Frage an Marco Bülow bezüglich Gesundheit

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Frage an Marco Bülow von Ralf V. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Marco Bülow,

ich bitte Sie freundlichst um die Beantwortung der folgenden Fragen. Die Sachverhalte wirken zwar primär eher speziell, bei näherem Hinsehen sollten Sie jedoch feststellen das die Thematik starke Brisanz besitzt. Denn: 1,2 Millionen professionell Pflegende sowie ca. 5 Millionen zu pflegende Menschen und deren Angehörige möchten wissen, welche Partei für sie wählbar ist!

Vielen Dank für Ihre Antworten vor Mitte September,
mit freundlichen Grüßen,
Ralf Vonier

• Wie sieht das Programm Ihrer Partei zum Umbau des
Gesundheitswesens aus?
• Welche Vorstellungen hat Ihre Partei zur Prävention
und Gesundheitsförderung entwickelt und in welcher
Rolle sehen Sie die professionelle Pflege?
• Wie stellt sich Ihre Partei die Steuerungs- und Lotsenfunktion
professioneller Pflege vor?
• Wie kann Ihrer Meinung nach rechtzeitige pflegerische
Intervention erhebliche Kosten im Gesundheitswesen
einsparen?
• Wie will Ihre Partei die Personalsituation von Pflegenden
und Mitarbeitern im Gesundheitswesen verbessern?
• Bestehen in Ihrer Partei konkrete Überlegungen, dieses
Wachstumspotential gezielt zu nutzen und Fördermittel
in den Arbeitsmarkt Pflege umzuleiten?
• Welche Möglichkeiten sieht Ihre Partei, dass sich die
Personalbemessungen in allen Handlungsfeldern der
Pflege zukünftig am realen Pflegebedarf der zu versorgenden
Klienten orientiert?
Wie steht Ihre Partei zum Erhalt
der Fachkraftquote von 50
Prozent und wie wollen Sie die Versorgungsmängel
beheben?
• Welche Pläne hat Ihre Partei zur weiteren Finanzierung
der Pflegeversicherung?
• Wie steht Ihre Partei zu einer möglichen Erweiterung
der Begutachtungskriterien zur Einstufung der Pflegebedürftigkeit
um psychosoziale Hilfebedarfe?
• Welche Steuerungsmöglichkeiten sieht Ihre Partei, um
den sinnvollen Grundsatz "Ambulant vor Stationär"
konkret zu fördern?
• Wie steht Ihre Partei zur Hospizarbeit und zu Fragen
der finanziellen Absicherung?
• Sieht Ihre Partei Chancen, die Regelung der Arbeitsplatzsicherung
in der Zeit der Begleitung sterbender
Angehöriger auch in Deutschland einzuführen?
• Wie steht Ihre Partei zur strukturellen Zusammenführung
der Pflegeausbildungen?
• Wie planen Sie die Evaluationsergebnisse von Modellprojekten
der Ausbildung in die gesetzliche Berufszulassung
umzusetzen?
• Wie steht Ihre Partei zur Verlagerung der bisherigen
Pflegeausbildung an Hochschulen, wie dies in den
meisten europäischen Ländern bereits heute üblich
ist?
• Mit welchen Maßnahmen will Ihre
Partei dem absehbaren
Pflegepersonalnotstand und der Unterversorgung der
Pflegebedürftigen in Deutschland entgegenwirken?
• Welche Anforderungen stellt Ihre Partei an professionelle
Pflege und wie soll diese finanziell durch Fort und
Weiterbildungen sichergestellt werden?
• Mit welchen Maßnahmen will Ihre Partei Hochschulen
und Praxisfelder der Pflegeforschung fördern und die
Umsetzung in die Pflegepraxis unterstützen?
• Werden Sie einen Ausbau der Forschungskapazitäten
für Pflege an Universitäten fördern?
• Welche Möglichkeiten sehen Sie, diese Ansätze zu unterstützen
und wie fördert Ihre Partei die Schaffung
der Rahmenbedingungen für die professionelle Umsetzung
in die Pflegepraxis?
• Wird Ihre Partei weiterhin unqualifizierte und unkontrollierte
Pflege zulassen?
• Wie steht Ihre Partei zu der gesetzlichen Registrierung
und Lizenzierung von Pflegenden?
• Wird Ihre Partei die Errichtung von Pflegekammern in
Deutschland unterstützen?
• Könnten Sie sich vorstellen, eine/einen Bundesbeauftragten
für alle Pflegeberufe zu etablieren?

