Frage an Marco Bülow bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Marco Bülow
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Frage an Marco Bülow von Ines E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag

Sie wirken moralisch.
Der ehemalige Bundeskanzler Schmidt sagte in einer Talkshow von Beckmann, dass er stolz sei, die Hartz4Reformen mit Gerhard Schröder realisiert zu haben, die CDU hätte sich das nicht getraut! Millionen Bürger müssen bereuen, für ein Ende der Kohlähra gestimmt zu haben.

Dieter Althaus/Ministerpräsident Thüringen CDU schlug als Problemlösung ein Recht eines jeden Bürgers auf ein schikanefreies Grundeinkommen (solidarisches Bürgergeld) vor, das zumindestens das Existenzminimum von Bürgern absichert. Er ließ durchrechnen, dass es durch Bürokratieabbau finanzierbar ist. Wer Jobs finden kann, hat mehr Geld.

Die SPD-Zentrale und ein Teil der Gewerkschaften blockten den Vorschlag mit der Begründung ab, dass ein Bürokratieabbau, der auch Arbeitgebern helfen würde, nicht realisierbar ist, weil Mitarbeitern im Öffentlichen Dienst gesetzlich nicht gekündigt werden darf. Das heißt: weil Tausende infolge eines Bürokratiesystems in Deutschland mit dem Privileg leben, nicht kündbar zu sein, müssen Millionen Bürger in Deutschland ohne Gerichtsverhandlung und Chancen, Situationen durch Arbeitsleistungen verlassen zu können, wie im Offenen Strafvollzug leben. Es gibt verfassungsrechtlich kein Recht auf Arbeit.

Andere führende Gewerkschafter sagten mir, dass sie für ein Grundeinkommen sind, so lange es unmöglich ist, dass jeder Bürger, der fair bezahlte Arbeit will, auch fair bezahlte Arbeit erhalten kann, weil es moralisch nicht geht, dass Millionen Bürger in Hartz4Verhältnissen weitgehend ohne Bürgrerechte und in beständiger Angst vor Schikanen leben müssen, ohne ihre Situationen verändern zu können. Könnten Sie sich diese Position aneignen? Eine andere Problemlösung ist meinen Recherchen nach nicht in Sicht. Ich bitte Sie, nicht zu vergessen, dass Menschen nur 1 Leben haben.

Freundliche Grüße Ines Eck

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Sehr geehrte Frau Eck,

vielen Dank für Ihre E-Mail vom 2. November, zu der ich gerne Stellung nehmen möchte. Zunächst kurz ein paar Sätze zu Hartz IV und den von Ihnen erwähnten Äußerungen von Helmut Schmidt. Die Agenda 2010 war von Anfang an sehr umstritten. Sie wurde entweder verteufelt oder als leuchtendes unfehlbares Dogma gepriesen. Meines Erachtens ist beides falsch. Es gab viele richtige und gute Ansätze der Agenda. Aber die Agenda 2010 war sicherlich nicht unfehlbar und ihre Unbeliebtheit kann auch nicht nur mit handwerklichen Fehlern oder schlechter Kommunikation erklärt werden. Meiner Meinung nach hat die Summe ihrer umgesetzten Reformen nicht die Balance zwischen Fördern und Fordern, zwischen Entlastungen und Belastungen gewahrt und stärker die Einkommensschwächeren belastet. Betroffen sind zum Beispiel auch Kinder in Hartz IV Haushalten. Diese Schieflage muss korrigiert werden, das heißt die Regelsätze müssen dringend angeglichen werden. Auf unserem Hamburger Parteitag im Oktober letzten Jahres haben wir schon einige Korrekturen zu den Arbeitsmarktreformen beschlossen und bereits durchgenommen. Wir haben zum Beispiel für die älteren Arbeitslosen, die es besonders schwierig haben einen neuen Job zu finden, die Bezugsdauer für das ALG I verlängert. Aus meiner Sicht ein dringend notwendiger Schritt.

Sie sprechen in Ihrer E-Mail Dieter Althaus Modell eines bedingungslosen Grundeinkommens an. Seine Idee erscheint zunächst ganz einfach und gut für jede Bürgerin und jeden Bürger. Da alle die gleiche Leistung erhielten, wären Arbeitslose in der Gesellschaft nicht länger stigmatisiert. Aber so schön die Grundidee des bedingungslosen Grundeinkommens auch ist, ist sie in meinen Augen sicherlich schwer umsetzbar, kaum finanzierbar und sicherlich auch nicht durch einen radikalen Bürokratieabbau realisierbar. Genauer betrachtet ist das Modell auch nicht sozial. Dieter Althaus sieht in seinem Modell vor, dass jeder Bürger 800 Euro im Monat erhält. Doch tatsächlich würden die Menschen nur 600 Euro zur Verfügung haben, da von dem bedingungslosen Grundeinkommen auch noch 200 Euro für die Krankenkasse geltend gemacht werden müsste. Alle anderen Ausgaben müssten von den verbliebenen 600 Euro bezahlt werden. Den Wohngeld, Bafög etc. wären nach Althaus Konzept abgeschafft. Schaut man sich Althaus Modell genau an, ist es am Ende auf dem gleichen Niveau wie Hartz IV.

Ich möchte Sie bitten, sich meine Antwort an Herrn Nähle, der mir am 17. September 2008 eine E-Mail zum Thema Grundeinkommen auf abgeordnetenwatch.de zukommen ließ, durchzulesen. Dort können Sie ausführlich meine Position zum bedingungslosen Grundeinkommen lesen. Es gibt meines Erachtens viele umstrittene Punkte bezüglich eines bedingungslosen Grundeinkommens. Die SPD-Bundestagfraktion diskutiert momentan noch über das Grundeinkommen. Ich habe mich bereits mit den Fachexperten der Fraktion zu diesem Thema ausgetauscht.

Mit freundlichen Grüßen
Marco Bülow