Frage an Konstantin von Notz bezüglich Finanzen

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Konstantin von Notz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Stefan M. •

Frage an Konstantin von Notz von Stefan M. bezüglich Finanzen

Guten Tag Herr Dr. v. Notz,

diese Nachricht habe ich zu allen relevanten Parteien, die hier im Abgeordnetenwatch aktiv sind, geschickt und würde mich über eine Antwort sehr freuen. Herr Ströbele konnte mir die Fragen leider nicht beantworten.

Seit längerem beschäftige ich mich mit dem Thema Altersvorsorge und lege selbst seit 15 Jahren Geld in Aktienfonds an. Zusätzlich habe ich auch einen fondsgebundenen Riestervertrag und eine Kapitallebensversicherung.

Es hat sich leider herausgestellt, dass im Allgemeinen die Riesterrente sämtliche Renditeprognosen verfehlt, ein Provisionsbringer für Banken und Versicherungen und zudem noch oft sehr kompliziert ist.

Dazu der Bericht der Wirtschafts-Woche vom 12. Dezember 2014:

www.wiwo.de

Eine interessante Alternative zu den in Deutschland geförderten Produkten befindet sich den USA, wo z.B. "401(k) Depots” den amerikanischen Bürgern zum Rentenvermögensaufbau hilft.

Nach meinen jetzigen Information bin ich begeistert über dieses Modell, weil es in dem Depot viele Anlagemöglichkeiten gibt, so dass jeder Anleger gemäß eigener Risikoneigung und Kenntnisstand aus einer Vielzahl von Produkten wählen kann. Zudem ist die Anlage transparent zur Altersvorsorge und führt nicht zum Missbrauch – vorzeitige Entnahmen sind sehr teuer.

Leider ist es zur Zeit in Deutschland so, dass renditebringende Anlagen wie Aktien, Fonds usw. bei jeder Umschichtung voll besteuert werden, während gleichzeitig die provisionsreichen und renditearmen Produkte während der Ansparphase nicht nur zinsfrei gestellt, sondern auch noch stark mit Steuermitteln gefördert werden.

Ich würde mich freuen, wenn es in den nächsten Jahren diesbezüglich Fortschritte zum Vermögensaufbau für die Rente gibt, weil alle Prognosen davon ausgehen, dass viel zu wenige über Kapitalaufbau vorsorgen und die Altersarmut dadurch rapide zunehmen wird.

Mich interessiert, ob Sie die 401k Depots kennen und wie Sie bzw. ihre Partei zu dieser Anlageform zum Aufbau von privaten Kapital zur Altersvorsorge stehen?

Stefan MÜller

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Müller,

haben Sie herzlichen Dank für Ihre Frage zum Thema Finanzen. Entschuldigen Sie bitte zunächst, dass Sie erst heute diesbezüglich wieder von mir hören. Wie Sie wissen, liegen meine originären fachpolitischen Zuständigkeiten eher in anderen Bereichen, so dass ich mich, um Ihnen dennoch fundiert antworten zu können, noch einmal mit unserer Fachebene rückgekoppelt habe.

Sie sprechen in Ihrem Schreiben die so genannten 401 (k) accounts an, die in den USA steuerbegünstigtes Sparen für die Altersvorsorge ermöglichen. Vergleichbare Modelle kennen wir durchaus auch noch aus anderen Staaten. In Großbritannien gibt es beispielsweise die personal pension schemes (PPS). Ich stimme Ihnen zu, dass diese Instrumente durchaus sinnvolle Möglichkeiten sein können, die Bürgerinnen und Bürger zu einer privaten Altersvorsorge zu motivieren.

Das gemeinsame Ziel gesetzlicher Modelle und einer Förderung von Vorsorgeaktivität mit Steuergeldern ist schon heute eben diese Motivation der Bürgerinnen und Bürger, für ihre individuelle Alterssicherung privat vorzusorgen. Wichtig ist aus grüner Sicht, dass derartige Modelle nicht zu reinen Subventionsprogrammen für Finanzmarktakteure wie Investmentfondsgesellschaften, Finanzanlagevermittler, Banken oder Versicherungen verkommen. Außerdem müssen die Modelle für die Bürgerinnen und Bürger möglichst transparent und durchschaubar sein.