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Antwort von
Die PARTEI

Sehr geehrter Herr Vonier,

im einzelnen nehme ich zu den Fragen wie folgt Stellung:

Zu den Fragen 1 und 2:

Unser Gesundheitswesen ist gut, auch im internationalen Vergleich. Jeder erhält notwendige medizinische Leistungen auf der Höhe des medizinischen Fortschritts. Das Gesundheitswesen ist unsere größte Branche, in ihr finden über 4 Mio. Menschen sinnvolle Beschäftigung. Das soll so bleiben.

Mit der Gesundheitsreform haben wir die gesetzliche Krankenversicherung zukunftsfähig gemacht. Jetzt gilt es, die langfristige Finanzierung unseres Gesundheitswesens zu sichern. Der medizinische Fortschritt und der veränderte Altersaufbau der Gesellschaft erfordern nicht weniger, sondern mehr Solidarität, aus der sich niemand ab einer bestimmten Einkommensgrenze verabschieden darf.

Wir werden die Krankenversicherung zu einer Bürgerversicherung weiterentwickeln, in der gesetzliche und private Krankenversicherung nebeneinander Bestand haben. Dabei gilt: Jeder muss versichert sein. Auch Gutverdienende, Beamte, Selbständige und Politiker werden in die solidarische Krankenversicherung einbezogen. Jede Kasse muss jede und jeden ohne Ansehen des Risikos versichern. Niemand wird ausgegrenzt. Auch kranke und behinderte Menschen können wählen. Es bleibt beim heutigen gesetzlichen Leistungskatalog. Jeder zahlt entsprechend seiner Leistungsfähigkeit. Die Beiträge zur Bürgerversicherung richten sich wie bisher nach dem Einkommen – bei Löhnen, Gehältern und Renten. Die Beitragsbemessungsgrenze bleibt bestehen. Zukünftig werden auch Kapitalerträge zur Finanzierung herangezogen, Freibeträge schonen Durchschnittsersparnisse. Einnahmen aus Mieten und Pachten bleiben beitragsfrei. Die beitragsfreie Familienversicherung bleibt erhalten. In der Bürgerversicherung sind im bisherigen Umfang Familienmitglieder ohne Einkommen mitversichert. Das Nebeneinander von gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen wird in einen Wettbewerb um die beste Versorgung umgewandelt.

Die Bürgerversicherung macht unser Gesundheitssystem gerechter. Sie ist eine Entscheidung für die Stärkung des Zusammenhalts in der Gesellschaft. Gesunde sorgen für Kranke, Junge für Alte, Alleinstehende für Familien, Gutverdienende für die, die weniger haben.

Für den Bereich der Pflege wollen wir ebenso verfahren und die Finanzierung der sozialen und der privaten Pflegeversicherung verbinden. Die Pflegeversicherung wird zu einer Pflege-Bürgerversicherung ausgebaut. Alle Bürgerinnen und Bürger sollen sich angemessen und gerecht an der Finanzierung der Pflegeversicherung beteiligen. Niemand wird privilegiert, niemand ausgegrenzt.

Die seit Einführung der Pflegeversicherung unveränderten Leistungssätze wollen wir unter Beachtung der Preisentwicklung anpassen und die Leistungen in der ambulanten Pflege und insbesondere für Demenzkranke verbessern. Pflege in Familien, professionelle Pflege und ehrenamtliches Engagement sollen sich wirksam ergänzen.

