Wie kommt man auf die Idee einer Impfpflicht, wo doch Omikron deutlich harmloser als Delta ist und die in Deutschland aktuell zugelassenen Impfungen schlecht und nur kurzzeitig wirken?

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Konstantin von Notz
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Frage von Markus H. •

Wie kommt man auf die Idee einer Impfpflicht, wo doch Omikron deutlich harmloser als Delta ist und die in Deutschland aktuell zugelassenen Impfungen schlecht und nur kurzzeitig wirken?

Von der deutschen Politik noch ignoriert, weist alles darauf hin, dass die aktuellen Impfungen gegen die Omikron-Variante einen schlechten, nur vorübergehenden oder nur negativen Schutz bieten und dass Omikron zu geringerer Hospitalisierung führt.
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/130078/COVID-19-Laborstudie-bestaetigt-geringe-Schutzwirkung-der-Impfung-gegen-Omikron

Auch nach RKI-Wochenberichten vom 30.12. (Seite 14) und 6.1. (Seite 25) negative Wirkung: Ungeimpfte weniger betroffen als ihr Anteil an der Bevölkerung.

Studie aus Dänemark: Omikron ist im Vergleich zu Delta für Ungeimpfte 1,17x ansteckender, für 2x Geimpfte 2,61x ansteckender, für 3x Geimpfte 3,66x ansteckender [Seite 1].
https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.12.27.21268278v1.full

Mit nur 2 Impfungen tritt bei Omikron eine negative Impfeffektivität auf von –38 % nach 120-179 Tagen und von –42 % nach 180-239 Tagen.
https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.12.30.21268565v1

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Sehr geehrter Herr H.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage und dem damit verbundenen Interesse an meiner Arbeit. Über beides habe ich mich gefreut.

Auch nach fast zwei Jahren stellt die Corona-Pandemie unser Land und die gesamte Welt noch immer vor extrem große Herausforderungen. Impfen ist, darauf weisen die Epidemiologinnen und Epidemiologen mit großer Einigkeit hin, weiterhin das beste aller uns zur Verfügung stehenden Instrumente, um der Pandemie mittelfristig Einhalt zu gebieten. Wer sich impfen lässt, schützt nicht nur sich, sondern auch andere.

Doch die bislang erreichten Impfquoten reichen nicht aus. Das zeigen die durchaus dramatischen Infektionszahlen und die gerade wieder sehr angespannte Lage auf den Intensivstationen. Die übergroße Mehrheit der Menschen geht verantwortungsbewusst mit der eigenen Gesundheit um und verhält sich solidarisch gegenüber anderen. Aber ein knappes Drittel der Menschen in unserem Land ist noch nicht vollständig geschützt, weil sie sich nicht impfen lassen können oder wollen. 

Zwar ist die Omikron-Variante des Corona-Virus in der Tat weniger pathogen, also krankmachend, und der Anteil von Menschen mit einem schweren oder gar tödlichen Verlauf der Erkrankung sinkt. Jedoch werden deutlich mehr Menschen infiziert, da sie leichter übertragbar und erheblich ansteckender, als etwa die Delta-Virusvariante ist. Eine Überlastung des Gesundheitswesens ist aufgrund der schieren Menge der Erkrankten folglich weiterhin möglich. Aktuelle Zahlen aus den Kliniken zeigen, dass derzeit hauptsächlich Menschen ohne Impfschutz intensivmedizinisch versorgt werden. Das bedeutet, dass Impfungen zwar nicht unbedingt eine Ansteckung verhindern müssen, sie jedoch aktuell der beste Schutz vor einem schweren Verlauf sind.

Bezogen auf das durch Omikron hervorgerufene Infektionsgeschehen befinden wir uns nach Ansicht von Expertinnen und Experten anders als andere Länder noch nicht auf dem höchsten Stand. Dieser wird vermutlich erst Mitte Februar erreicht sein. Insofern sind aus meiner Sicht weiterhin Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Pandemie notwendig, um das Infektionsgeschehen zumindest zu verlangsamen. Damit können wir die nötige Zeit gewinnen, damit sich möglichst noch viele Menschen impfen lassen können. Denn entscheidend bleibt, dass wir möglichst schnell eine hohe Grundimmunität der Bevölkerung erreichen, um diese Pandemie endlich unter Kontrolle zu bringen und eine Überlastung unseres Gesundheitssystems und vor allem der kritischen Infrastruktur zu verhindern. Wird ein größerer Teil der Bevölkerung in kurzer Zeit krank, kann es in allen Bereichen zu massiven Engpässen kommen. Insbesondere mit der hoch infektiösen Omikron-Variante sind die Impfungen und auch der Booster zweifellos, das zeigen alle vorliegenden Zahlen, nochmals sehr viel wichtiger geworden. Vor diesem Hintergrund halte ich es für richtig, dass derzeit verschiedene Maßnahmen ergriffen werden, das Impfen insgesamt zu beschleunigen. 

Die parlamentarische Debatte rund um die mögliche Einführung einer Impfpflicht beginnt in dieser Woche. Sie können sich sicher sein, dass vor der abschließenden Abstimmung im Deutschen Bundestag die Argumente sehr sorgfältig bewegt und dabei selbstverständlich auch die Expertise von einschlägigen Expertinnen und Experten eingeholt und Studienergebnisse sorgfältig geprüft werden. Daher möchte und kann ich Ihnen klar versichern, dass wir Parlamentarier bezüglich einer Impflicht ganz bestimmt keine leichtfertige Entscheidung treffen werden – ganz im Gegenteil.

Mit besten Grüßen nach Köln!
Konstantin v. Notz

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