichtet.

Weiterführende Informationen finden Sie bei Interesse unter folgenden Links:
https://www.spdfraktion.de/themen/aktien-bleiben-kleinanleger-attraktiv
https://rp-online.de/politik/deutschland/neues-gutachten-kieler-institut-stuetzt-plaene-von-scholz-fuer-aktiensteuer_aid-48637317

2. Kassenbonpflicht:
Mit der sogenannten Belegausgabepflicht, die bei Kartenzahlungen übrigens bereits existierte, werden ehrliche Geschäftsleute geschützt. Denn sie befinden sich aktuell im Konkurrenzkampf mit unfairen Marktteilnehmern bzw. Wettbewerbern, die die Mehrwertsteuer hinterziehen. Dabei geht es nicht um Peanuts, sondern um zweistellige Milliardenbeträge pro Jahr! Damit der ehrliche nicht der Dumme ist, wurde bereits 2016 das Kassen-Betrugs-Bekämpfungs-Gesetz beschlossen. Obwohl die Neuregelung seither bekannt ist, war die Industrie bislang nicht in der Lage oder willens, manipulationssichere Kassen zu entwickeln, die auch ohne Ausdruck des Kassenbons Betrug unterbinden.

Im Übrigen halte ich wenig davon, eine Art der Steuerhinterziehung mit dem Verweis auf eine an andere Stelle potentiell viel größere Steuerhinterziehung zu rechtfertigen. Steuerhinterziehung ist in jedem Fall ein Verbrechen gegenüber der Allgemeinheit und wird auch bei Großkonzernen nicht geduldet. So richtet der Bundesfinanzminister aktuell eine Task-Force gegen Steuergestaltung ein und Steuerberaterinnen und Rechtsanwälte müssen in Zukunft grenzüberschreitende Steuergestaltungen an die Finanzbehörden melden.

Weiterführende Informationen finden Sie bei Interesse unter folgendem Link:
https://www.spdfraktion.de/presse/pressemitteilungen/bundesfinanzministerium-richtet-task-force-gegen-steuergestaltungen

3. Umweltpolitik:
In der Großen Koalition wurde nicht nur die Einführung einer CO2-Steuer, sondern auch eine Entlastung der Pendlerinnen und Pendler vereinbart. Zum einen durch eine Anhebung der Entfernungspauschale und zum anderen durch eine Mobilitätsprämie. Darüber hinaus wird bereits seit Beginn dieses Jahres auf Bahnfahrten der niedrigere Mehrwertsteuersatz erhoben. Weiterführende Informationen finden Sie bei Interesse unter folgendem Link:
https://www.spdfraktion.de/themen/guter-kompromiss-beim-klimapaket

Des Weiteren haben wir im Koalitionsvertrag und im Klimaschutzgesetz eine Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) durchgesetzt. Deshalb haben wir im vergangenen Jahr das Grundgesetz geändert, um als Bund mehr Mittel zur Verfügung stellen zu können. Mit der beschlossenen Reform des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) verdreifachen wir in dieser Legislaturperiode die Finanzhilfen des Bundes an die Länder für Investitionen in neue Infrastruktur, z.B. Schienenwege für Straßenbahnen und U-Bahntunnel. Und durch die Erhöhung und Dynamisierung der Regionalisierungsmittel erhalten die Länder vom Bund zusätzlich 5,25 Milliarden Euro, um die Attraktivität des ÖPNV zu steigern.

4. Umgang mit dem Steuerüberschuss:
Es freut mich, Sie bei der Frage des Umgangs mit den Haushaltsüberschüssen an unserer Seite zu wissen. Wie Sie den Medien sicherlich entnommen haben, ist eine Unternehmenssteuerreform für die SPD aktuell kein Thema. Wichtiger ist, in Schulen, Kitas, Straßen und andere Infrastruktur zu investieren. Darüber hinaus haben wir vorgeschlagen, die bereits für 2021 geplante weitgehende Abschaffung des Solidaritätszuschlages um ein halbes Jahr vorzuziehen. Hierüber werden wir jetzt mit CDU und CSU verhandeln.

5. Aberkennung der Gemeinnützigkeit:
Nicht die Politik, sondern der Bundesfinanzhof hat Attac die Gemeinnützigkeit entzogen, was durch das Finanzamt Berlin dann auch für Campact umgesetzt wurde. Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich bereits nach der Entscheidung zu Attac für eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts ausgesprochen und Bundesfinanzminister Olaf Scholz diese angekündigt.

Weiterführende Informationen finden Sie bei Interesse unter folgendem Link:
https://www.spdfraktion.de/presse/pressemitteilungen/gemeinnuetzige-organisationen-politisch-aktiv

6. Anspruch:
Der Anspruch, Politik zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger zu machen, ist vor dem Hintergrund der hier gemachten Ausführungen und auf Basis der Ergebnisse der Großen Koalition insgesamt (https://www.spdfraktion.de/bilanz-2019) aus meiner Sicht erfüllt.

Vielmehr frage ich mich, wie auf Basis der von Ihnen aufgeführten Kritikpunkte der Eindruck entstehen kann, dass Politik nur noch Erfüllungsgehilfe der Konzerne sei. Weder die Finanztransaktionssteuer noch die Belegausgabepflicht oder die CO2-Steuer sind Reformen, die von der Wirtschaft (den Konzernen) gewünscht und eingefordert wurden und werden.

Mit freundlichen Grüßen
Kerstin Tack