Bezüglich der Prävention sehen wir es ebenfalls kritisch, dass unser Gesundheitssystem in erster Linie auf die Behandlung von akuten Krankheitsepisoden ausgelegt ist. Um vor allem den Herausforderungen im Zusammenhang mit dem demographischen Wandel, der Zunahme chronischer Krankheiten und der steigenden Pflegebedürftigkeit gewachsen zu sein, brauchen wir dringend eine stärkere Orientierung auf Prävention und Gesundheitsförderung. Indem präventive Maßnahmen die Menschen länger gesund erhalten, das Auftreten von chronischen Krankheiten verhindern oder zumindest verzögern bzw. Pflegebedürftigkeit vermeiden oder in ihren Folgen für den Einzelnen abmildern, tragen sie zu mehr Lebensqualität für die Menschen bei und entlasten gleichzeitig die sozialen Sicherungssysteme von vermeidbaren Kosten.

Deshalb haben wir zusammen mit unserem Koalitionspartner das Gesetz zur Stärkung der gesundheitlichen Prävention auf den Weg gebracht. Mit dem Gesetz werden die gesetzliche Kranken-, Unfall- und die soziale Pflegeversicherung verbindlich zur Zusammenarbeit verpflichtet. Sie sollen jährlich gemeinsam 250 Millionen Euro für Prävention und Gesundheitsförderung aufwenden. Im Vordergrund steht dabei die Verbesserung der Gesundheitschancen für sozial Benachteiligte.

Weil die Länder bei der Prävention eine entscheidende Rolle spielen, wurde das Gesetz gemeinsam mit ihnen erarbeitet und auch mit allen unionsgeführten Ländern abgestimmt. Nach der Ankündigung des Bundeskanzlers, im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen, hat die CDU/CSU in Erwartung der kommenden Neuwahlen die noch anstehenden Gesetze mit ihrer Mehrheit im Bundesrat blockiert. Dieser Haltung fiel leider auch das Präventionsgesetz zum Opfer, das derzeit in den Schubladen des Vermittlungsausschusses verstaubt, statt den Menschen zu helfen. Der Opposition ist offensichtlich eine vordergründige Wahlkampftaktik wichtiger als das Wohl der Bürgerinnen und Bürger.

Zu den Fragen 3 und 4:

Ausgangspunkt muss der zu pflegende Mensch sein. Angehörige, die vor der Frage stehen, wie sie die Pflege organisieren sollen, brauchen am Anfang vielfältige Informationen. Hier kann eine Anlaufstelle für Information und Hilfe wesentlich unterstützen bei Fragen des Hilfebedarfs und der Hilfemöglichkeiten. Es soll also „Pflege aus einer Hand“, die Beratung, Organisation und Betreuung umfasst, möglich sein.

Die Unterrichtung, Beratung und Aufklärung der Versicherten und ehrenamtlichen Pflegepersonen über die Versicherungsleistungen sowie über die Leistungen und Hilfen anderer Träger ist originäre Aufgabe der Pflegekassen. Dies können die Pflegekassen bereits heute aus ihren Verwaltungsmitteln finanzieren und sich an Beratungsangeboten anderer Träger finanziell beteiligen. Diese Angebote bestehen noch nicht in ausreichendem Ausmaß. Deshalb sind pragmatische Lösungen notwendig, die sich vor allem an den Bedürfnissen der Versicherten und der Pflegepersonen orientieren müssen. Dies ist im bisherigen gesetzlichen Rahmen möglich. Es muss nicht immer sein, dass solche Angebote nur zu Stande kommen, wenn der Gesetzgeber eine „Muss-Vorschrift“ vorgibt.

