Frage an Maria-Elisabeth Fritzen bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Maria-Elisabeth Fritzen
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Frage von Gerhard R. •

Frage an Maria-Elisabeth Fritzen von Gerhard R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Fritzen,

was wäre für die weltweite Sicherheit gewonnen, wenn Al-Kaida in Afghanistan besiegt wird?

Werden die Terroristen sich dann in andere Teile der Welt - Beispiel:
Somalia, Jemen - zurückziehen und handlungsfähig bleiben?

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Reth,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage.

Nachdem die Taliban-Milizen in Afghanistan an die Macht kamen und eine radikale Interpretation des Islam und insbesondere der Scharia durchsetzten, entschieden sich die USA und ihre Verbündeten nach dem 11. September 2001 das Regime, das im Verdacht stand, Mitgliedern von Terrororganisationen wie Al-Kaida Unterschlupf gewährt zu haben, zu stürzen.

Ihre - hypothetische - Frage, was für die weltweite Sicherheit gewonnen wäre, wenn Al-Kaida zwar in Afghanistan besiegt werden würde, sich die Terroristen aber gleichzeitig in andere Teile der Welt - zum Beispiel nach Somalia oder den Jemen - zurückziehen und handlungsfähig bleiben würden, kann Ihnen niemand mit Sicherheit beantworten.

Seit dem Sturz des Taliban-Regimes in Afghanistan, ist es Frauen - zumindest in Teilen des Landes - wieder möglich unverschleiert auf die Straße zu gehen, Mädchen können die Schule besuchen und elementare Menschenrechte haben wieder Geltung. Dies dürfen wir bei der derzeit geführten Diskussion keinesfalls außer Acht lassen!

Die Sicherheitslage in Afghanistan hat sich seit 2007 deutlich verschlechtert, auch und vor allem im deutschen Einsatzbereich im Norden des Landes (v.a. rund um Kundus). Heute stecken die Auslandseinsätze der Bundeswehr seit geraumer Zeit in zweierlei Krisen: Auf der einen Seite in einer massiven Akzeptanz-, auf der anderen Seite aber auch in einer Wirksamkeitskrise. Das trifft besonders auf den riskantesten, umfangreichsten und auch teuersten Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan zu. Statt den Einsatz an die veränderten Sicherheitsbedingungen innerhalb des Landes anzupassen und dringend benötigte Reformen der Sicherheitsstrategie einzuleiten, hat die Große Koalition ihn lediglich weiterlaufen lassen. Eine umfassende Evaluierung des bisher verfolgten Ansatzes blieb aus. Statt immer wieder vorgebrachter Durchhalteparolen brauchen wir jetzt als erstes Ehrlichkeit der Politik sich selbst gegenüber, gegenüber der Bevölkerung und gegenüber den deutschen Soldatinnen und Soldaten. Eine offene und unabhängige Bilanzierung der deutschen Beteiligungen an internationalen Krisenengagements und Auslandseinsätzen ist längst überfällig. Was sind die Erfolge, Versäumnisse und Lehren? Ohne eine solche Bilanzierung wird es kein wirksames Krisenmanagement geben.

Die Große Koalition hat es jedoch in den vergangenen Jahren versäumt, einen dringend benötigten Kurswechsel, weg vom militärischen hin zu einem verstärktem zivilen Engagement einzuleiten. Ein solcher Kurswechsel ist jedoch lange überfällig. Nach wie vor liegen die Mittel für den Staatsaufbau und die Polizeiausbildung bei Weitem unter denen im militärischen Bereich und werden den enormen Aufbau- und Ausbildungsbedarf des Landes in keinster Weise gerecht.

Eine substanzielle Aufstockung der Mittel, vor allem aber des Personals im Bereich der Ausbildung von Polizistinnen und Polizisten, ist notwendig. Nötig ist außerdem eine Aufstockung im gesamten zivilen Bereich, insbesondere in der Landwirtschaft beim Arbeitsmarkt und im Bereich des Schutzes der Menschenrechte. Generell muss der Aufbau in Afghanistan fortgesetzt werden, gleichzeitig ist ein Strategiewechsel unumgänglich: Wir müssen mehr zivile Hilfe leisten, diese effektiver als bisher umsetzen und die kontraproduktiven Militäreinsätze wie die im Rahmen der Operation Enduring Freedom, stoppen.

Mit freundlichen Grüßen nach Schönwalde,

Marlies Fritzen