Warum orientiert sich der Entwurf zur Neuregelung der Sterbehilfe nicht am Urteil und der Achtung der Menschenwürde?

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Lars Castellucci
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Frage von Marwin N. •

Warum orientiert sich der Entwurf zur Neuregelung der Sterbehilfe nicht am Urteil und der Achtung der Menschenwürde?

Sehr geehrter Herr Castellucci,
Mit Sorge las ich den Entwurf zur Neuregelung der Sterbehilfe an dem sie beteiligt waren. Sie sind als Politiker viel beschäftigt aber es wäre wünschenswert sie hätten das Urteil vom Verfassungsgericht gelesen. Wenn ich ihren Entwurf neben das Urteil lege kann ich nicht anders als diesen als verfassungswidrig, ja verfassungsfeindlich zu verstehen. Ich sehe nicht wo meine Menschenwürde Art.1 und mein Persönlichkeitsrecht Art.2 geachtet werden wenn ich im Fall der Fälle 3 Monate warten muss und jemand anderes die Entscheidung trifft ob ich Sterbehilfe in Anspruch nehmen darf. Ist ihnen bewusst was für eine Zumutung eine solche Wartezeit sein kann und das es dann auch einfach zu spät sein kann für viele Betroffene? Ist ihnen bewusst das es übergriffig und unwürdig ist wenn andere Menschen durch diese Beratungspflicht die Entscheidungsgewalt bekommen ob man sterben darf? Bei Abbrüchen reichen 3 Tage Bedenkzeit. Drei Monate bei Sterbehilfe sind eine farce!

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Sehr geehrter Herr N.,

vielen Dank für Ihre Frage.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Ziele des § 217 in seiner Urteilsbegründung ausdrücklich gewürdigt und die Möglichkeit eines Verbots besonders gefahrträchtiger Angebote der Sterbehilfe explizit benannt. Verfassungswidrig wäre nur eine Regelung, die Suizidassistenz faktisch unmöglich macht, das ist in unserem Gesetzentwurf aber nicht der Fall. Zum einen ist nicht-geschäftsmäßige Suizidassistenz (bspw. im Familienumfeld oder durch die behandelnde Ärztin) weiterhin möglich, zum anderen werden für geschäftsmäßige Angebote bestimmte Voraussetzungen, wie die Feststellung des freien Willens, festgelegt, die sich aus der Urteilsbegründung ergeben. 

Um die Freiverantwortlichkeit des Suizidentschlusses sicherzustellen, schlägt der Gesetzentwurf ein Schutzkonzept vor: Dazu gehören grundsätzlich mindestens zwei Untersuchungen in einem hinreichenden Abstand durch einen Facharzt oder eine Fachärztin für Psychiatrie; dies sichert die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit der Entscheidung. Wenn der Tod ohnehin unmittelbar bevorstünde, sind hiervon Abweichungen vorgesehen mit sehr geringen Wartezeiten.

Mit freundlichen Grüßen,

Lars Castellucci

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