Leistungsträger, Pflegekassen und Gemeinden sollen gemeinsam lokale Beratungszentren betreiben, die auch aufsuchend bei den Pflegebedürftigen und den Angehörigen tätig werden können. Diese regionale Zuständigkeit ist wichtig, weil es erhebliche Unterschiede zwischen Ballungsräumen und ländlichen Räumen gibt. Dadurch erhalten die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen eine Anlaufstelle für Information, Beratung und Vermittlung, die z.B. auch Leistungserbringer vorschlagen kann oder einen Hilfeverbund aus professionellen und ehrenamtlichen Personen und Einrichtungen organisiert.

Gleichwohl bleibt die Verbesserung der Pflegequalität eine wichtige und langfristige Aufgabe für uns. Die Bundesregierung hat deshalb in der vergangenen Legislaturperiode eine Reihe von Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht, mit denen wichtige Rahmenbedingungen für eine bessere Pflege geschaffen wurden. Meilensteine sind die Novellierung des Heimgesetzes und das Altenpflegegesetz. 2003 wurde außerdem das Krankenpflegegesetz grundlegend reformiert. Diese Gesetze zeigen positive Wirkungen. Zur Sicherung und Fortentwicklung der Qualität in der Pflege sind jedoch weitere Maßnahmen erforderlich.

In diesem Herbst wird der „Runde Tisch Pflege", der vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung 2003 ins Leben gerufen wurde, seine Ergebnisse vorlegen. Auf deren Grundlage werden wir gemeinsam mit allen Akteuren die Betreuung und Pflege in Heimen und durch ambulante Dienste weiter verbessern sowie Verbraucherinnen und Verbraucher stärken. Entbürokratisierungspotenziale sollen aufgespürt und überflüssige Vorschriften abgebaut werden. Im Fokus steht außerdem die Erarbeitung einer Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen. Sie soll zum Orientierungsrahmen für die Betroffenen und alle Akteure in der Altenpflege werden.

Zur Entbürokratisierung des Heimrechts hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Juni dieses Jahres Eckpunkte veröffentlicht. Diese Eckpunkte haben zum Ziel, ambulante, teilstationäre und stationäre Pflege durch neue Konzepte und den Abbau unnötiger Vorschriften zeitgemäß weiterzuentwickeln. Neue Wohn- und Betreuungsformen sollen gezielt gefördert werden.

Zu den Fragen 5, 6, 7 und 8

Es ist Aufgabe von Bund, Ländern und Einrichtungsträgern dafür Sorge zu tragen, dass sich die Rahmenbedingungen für die Pflegekräfte verbessern. Nur wenn alle Beteiligten daran arbeiten, kann eine Überlastung der Pflegekräfte vermieden werden.

Notwendig ist insbesondere eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen u.a. zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, z.B. durch flexiblere Arbeitszeitmodelle und verbesserte Arbeitsabläufe. Studien haben gezeigt, dass eine umfassende Neugestaltung der Arbeitszeitorganisation organisatorisch und finanziell machbar ist. Der möglicherweise erforderliche Mehrbedarf ist mit den ohnehin vorgesehenen Mitteln für arbeitszeitbedingte Personalkostensteigerungen in der Regel finanzierbar. Neben den Krankenhäusern, Pflegeheimen und Pflegediensten selbst sind aber auch Tarifvertragspartner und die Selbstverwaltung aufgefordert, an der Entwicklung von Arbeitszeitmodellen mitzuwirken, die sich am geltenden Arbeitszeitrecht orientieren. Dies gilt im übrigen auch für Fragen der Tarifstruktur.

Aufgabe aller Beteiligten ist es auch, an der Entwicklung eines praktikablen Personalbemessungsverfahrens zu arbeiten. Die Gesetze lassen der Praxis den dafür notwendigen Raum.