Die genauen gesetzlichen Bestimmungen in USA oder in Großbritannien sowie die konkreten Erfahrungen der Verbraucherinnen und Verbraucher mit den dortigen Regelungen sind mir en detail nicht bekannt. Daher kann ich den Erfolg dieser Modelle hier nicht abschließend bewerten und auch nicht beurteilen, ob vergleichbare Modelle auch in Deutschland tatsächlich Sinn machen würden. Sicherlich würde ein solch zusätzliches Förderprogramm die Marktsituation und die Entscheidungsgrundlage für die Bürgerinnen und Bürger zunächst eher noch komplexer machen als sie heute ohnehin schon sind. Zudem wissen wir, dass Anlegerinnen und Anleger in Deutschland eher vorsichtig auf den Finanzmärkten agieren wollen. Aufgrund der durchaus unterschiedlichen Anlagekulturen halte ich es aus heutiger Perspektive daher für unsicher, ob ein solches Modell in Deutschland tatsächlich die versprochenen Erfolge erzielen würde.

Allerdings, das möchte ich ausdrücklich sagen, halte ich es durchaus für einen bedenkenswerten Weg, der in der politischen Diskussion um die Zukunft der private Altersvorsorge daher auch Berücksichtigung finden sollte. Denn Handlungsbedarf besteht hier in Deutschland ohne Zweifel. Die Bürgerinnen und Bürger wissen zwar, dass sie über die gesetzliche Rente hinaus vorsorgen müssen. Mit der Riester-Rente wurden hierfür auch erste Anreize gesetzt. Ich stimme Ihnen jedoch zu, dass die Riester-Rente einfacher, verständlicher und flexibler werden muss, damit sie von der Bevölkerung angenommen wird.

Von rund 35 Millionen Förderberechtigten sorgen heute nur rund 6,4 Millionen im Sinne des Riester-Konzepts vor. Lediglich eine Minderheit hat so also - zumindest theoretisch - die Chance, auf diesem Weg das Absinken des gesetzlichen Rentenniveaus tatsächlich zu kompensieren. Ihrer zentralen Funktion wird die Riester-Rente jedoch auch nach dreizehn Jahren nicht gerecht. Gerade Geringverdienerinnen und Geringverdiener gleichen ihre ohnehin geringen Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung oftmals eben nicht mithilfe der geförderten privaten Altersvorsorge aus, obwohl die Riester-Rente gerade diese Versicherten besonders begünstigen sollte.

Dafür gibt es Gründe: Hohe Vertriebskosten, zu geringe Renditen und Produkte, die selbst für Expertinnen und Experten kaum zu durchschauen sind. Hier besteht aus grüner Sicht dringender Handlungsbedarf. Aus diesem Grund haben wir in der Vergangenheit immer wieder Alternativen zum bestehenden System in die politische Diskussion eingespeist.

Die Bundesregierung hingegen resigniert. Von Riester hat sie sich inzwischen abgewandt. Arbeitsministerin Nahles verweist stattdessen auf die Betriebsrenten, die künftig einer begrenzten Gruppe einen Ausgleich des sinkenden Rentenniveaus ermöglichen sollen. Dies reicht uns aber bei Weitem nicht. Unser Ziel ist und bleibt die Lebensstandardsicherung für alle. Auch hierzu haben wir immer wieder sehr konkret Vorschläge unterbreitet.

Um die von Ihnen aufgeworfenen Fragen gemeinsam mit Expertinnen und Experten zu erörtern und die Zukunft der Riester-Rente zu diskutieren, veranstaltet die Grüne Bundestagsfraktion am 23. März 2015 im Deutschen Bundestag ein öffentliches Fachgespräch. Eine ehrliche Problemanalyse zu diesem Thema ist aus unserer Sicht ebenso notwendig wie die Frage nach Reformoptionen für die private Altersvorsorge. Ich würde mich sehr freuen, sehr geehrter Herr Müller, wenn wir Sie am 23. März im Bundestag begrüßen könnten.

Mit freundlichen Grüßen nach Duisburg!
Konstantin v. Notz

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