Frage an Kirsten Kappert-Gonther bezüglich Recht

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Kirsten Kappert-Gonther
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Armin H. •

Frage an Kirsten Kappert-Gonther von Armin H. bezüglich Recht

Guten Tag,
wie stehen Sie zu der Auffassung von Prof. Ernst Führich, der u. a. auch den Rechtsausschuss des Bundestages bei der Erarbeitung der Pauschalreiserechtsrichtlinie beraten hat, zu der Auffassung, dass die Bundesregierung Thomas-Cook-Kunden entschaädigen sollte, soweit die Insolvenzsicherung nicht reicht?
Freundliche Grüße
A. H.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr H.,

vielen Dank für Ihr Schreiben. Es sieht nach jetzigem Stand leider tatsächlich so aus, als würden betroffene Kundinnen und Kunden nur einen kleinen Teil des Reisepreises von der Versicherung zurückerstattet bekommen. Diese Situation wäre absolut vermeidbar gewesen, wenn die Bundesregierung rechtzeitig gehandelt hätte.

Doch im Einzelnen: Die EU-Pauschalreise-Richtlinie legt fest, dass sich Veranstalter für den Fall der eigenen Insolvenz absichern müssen, um die Rückholung von Urlaubern und die Erstattung des Reisepreises für noch nicht begonnene Reisen zu garantieren. Reisende, die eine Pauschalreise erwerben, sollen "vor der Insolvenz des Reiseveranstalters in vollem Umfang“ geschützt werden, besagt die Richtlinie.

Bei der Umsetzung in deutsches Recht wurde allerdings die Haftungssumme, die eine Versicherung bei Veranstalter-Insolvenzen erstatten muss, auf 110 Mio. Euro pro Jahr gedeckelt und seit 1993 auch nicht mehr angepasst. Das erweist sich jetzt als schwerer Fehler, denn der Schaden bei Thomas Cook übersteigt die 110 Millionen deutlich. Auf dieses Problem haben Experten schon im Januar 2017 bei einer Anhörung im Ausschuss des für Recht und Verbraucherschutz aufmerksam gemacht. ( https://www.bundestag.de/ausschuesse/ausschuesse18/a06/anhoerungen/Archiv/reiserechtliche-vorschriften-487928 )

Auch die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hat mehrmals auf die Problematik hingewiesen. Noch in der Woche nach der Insolvenz von Thomas Cook wurde ein grüner Antrag, die Haftungssumme auf 300 Mio. Euro zu erhöhen, mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und AfD abgelehnt. Mit diesem Antrag hätte zumindest für zukünftige Veranstalterpleiten vorgesorgt werden können. ( https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/085/1908565.pdf )

Mittlerweile hat die Bundesregierung angekündigt, in den nächsten Wochen einen eigenen Vorschlag für die zukünftige Kundengeldabsicherung vorlegen zu wollen. Wir werden diesen Vorschlag natürlich genau unter die Lupe nehmen, um sicherzustellen, bei einer neuen Absicherungslösung die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher besser geschützt werden als bisher.

Gleichzeitig bleibt natürlich die Frage bestehen, wer für die finanziellen Schäden, die Betroffenen wie Ihnen entstanden sind, gerade stehen muss. Am Ende könnte es der Steuerzahler sein, der die Kosten trägt: Sollte ein Gericht zu der Ansicht kommen, dass die Bundesregierung die EU-Pauschalreise-Richtlinie nicht korrekt umgesetzt hat, könnte hier ein Fall von Staatshaftung vorliegen. Die Bundesregierung hat zwar bei der Umsetzung von EU-Richtlinien einen gewissen Ermessensspielraum, dieser könnte hier aber überschritten worden sein.

Ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes, das von den Abgeordneten Tabea Rößner und Markus Tressel in Auftrag gegeben wurde, kommt zu dem Schluss, das eine Beschränkung der Haftungssumme im Pauschalreiserecht prinzipiell zulässig ist, aber die konkrete Festsetzung auf eine Höhe von 110 Millionen Euro problematisch sei. ( https://www.bundestag.de/resource/blob/664734/d4322a9a250dfb1eda42e276fa61b86e/PE-6-093-19-pdf-data.pdf )

Leider kommt in bei der möglichen Staatshaftung eine Musterfeststellungsklage nicht in Frage, denn diese kann nur Verbraucheransprüche gegenüber Unternehmen klären, nicht aber gegenüber dem Staat. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen selbst per Klage tätig werden. Wir wollen deshalb den kollektiven Rechtsschutz weiter stärken, damit Verbraucherinnen und Verbraucher auch in solchen Fällen als Gruppe gemeinsam klagen können. Dafür haben wir schon in der letzten Legislaturperiode einen Gesetzesentwurf vorgelegt.
( https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/002/1900243.pdf )

Als Gesetzgeber können und dürfen wir keine Beratung zu Ihrem konkreten Fall bieten, können sondern Sie hierfür nur an die Verbraucherzentralen verweisen, die betroffene Thomas-Cook-Kunden beraten. Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen wird aber auch weiterhin mit allen parlamentarischen Mitteln am Thema Thomas-Cook-Insolvenz dran bleiben und sich für die Betroffenen, eine zukunftsfähige Insolvenzabsicherung und einen besseren kollektiven Rechtsschutz einsetzen.

Mit freundlichen Grüßen
Kirsten Kappert-Gonther

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