Qualifizierte Pflege ist ohne qualifizierte Pflegekräfte nicht möglich. Deshalb ist in der Heimmindestbauverordnung festgeschrieben, dass die Hälfte des Personals in der Betreuung und Pflege aus Fachkräften bestehen muss. Diese Fachkraftquote von 50 % ist sinnvoll, und wir werden an ihr festhalten. Notwendig ist aber eine Festlegung von Fachpersonalgruppen, die zur Fachkraftquote gezählt werden, sowie die Weiterqualifizierung des Personals.

Für das Personal in Diensten und Einrichtungen will das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ein Qualifizierungsprogramm initiieren. In dessen Mittelpunkt wird das Thema „Entbürokratisierung“ im Heimrecht stehen. Entbürokratisierung und Qualifizierung kommen den Pflegenden zu gute. Ihnen wird wieder mehr Zeit für ihre eigentliche Aufgabe, die Betreuung hilfebedürftiger Menschen, bleiben.

Die Umschulungsmaßnahmen in der Altenpflege haben für die Sicherstellung des Fachkräftebedarfs in der Pflege einen hohen Stellenwert. Gleichzeitig sind sie ein sehr erfolgreiches arbeitsmarktpolitisches Instrument. Deshalb haben wir sichergestellt, dass Arbeitsuchenden nach wie vor die Umschulung zur Altenpflegerin/zum Altenpfleger offen steht. Die Kosten der dreijährigen Umschulung werden bis zum Ende des Jahres voll durch die Bundesagentur für Arbeit getragen. Ab 2006 finanziert die Bundesagentur für Arbeit die ersten beiden Jahre vollständig, die Kosten für das dritte Jahr der Umschulung tragen die Länder, die Träger der praktischen Ausbildung sowie die Pflegeversicherung gemeinsam.

Zu den Fragen 9, 10 und 11:

Bei einer Bewertung der solidarischen Pflegeversicherung seit ihrer Einführung 1995 fällt das Ergebnis positiv aus. Denn seither haben pflegebedürftige Personen einen Anspruch auf eigenständige Leistungen, der durch Beitragszahlung erworben ist. Der Bezug einer Pflegeleistung ist keine Frage der Bedürftigkeit, wie dies bei einem steuerfinanzierten Leistungsgesetz der Fall wäre. Vielmehr werden wir die Pflegeversicherung zur Bürgerversicherung weiterentwickeln mit einer Ausweitung des versicherten Personenkreises, der Beitragszahler und der Beitragsbemessungsgrundlage.

Zur Reform der Pflegeversicherung gehört mittelfristig die Neufassung des Pflegebegriffes. Dieser neue Pflegebegriff geht von einem ganzheitlichen Menschenbild aus und überwindet die bisher fast ausschließliche Ausrichtung auf körperbezogene Hilfeleistungen.

Es ist deshalb in der Pflege ein ganzheitliches Pflegeverständnis mit einem umfassenden Pflegebegriff zu etablieren, der auf einer umfassenden Feststellung des Hilfe- bzw. des Teilhabebedarfes fußt.

Der alte Pflegebegriff muss aber solange weiter gelten, bis die Ergebnisse der Modellvorhaben im ambulanten und stationären Pflegebereich umsetzbar sind.

Der Vorrang der ambulanten Versorgung begründet sich aus den Bedürfnissen der pflegebedürftigen Menschen. Deshalb müssen die Leistungen der Pflegeversicherung so ausgestaltet werden, dass sie Anreize dafür bieten, dass der Vorrang der häuslichen Versorgung auch tatsächlich umgesetzt werden kann. So kann z.B. eine Angleichung der ambulanten Sach-Leistungen vor allem in der Pflegestufe I dazu führen, dass länger zu Hause gepflegt wird. Notwendig ist auch eine Dynamisierung der Leistungssätze. Eine Änderung bei der Finanzierung der Kurzzeitpflege ist notwendig, um Anreize für eine stärkere Inanspruchnahme der ambulanten Pflege zu erhalten. Ein Problem ist die geforderte Belegung und der daraus resultierende Pflegesatz. Derzeit wird in der Kurzzeitpflege ein Auslastungsgrad von 98 % angenommen. Dieser kann nicht erreicht werden und deshalb fehlen den Einrichtungen die Finanzmittel.

