Frage an Konstantin von Notz bezüglich Wirtschaft

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Konstantin von Notz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Jörg L. •

Frage an Konstantin von Notz von Jörg L. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Dr. von Notz,

Ist es für unsere Volkswirtschaft nicht zwingend , die essentiellen Schlüsseltechnogien, vor allem
die Entwicklung von "eigener" IT Technologie, hier Hardware und vor allem Betriebssystemen und Software wie eigene Suchmaschinen und Servernetzwerke in Deutschand und Europa zu fördern ?

Damit natürlich auch Abhängigkeiten von anderen Märkte zu reduzieren und eigene wirtschaftliche
Entwicklungen nachhaltig zu schützen und zu fördern ?

Für Ihre Antwort vielen Dank im Voraus ?

MfG
Jörg L.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Lindeholz,

haben Sie herzlichen Dank für Ihre Frage, die ich im Folgenden gerne beantworten will. Bitte verzeihen Sie zunächst, dass ich erst heute dazu komme, Ihnen zu antworten.

Seit dem Bekanntwerden des größten Überwachungs- und Geheimdienstskandals aller Zeiten führen wir auch eine intensive Diskussion darüber, wie es gelingen kann, uns unabhängiger von oftmals kompromittierten Kommunikations-Infrastrukturen zu machen. Bedenken muss man hierbei, dass, nach allem was wir heute über die Praktiken der Geheimdienste, mit denen sich ja in den nächsten Jahren ein gerade eingerichteter Parlamentarischer Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages intensiv auseinandersetzen und mögliche Lösungsansätze aufzeigen wird, wissen, sich die Überwachung nicht nur auf die Kompromittierung von US-Infrastruktur und –Anbietern erstreckt, sondern beispielsweise auch auf das bewusste Verbauen und/oder Offenhalten von Sicherheitslücken bei europäischen Anbieter und das Abzapfen von Kommunikation an verschiedenen Seekabeln und Internetknotenpunkten auf europäischem Boden beinhaltet.

D.h. wir müssen uns nicht nur intensive Gedanken darüber machen, wie es gelingt, das bewusste Verbauen und Offenhalten von Sicherheitslücken künftig effektiv im Sinne der Nutzerinnen und Nutzer und eines effektiven Grundrechtsschutz zu unterbinden, sondern auch, wie wir unsere Kommunikationsinfrastrukturen insgesamt sicherer machen können. Hierzu gehören auch Überlegungen, wie es gelingen kann, zukünftig Kommunikation eher über Ländern abzuwickeln, bei denen sichergestellt ist, dass sie die Durchleitung nicht für eigene Zwecke missbrauchen. In diesem Zusammenhang muss man sich jedoch im Klaren sein, dass wir heute wissen, dass auch europäische Dienste ganz ähnliche Praktiken betreiben und selbst Kommunikation auf europäischem Boden abfangen und auswerten.

Neben der dringend benötigten Aufklärung der im Raum stehenden Vorwürfe in Richtung verschiedener Dienste und der Frage des zukünftigen Routings, die sicher nicht von heute auf morgen beantwortet werden kann, gibt es schon heute verschiedene Ansätze, die vergleichsweise schnell umzusetzen sind und die Anfälligkeit gegenüber den durch Edward Snowden bekannt gewordenen Praktiken verringern. Hierzu gehört neben einer effektiveren Abwehr geheimdienstlicher Tätigkeiten sicher auch der verstärkte Einsatz von freier und offener Software sowie eine verbesserte politische Unterstützung und der vermehrte Einsatz von Anonymisierungsdiensten und Verschlüsselungssoftware.

Hier könnte bzw. müsste der Staat den Nutzerinnen und Nutzer mit gutem Beispiel vorangehen und die von ihm aufgesetzten IT-Großprojekte der letzten Jahre, die allesamt sicherheitstechnisch nicht auf dem neuesten Stand sind, wie beispielsweise DeMail mit einer von uns im Gesetzgebungsprozess immer wieder angemahnten, durchgehenden Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nachrüsten.

Obwohl die Bundesregierung angekündigt hat, den Daten- und Verbraucherschutz zu einem Schwerpunkt dieser Legislaturperiode machen zu wollen, tut sie hierfür bislang viel zu wenig. So weigert sie sich noch immer die dringend notwendigen Konsequenzen für den Grundrechtsschutz der Bürgerinnnen und Bürger aus den Erfahrungen der letzten Monate zu ziehen. Als Grüne Bundestagsfraktion werden wir auch in den nächsten Monaten im Rahmen eines Schwerpunktes „Digitale Bürgerrechte“ alles dafür tun, die Bundesregierung dazu zu bewegen, die dringend notwendigen Konsequenzen für den Grundrechtsschutz der Bürgerinnen und Bürger sowie den Schutz von Unternehmen vor Ausspähung zu ziehen. Eine Übersicht unserer zahlreiche Aktivitäten finden Sie hier:
http://www.gruene-bundestag.de/themen/digitale-buergerrechte_ID_4390734.html

Herzliche Grüße nach München!
Ihr Konstantin Notz

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