Frage an Konstantin von Notz bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Konstantin von Notz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Andreas R. •

Frage an Konstantin von Notz von Andreas R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Betr.: Christenverfolgung

Sehr geehrter Herr Dr. v. Notz

Christen sind die weltweit am stärksten der Verfolgung ausgesetzte Religionsgemeinschaft. Das Kernland der Bibel, das Heilige Land im Nahen Osten, wird aufgrund massiver Repressalien geradezu von Christen entvölkert. Die ausgesprochen bedrängte Situation der koptischen Christen in Ägypten ist aus der Presse bekannt. Als Folge der Verfolgung insbesondere von der muslimischen Seite fliehen zunehmend Christen aus Ländern wie Ägypten, dem Irak oder Iran. Der sog. „Arabische Frühling“, der in mehreren Ländern (Tunesien, Marokko, Ägypten usw. ) durch demokratische Wahlen radikale Islamisten wie die Muslimbruderschaft an die Regierung bringen wird oder schon gebracht hat, wird – trotz anderslautender verbaler Bekenntnisse – die Verfolgung Andersgläubiger, und damit die Christenverfolgung, in diesen Ländern voraussehbar noch erheblich weiter verschärfen.

Im Iran ist über Pastor Youcef Nadarkhani nur deshalb das Todesurteil ausgesprochen worden, weil er vom islamischen Glauben abgefallen ist. Sein Fall hat inzwischen öffentliche Aufmerksamkeit erlangt. Sein Schicksal ist allerdings kein Einzelfall.

Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich wissen lassen würden, welche konkreten Maßnahmen Ihre Partei und Sie ganz persönlich unternehmen, um der sich ausbreitenden Christenverfolgung weltweit, insbesondere auch in muslimischen Ländern wirksam entgegen zu treten.

Ich danke Ihnen herzlich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, sich mit diesem Thema und meinem Anliegen zu beschäftigen.

Mit freundlichem Gruß
Andreas Rieger

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Rieger,

haben Sie herzlichen Dank für Ihre Frage. Über Ihr Interesse an der Arbeit der grünen Fraktion im Deutschen Bundestag habe ich mich sehr gefreut.

Die Gewähr der Religions- und Glaubensfreiheit ist als eines der bedeutendsten Grundrechte Bestandteil aller internationalen Menschenrechts-Vereinbarungen. Artikel 4 GG hat aber auch in Deutschland eine ganz besondere Bedeutung, schon allein aufgrund der deutschen Geschichte. Wir Grünen messen der positiven und negativen Religionsfreiheit - also der Möglichkeit sich frei zu einer Religion bekennen und diese auch praktizieren zu können bzw. dies aus freien Willen gerade nicht zu tun - große Bedeutung zu.

Leider finden weltweit täglich unzählige Verstöße hiergegen statt. Einige Beispiel haben Sie, sehr geehrter Herr Rieger, genannt.

Die Stärkung der Religions- und Glaubensfreiheit ist für uns Grüne nicht nur eine Frage deutscher Außen- und Menschenrechtspolitik, sondern insbesondere auch in der Innen- und Europapolitik von Bedeutung. In den Fokus müssen daher auch verfolgte Christen im Ausland gerückt werden, aber eben nicht nur. Vielmehr ist eine gleichberechtigte Betrachtung aller religiösen Minderheiten erforderlich - überall auf der Welt, auch bei uns.

Die Politik der derzeitigen schwarz-gelben Koalition, meist nur auf verfolgte christliche Minderheiten hinzuweisen, gleichzeitig aber zu anderen Vorfällen zu schweigen, verletzt daher den Grundsatz der Unteilbarkeit der Menschenrechte. Aus diesen Gründen fordern wir Grünen, den Schutz der Religions- und Glaubensfreiheit sowohl weltweit als auch in Deutschland und Europa umzusetzen, ohne einzelne religiöse Gruppen hierbei zu privilegieren oder zu diskriminieren.

Am 8. Juli 2010 debattierte das Plenum des Bundestags dieses Thema ausführlich. Hierzu reichten wir Grünen einen Antrag mit dem Titel „Das Menschenrecht auf Religions- und Glaubensfreiheit stärken“ ein. In unserem Antrag verweisen wir darauf, dass der Ansatz der schwarz-gelben Koalition, die ebenfalls einen Antrag vorgelegt hatte, sich „weltweit für Religionsfreiheit einzusetzen und dabei ein besonderes Augenmerk auf die Lage der christlichen Minderheiten zu legen“, zwar grundsätzlich zu begrüßen sei. Gleichzeitig machten wir jedoch sowohl in unserem Antrag als auch in den gehaltenen Redebeiträgen deutlich, dass das Recht der Religionsfreiheit, wie es im Grundgesetz, aber zum Beispiel auch in den universellen Menschenrechten garantiert wird, universell, für alle Menschen und alle Glaubensgemeinschaften gelten muss.

Vor diesem Hintergrund ist es von großer Bedeutung, ohne Hervorhebung einzelner Religionen, für ein solch universelles Recht einzutreten und überall dort, wo gegen dieses Recht verstoßen wird, dies auch zu thematisieren.

Dies bedeutet, dass wir uns feigen Anschläge, egal auf welche Religionsgemeinschaft und egal in welchem Land, mit aller Entschlossenheit politisch entgegenstellen und allen Angehörigen von Religionsgemeinschaften, die Opfer derartiger Anschläge werden, unser tiefes Mitgefühl haben. Wir setzen uns dafür ein, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden und derartige Anschläge zukünftig nicht mehr geschehen.

Die Religions- und Glaubensfreiheit definieren wir in unserem Antrag folgendermaßen: Sie ist für uns „eine Ausprägung der Menschenwürde. Sie schützt das Recht des und der Einzelnen, einen Glauben oder eine Weltanschauung zu bilden, zu haben, zu äußern und zu ändern, und somit sein oder ihr gesamtes Verhalten an den Lehren seines oder ihres Glaubens auszurichten und der inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln („individuelle Freiheit“). Ebenso schützt die Religions- und Glaubensfreiheit die Freiheit religiöser oder weltanschaulicher Vereinigungen etwa bei der Ausübung ihrer nach außen gerichteten Tätigkeit („kollektive Freiheit“). Drittens schützt sie die Freiheit, keinen Glauben zu bilden, zu haben, zu bekennen und danach zu leben („negative Freiheit“).“

Unser Antrag finden Sie hier:
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/024/1702424.pdf

Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weiter geholfen zu haben. Nochmals herzlichen Dank für Ihre Frage.

Herzliche Grüße nach Ammersbek,

Konstantin v. Notz

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