Die Angebote der Tages- und Nachtpflege sollten ausgebaut werden.

Zu den Fragen 12 und 13:

Die vom Deutschen Bundestag eingesetzte Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ hat in der laufenden 15. Wahlperiode schwerpunktmäßig unter anderem die Versorgungssituation Schwerstkranker und Sterbender in Deutschland thematisiert mit dem Ziel, Empfehlungen für künftiges gesetzgeberisches und administratives Handeln zu erarbeiten.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat die Arbeit der Enquete-Kommission in einer eigenen Arbeitsgruppe inhaltlich begleitet und maßgeblich an den bisherigen Ergebnissen mitgewirkt, namentlich an dem am 28. Juni 2005 dem Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse vorgelegten Zwischenbericht zur Palliativmedizin und Hospizarbeit (BT-Drs. 15/05858).

Mit dem Anliegen der Enquete-Kommission, den dringend notwendigen gesellschaftlichen Wandel im Umgang mit Sterben und Tod herbeizuführen, werden wir uns in der kommenden Wahlperiode noch intensiver auseinandersetzen. Insbesondere werden wir die konkreten Vorschläge – auch zur Karenz Berufstätiger – in dem genannten Zwischenbericht daraufhin prüfen, ob (bundes-)gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, um die Palliativmedizin und die Hospizarbeit in Deutschland auf hohem Niveau abzusichern und bei Bedarf qualitativ zu verbessern. Außerdem werden wir uns wie bisher dafür einsetzen, dass die von der rot-grünen Regierungskoalition bereits geschaffenen gesetzlichen Möglichkeiten zur Verbesserung der Versorgung von den Beteiligten vor Ort auch tatsächlich genutzt werden. Wichtig ist uns dabei eine Vernetzung sämtlicher Bereiche der Palliativmedizin und der Hospizarbeit.

Zu den Fragen 14 bis 21:

Ein leistungsfähiges Gesundheits- und Pflegewesen ist angewiesen auf qualifiziertes und engagiertes Personal. Gerade bei einer alternden Bevölkerung muss einem künftigen Fachkräftemangel nachhaltig entgegengewirkt werden. Mit der überfälligen Modernisierung der Ausbildung haben wir deshalb die Attraktivität wichtiger Gesundheitsberufe gestärkt. Unser Ziel ist es, neben den medizinisch-wissenschaftlichen Entwicklungen auch den veränderten gesellschaftlichen Anforderungen an die Gesundheitsversorgung Rechnung zu tragen. Daher darf sich eine Ausbildung im Gesundheitsbereich heute generell nicht mehr auf den kurativen Ansatz beschränken, sondern muss auch präventive, rehabilitative und palliative Aspekte umfassen.

Nach dieser Maßgabe novellierten wir 2003 das Krankenpflegegesetz aus dem Jahre 1985 grundlegend. Es berücksichtigt jetzt aktuelle pflegewissenschaftliche Erkenntnisse und stärkt die Integration von schulischer und praktischer Ausbildung unter Beibehaltung der Spezialisierung in der Kinderkrankenpflege. Die ebenfalls reformierte Altenpflegeausbildung wird seit August 2003 bundesweit einheitlich auf einem neuen Qualitätsniveau durchgeführt. In allen Ländern besteht die Möglichkeit, unmittelbar im Anschluss an die Schule die Ausbildung zu beginnen, die Schülerinnen und Schüler haben einen Anspruch auf Ausbildungsvergütung.

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung fördern vielfältige Modellprojekte. Bis 2008 soll erprobt werden, ob und gegebenenfalls wie die Ausbildungen in der Altenpflege und in der Gesundheits- und Krankenpflege sowie der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege zusammengeführt werden können. Erst auf Basis dieser Ergebnisse wird über den möglichen weiteren Gesetzgebungsbedarf entschieden werden.

