Frage an Lars Castellucci bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Lars Castellucci
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Frage von Albert W. •

Frage an Lars Castellucci von Albert W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Können Sie mir erklären warum Sie gegen ein tempolimit auf Autobahnen sind.

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Sehr geehrter Herr W.,

ich bin für ein Tempolimit auf Autobahnen. Im Koalitionsvertrag mit der CDU/CSU haben wir uns aber darauf geeinigt, dass über das Verfahren und die Arbeit im Parlament Einvernehmen zwischen den Koalitionsfraktionen hergestellt wird. Beim Thema Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h auf Bundesautobahnen ist dies nicht der Fall, deshalb habe ich den Antrag der Grünen abgelehnt und so den Koalitionsvertrag eingehalten.

Häufig wird auf das Grundgesetz verwiesen. Dort steht: Wir Abgeordnete sind frei und nur unserem Gewissen unterworfen. Das stimmt. Das Tempolimit halte ich jedoch für keine Gewissensfrage. Wäre die Abstimmung dennoch freigegeben worden, hätte es übrigens ebenfalls kein Tempolimit gegeben, denn dafür gibt es keine Mehrheit im Parlament. Viele wünschen sich mehr Offenheit, etwa wechselnde Mehrheiten, und ich gebe zu, dass ich dazugehört und viel nachgedacht habe. Aber ich bin bislang zu keinem sinnvollen Ergebnis gekommen. Wenn ich nämlich wollte, dass wir Oppositionsanträgen zustimmen können, dann würde das für die anderen doch auch gelten. Kommt dann unter dem Strich, bei einer rechten Mehrheit im Parlament, mehr sozialdemokratische Politik heraus? Wohl eher nicht. Also bleibt der Weg: Regierungsprogramme aufstellen, wahlkämpfen, falls erreichbar hart verhandeln, und dieses Verhandlungsergebnis dann umsetzen. So ist Politik berechenbar, für uns, die Bevölkerung, auch für die internationalen Partner. Und dann kann es sein, dass sich etwas verändert, dringlich wird, neu hinzukommt, und man sich auf die Hinterbeine stellen muss. Das machen wir gerade bei der Grundrente. Wir können das aber nicht jede Woche bei jedem Oppositionsantrag tun.

Aus meiner Sicht gibt es nur Argumente für ein allgemeines Tempolimit: Derzeit sind etwa 70 Prozent aller Bundesautobahnen (BAB) ohne Geschwindigkeitsbegrenzung. Im Jahr 2018 ereigneten sich auf allen BAB 20.537 Unfälle mit Personenschaden. Dabei starben 383 Personen. Die Unfallzahlen stagnieren seit Jahren. Eine genaue Prognose der Effekte eines allgemeinen Tempolimits auf die Unfallzahlen ist zwar nicht möglich, allerdings gibt es klare Hinweise auf einen positiven Effekt eines allgemeinen Tempolimits auf die Verkehrssicherheit. So kommt eine Untersuchung des Landes Brandenburg aus dem Jahr 2007 zu dem Ergebnis, dass die Einführung eines Tempolimits auf der A24 zwischen Wittstock/Dosse und Havelland eine effektive Reduktion der Unfallzahlen von 26,5 Prozent bewirkt habe. Ähnliche Effekte seien auch in Nordrhein-Westfalen zu beobachten gewesen.

Diese Zahlen lassen sich zwar nicht ohne weiteres auf das Gesamtnetz der Autobahnen übertragen, da die Effekte eines nicht nur streckenabschnittsweise-begrenzten Tempolimits nicht kalkuliert werden können. Dennoch gehen seriöse Schätzungen davon aus, dass ein allgemeines Tempolimit die Zahl der im Straßenverkehr Getöteten um 80 bis 140 Fälle reduzieren könnte. Fakt ist, dass 42 Prozent aller schweren Unfälle auf Autobahnen sogenannte Geschwindigkeitsunfälle sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Zahl der schweren Unfälle stark rückläufig wäre, ist damit hoch. Neben der Zahl der Getöteten ist auch die Zahl der Schwerverletzten durch Unfälle auf Bundesautobahnen ein wichtiger Faktor, der durch die Geschwindigkeitsbegrenzung reduziert werden könnte.

Festzustellen bleibt, dass keine Studie bislang zu dem Ergebnis gekommen ist, ein Tempolimit hätte insgesamt negative Effekte auf die Unfallzahlen. Deshalb ist davon auszugehen, dass ein Tempolimit in jedem Fall positive Effekte auf die Unfallzahlen hätte.

Auch mit Blick auf den Klimaschutz ist ein großes Einsparpotential von CO2-Emmissionen zu erwarten. Der Kraftstoffverbrauch hängt exponentiell mit der Geschwindigkeit zusammen. Ein Pkw verbraucht bei 160 km/h bis zu 35 Prozent Kraftstoff mehr als bei 130 km/h. Die AG1 der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität kommt zu dem Schluss, dass 1,2 Mio Tonnen CO2 eingespart werden könnten, der ADAC spricht sogar von „bis zu 2 Millionen Tonnen“ - und all dies, ohne nennenswerte Kosten. Gemessen am Gesamtvolumen der angestrebten Minderung im Verkehrssektor bis 2030 von ungefähr 60 Mio. Tonnen wäre dies ein erheblicher Beitrag.

Meine Fraktion und ich persönlich werden uns auch weiterhin für ein allgemeines Tempolimit einsetzen.

Freundliche Grüße
Lars Castellucci

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