Wie stehen Sie zu dem Meldeportal für Steuerbetrug? Wie ist diese Form des Denunzierens mit den Grünen freiheitlichen Werten zu vereinbaren? Wie passt diese Art des Handels überhaupt zu den Grünen?

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Konstantin von Notz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Stefanie K. •

Wie stehen Sie zu dem Meldeportal für Steuerbetrug? Wie ist diese Form des Denunzierens mit den Grünen freiheitlichen Werten zu vereinbaren? Wie passt diese Art des Handels überhaupt zu den Grünen?

Sehr geehrter Herr von Notz,
diese Meldeliste und ihre Antwort hat Auswirkungen auf meine Wahl. Ich kann es nicht anders sagen. Ich bin schockiert von dieser Liste, die von den Grünen befürwortet wird. Das ist eine Moral, die mir fremd ist und eine Kultur fördert, die ich ablehne. Ich sehe auch keine Vereinbarkeit mit den Grundwerten der Grünen.

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Sehr geehrte Frau K.

haben Sie besten Dank für Ihre Frage und Ihr Interesse an meinen Ansichten zur Diskussion um Portale zur Meldung von Steuerbetrug. Über beides habe ich mich sehr gefreut.

Die Diskussion habe ich ehrlich gesagt mit extrem großer Verwunderung verfolgt. So mancher der Protagonisten, die sich in den letzten Tagen echauffiert zu Wort gemeldet hat, musste kurze Zeit später zurückrudern und eingestehen, dass es die Möglichkeit, Anzeigen im Allgemeinen und im Bereich Steuervergehen im Speziellen online zu machen, seit vielen Jahren gibt. Es gibt sie übrigens in zahlreichen Bundesländern, auch denen, in den die Grünen nicht (mit)regieren.

Selbst die bayerischen Steuerbehörden werben auf entsprechende Seiten für die Möglichkeit, Steuerbetrügereien online, auch anonym, melden zu können. Das haben führende Vertreter von CDU, CSU, FDP und AfD bei Ihrer teils extrem harschen Kritik offenbar entweder schlicht nicht gewusst oder in Wahlkampfzeiten bewusst übersehen. Beides ist schlecht.

Zu einem weitreichendem Missbrauch oder gar Denunziantentum ist es dabei nach entsprechenden Untersuchungen in der Realität nie gekommen. Auch vor diesem Hintergrund halte ich die nun geäußerte Kritik für komplett überzogen und dem derzeitigen, durchaus hitzigen Wahlkampf geschuldet.

Stasi-Vergleiche und Ähnliches sind vor dem Hintergrund, dass wir heute zum Glück in einem Rechtsstaat leben und selbstverständlich jede Anzeige vor weiteren Handlungen auf Ihre Glaubhaftigkeit überprüft wird, es zudem vielfältige Rechtsschutzmechanismen gibt, komplett überzogen und in meinen Augen auch ein Stück weit geschichtsvergessen.

Dass unter denjenigen, die sich nun derart zu Wort gemeldet haben, auch Abgeordnete waren, die dem Finanzminister vor kurzem noch „eklatantes Politikversagen“ bei der Bekämpfung von Steuerbetrug vorgeworfen, entbehrt nicht einer gewissen Komik.

Steuergerechtigkeit ist in Zeiten, in denen der Staat 50 Milliarden Euro jährlich durch Steuerbetrug zu verschmerzen hat, extrem wichtig. Denn dieses Geld wird dringend beim Bau von Straßen, bei der Modernisierung von Schulen und Kitas und der öffentlichen Daseinsvorsorge benötigt.  

Mit besten Grüßen nach Lütjensee!
Konstantin v. Notz

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