Unsere Haltung zu den Bestrebungen zur Akademisierung der Gesundheitsfachberufe ist bekannt. Erforderlich ist eine sorgfältige Prüfung der vielfältigen gesundheitspolitischen und finanziellen Auswirkungen insbesondere auf Landesebene. Etwaige Initiativen der Länder werden wir prüfen und, falls sinnvoll, unterstützen. Allerdings ist die Qualität der Berufsausbildung wie der Berufsausübung nach unserer Überzeugung durch die heutigen Berufsgesetze gewährleistet. Europarechtlich wird die gegenseitige Anerkennung der Ausbildungen in den Mitgliedstaaten durch Richtlinien sichergestellt. Und bildungspolitisch treten wir weiterhin dafür ein, auch Absolventen mittlerer Schulabschlüsse den Zugang zu anspruchsvollen Berufsausbildungen wie denen der Gesundheitsfachberufe offen zu halten.

Für die Fort- und Weiterbildung sind ebenfalls die Länder zuständig.

Die Ausgestaltung und Finanzierung des Fächerangebots an den Hochschulen liegt grundsätzlich in der Kultur- und Finanzhoheit der Länder. Der Bund kann weder Lehrstühle einrichten noch Institute gründen. Wir können auf Bundesebene grundsätzlich nur die Rahmenbedingungen für eine fruchtbare und moderne Lehr- und Forschungslandschaft im Pflegebereich schaffen.

Allerdings fördert der Bund gemeinsam mit den Ländern im Rahmen der Modellprogramme der Bund-Länder Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung auch Maßnahmen im Bereich der Hochschullehre, die beispielhaft zur Weiterentwicklung von Lehrangeboten beitragen sollen. Beispielsweise fördert das im vergangenen Jahr beschlossene Hochschulmodellversuchsprogramm „Weiterentwicklung dualer Studienangebote im tertiären Bereich" u.a. pflegewissenschaftliche Studienangebote. Im Einzelnen widmen sich dem Thema Pflege folgende Modellversuche:

Gegenseitige Anerkennung erbrachter Bildungsleistungen in der Pflege (FH Fulda in Kooperation mit der Uni Kassel): Ziel des BLK-Modellversuchs ist die Gegenüberstellung von in Hochschulstudiengängen erworbenen Qualifikationen und Kompetenzen mit solchen, die in der Aus- und Weiterbildung in Gesundheits- und Pflegeberufen erworben werden. Auf diese Weise sollen potenzielle Äquivalenzen sichtbar und für die gegenseitige Anerkennung nutzbar gemacht werden.

Duale Ausbildung Gesundheits- und Krankenpflege und Pflegewissenschaft/ Pflegemanagement (FH Neubrandenburg): Mit dem geplanten dualen Studiengang erreichen die Teilnehmer den doppelten beruflichen Abschluss Gesundheits- und Krankenpfleger/in und akademischen Abschluss „Bachelor of Nursing and Administration“. Mit der Doppelqualifikation soll auch eine Verkürzung der Ausbildungsdauer – bei gleich bleibender Qualität – erreicht werden.

Entwicklung und Erprobung eines Konzeptes zur Anerkennung von außerhochschulisch erworbenen Lernleistungen auf Bachelor-Studiengänge und Planung darauf aufbauender Master-Studiengänge im Bereich Gesundheit/Pflege an der Alice-Salomon-Fachhochschule Berlin und an der Charité: Ausgehend von den Bachelor-Studiengängen „Physiotherapie/Ergotherapie“ und „Gesundheits- und Pflegemanagement“ an der ASFH werden in enger Kooperation zwischen der Charité-Universitätsmedizin Berlin und der Alice-Salomon-Fachhochschule Masterstudiengänge zu den beiden o.g. Studiengängen entwickelt werden, bei denen außerhochschulische Lernleistungen anerkannt werden.

