Frage an Konstantin von Notz bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Konstantin von Notz
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Frage von Wolfgang V. •

Frage an Konstantin von Notz von Wolfgang V. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Dr. Konstantin von Notz,

danke für Ihre ausführliche Stellungnahme zu meiner Nachfrage bezüglich der Ukraine-Krise. Folgende Anmerkungen meinerseits dazu: Zum Irakkrieg und den Sanktionen: Dass die USA seinerzeit kritisiert worden sind, steht außer Frage, aber es hatte keinerlei Konsequenzen und das trotz tausender Toter. Mir ist nicht mal bekannt, dass Russland seinerzeit Sanktionen gegen die USA gefordert hätten. Mir geht es um die Verhältnismäßigkeit und Doppelmoral des Westens und der NATO. Insgesamt kann man doch wohl feststellen, dass es dem Westen und der NATO doch gar nicht um Menschenrechte und Demokratie geht, sondern einzig und allein um Geo-Interessen, wie es immer der Fall. Ich möchte Sie bitten, mir in einer Antwort zu bestätigen, dass es Ihnen, den Grünen, der Bundesregierung und der EU vordergründig um die Menschen in der Ukraine und deren Interessen geht. Wie sagte Egon Bahr kürzlich: "In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt." Vielen Dank für Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Voss

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Sehr geehrter Herr Voss,

haben Sie vielen Dank für Ihre Nachfrage zur Bewertung der Ukraine-Krise und den internationalen Beziehungen, auf die ich gerne in Ergänzung zu meiner ersten, ausführlichen Antwort und vor dem Hintergrund der leider ja anhaltenden Spannungen noch einmal eingehen möchte.

Zunächst erscheint mir bezüglich der nun vielfach zu findenden völkerrechtlichen Bewertungen und Vergleiche rund um die derzeitige Ukraine-Krise eines nochmal wirklich wichtig festzuhalten: Ein Rechtsbruch wird nicht etwa dadurch besser bzw. weniger falsch, nur weil eventuell zuvor schon einmal dieses Recht gebrochen worden ist. Gerade im hochsensiblen Bereich des Völkerrechts verbieten sich meines Erachtens daher so manche Vergleiche, wie sie dieser Tage zu hören und lesen sind. Ich halte grundsätzlich nichts davon, ein Unrecht gegen ein anderes aufzuwiegen.

Andreas Zielcke hat in der SZ vom 3. Mai 2014 vor einer solchen instrumentellen Verkürzung und Entkernung demokratisch-rechtsstaatlicher Prinzipien mit Blick auf ganz unterschiedliche Fragen in den internationalen Beziehungen, darunter auch die Krim-Annexion – sehr treffend gewarnt. Den Artikel finden Sie hier: http://www.sueddeutsche.de/politik/transatlantisches-freihandelsabkommen-ttip-sieg-ueber-das-gesetz-1.1948221

Die Vorgänge in und um den Irak sind meines Erachtens deswegen schon nicht mit der Krim-Annexion Russlands gleichzusetzen, da diese offensichtlich unter bewusster Umgehung aller internationalen Vermittlungsinstanzen gezielt und auf Dauer angelegt sind.

Sicherlich spielen geopolitische Überlegungen und sogenannte "harte" Interessen in den internationalen Beziehungen immer auch eine, allerdings mitnichten eine ausschließliche Rolle. Sicherlich gilt dies auch für die USA. Dennoch, auch das muss man meines Erachtens bedenken, gibt es in Demokratien und Rechtsstaaten mit einer ausgeprägten Meinungs- und Informationsfreiheit und einer entsprechend lebendigen Zivilgesellschaft und Medienlandschaft eben den Freiraum, diese Politiken offen zu diskutieren, zu kritisieren und ggf. spätestens mittels freier Wahlen zu revidieren.

Dies unterscheidet die USA oder auch die EU-Staaten von Autokratien und Diktaturen. Fraglos gibt es auch in diesen Ländern demokratische oder rechtsstaatliche Defizite - ich selbst kritisiere diese übrigens häufig und ganz entschieden, derzeit z.B. auch und vor allem in der Debatte um die grenzübergreifenden Überwachungs- und Geheimdienstskandale in den westlichen Staaten. Gleichzeitig warne ich jedoch nochmals davor, alle Staaten und Gesellschaftsmodelle über einen Kamm zu scheren. Wer dies tut, verkennt den Wert unserer Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, welche für sehr viele Menschen in der Ukraine gerade so erstrebenswert sind.

Zur Ihrer konkreten Bitte: Ich kann selbstverständlich weder für die EU noch für die Bundesregierung sprechen, kann Ihnen aber versichern, dass es der grünen Bundestagsfraktion, genauso wie unserer Europafraktion um die Menschen in der Ukraine und deren Interessen geht.

Nochmals herzliche Grüße
Ihr Konstantin Notz

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