Um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden, kann die Pflege nicht mehr nach traditionellen Vorbildern organisiert und praktiziert werden. Effektives und effizientes pflegerisches Handeln erfordert wissenschaftlich abgesicherte Handlungsanleitungen statt herkömmlichen Erfahrungswissens. Veränderungen und Fortschritt sind auf die Forschung angewiesen: durch die Schaffung von forschungsfreundlichen institutionellen Rahmenbedingungen, um Forschungsprojekte erfolgreich durchführen zu können, und durch die Förderung von Forschungsprojekten, um evidenzbasiertes Handlungswissen zu ermitteln.

Aus diesem Grund ist die Pflegeforschung als Teil der Gesundheits- und Lebenswissenschaften ein wichtiger Schwerpunkt der Forschungsförderung der rot-grünen Regierungskoalition und wird es auch künftig sein.

Bereits 2001 haben wir, um die Pflegeforschung in Deutschland zu stärken, einen neuen Förderschwerpunkt aufgelegt und für sechs Jahre insgesamt ca. 12,5 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Gefördert werden bis zu sechs Forschungsnetze mit anwendungsbezogenen pflegerischen Fragestellungen. Ziel des Förderschwerpunktes ist es, die Grundlagen für eine bedarfsgerechte Versorgung von Pflegebedürftigen zu entwickeln. Die Forschungsarbeiten sollen vor allem dazu beitragen, den zu Pflegenden ein Optimum an Gesundheit zu ermöglichen. Zudem haben wir 2004 die Grundlagen für eine sehr umfassende wissenschaftliche Untersuchungen zur Pflegeforschung gelegt. Zur Ausarbeitung von Konzepten und Methoden für die Pflege kranker und hilfsbedürftiger Menschen stellt die SPD-geführte Bundesregierung vier Millionen Euro bereit und fördert insgesamt 26 Forschungsprojekte, bei denen vor allem Demenzkranke und ältere Menschen im Mittelpunkt stehen. Zum ersten Mal steht die Pflege in Deutschland somit intensiv auf dem Prüfstand. Die Untersuchungen werden eine wissenschaftliche Basis schaffen für eine an die jeweilige Situation der Bedürftigen angepasste Pflege. Im engen Kontakt zu den Betroffenen sollen neue Konzepte und Methoden schnell im pflegerischen Alltag umgesetzt werden. Drittens haben wir darauf hingewirkt, dass auch auf europäischer Ebene in den Beratungen zum 7. Forschungsrahmenprogramm die Gesundheitsforschung insgesamt und die Pflegewissenschaften im Besonderen gestärkt wird.

Zu den Fragen 22 bis 26:

Schwarzarbeit ist illegal. Deshalb sind auch die Vorschriften so gefasst, dass unkontrollierte und unqualifizierte Pflege durch ausländische Hilfskräfte nicht erlaubt ist.

Diejenigen, die Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten, müssen in bestimmten Zeitabständen Beratungsbesuche durch professionelle Dienste abrufen. Diese sollen die Pflegebedürftigen und die Pflegenden so beraten, dass die häusliche Pflege sichergestellt ist. Eine gesetzliche Registrierung und Lizenzierung von Pflegenden im häuslichen Bereich ist aus unserer Sicht daher nicht nötig.

Es ist auch schon heute üblich, dass große Verbände in regelmäßigen Abständen mit den zuständigen Abgeordneten, Arbeitsgruppen usw. Gesprächstermine vereinbaren. Diese Praxis könnte sich der Deutsche Pflegerat e.V. zu Eigen machen. In diesen Gesprächen könnte auch die Frage der Einrichtungen von Pflegekammern und einer/eines Pflegebeauftragten erörtert werden.

Mit freundlichen Grüßen

Marco Bülow