Warum nimmt die deutsche Politik nicht wahr, dass Omikron den Ausstieg aus allen Zwängen ermöglichen kann? Wieso Impfpflicht bei harmloser Variante?

Portrait von Marja-Liisa Völlers
Marja-Liisa Völlers
SPD
77 %
10 / 13 Fragen beantwortet
Frage von Markus H. •

Warum nimmt die deutsche Politik nicht wahr, dass Omikron den Ausstieg aus allen Zwängen ermöglichen kann? Wieso Impfpflicht bei harmloser Variante?

Von der deutschen Politik noch ignoriert, weist alles darauf hin, dass die aktuellen Impfungen gegen die Omikron-Variante einen schlechten, nur vorübergehenden oder nur negativen Schutz bieten und dass Omikron zu geringerer Hospitalisierung führt.

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/130078/COVID-19-Laborstudie-bestaetigt-geringe-Schutzwirkung-der-Impfung-gegen-Omikron

Auch nach RKI-Wochenberichten vom 30.12. (Seite 14) und 6.1. (Seite 25) negative Wirkung: Ungeimpfte weniger betroffen als ihr Anteil an der Bevölkerung.

Studie aus Dänemark: Omikron ist im Vergleich zu Delta für Ungeimpfte 1,17x ansteckender, für 2x Geimpfte 2,61x ansteckender, für 3x Geimpfte 3,66x ansteckender [Seite 1].
https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.12.27.21268278v1.full

Spanien tendiert zur Herabstufung von Corona zur Grippe
https://www.welt.de/politik/ausland/plus236177638/Nach-Omikron-Spanien-will-Corona-wie-Grippe-behandeln.html

Portrait von Marja-Liisa Völlers
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr H.,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Sie haben Recht, dass die Omikron-Variante insofern harmloser ist, als das seltener schwere Verläufe vorkommen. Allerdings ist sie auch um einiges ansteckender. Das hat zur Folge, dass wir bei einer weitaus höheren Inzidenz eine geringere Belastung auf den Intensivstationen haben. Dafür sind relativ viele Corona-Infizierte auf den normalen Stationen im Krankenhaus und belegen Betten.

Folglich wurden bereits und werden auch weiterhin in mehreren Kliniken wichtige Behandlungen, wie z.B. lebensrettende Krebsoperationen, abgesagt und auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Menschen mit lebensbedrohenden Krankheiten müssen somit aktuell starke Einschnitte im Zuge ihrer Behandlung in Kauf nehmen. Bei der Impfung geht es folglich nicht nur um die eigene Gesundheit, sondern auch um die Gesundheit unserer Mitmenschen. Darüber hinaus denke ich hier als Lehrerin auch an die Folgen für Kinder und Jugendliche, die unter den aktuellen Umständen insbesondere leiden.

Abschließend sollten wir nicht die aktuell 200 bis 300 Toten täglich vergessen, die aufgrund des Coronavirus ums Leben kommen. Aus all diesen genannten Gründen lässt sich bei Omikron zwar von einer harmloseren jedoch keinesfalls von einer nicht-schwerwiegenden Variante sprechen.

Jedoch dürfen wir auch hier nicht den Umstand außer Acht lassen, dass bereits mehr als 75% der deutschen Bevölkerung geimpft sind. Wenn es diese hohe Impfquote nicht geben würde, gäbe es eine Überlastung des Gesundheitssystems, noch mehr Tote und starke Einschränkungen für die Gesellschaft.

Denn obwohl Zweifach-Geimpfte einen geringeren Schutz gegen Omikron als gegen Delta haben, verringert es immer noch die Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs. Darüber hinaus steht allerdings seit mehreren Monaten auch die Drittimpfung zur Verfügung, die einen sehr guten Schutz bietet (https://www.meduniwien.ac.at/web/ueber-uns/news/default-0f889c8985/eingeschraenkte-wirksamkeit-von-covid-19-impfstoffen-gegen-omikron/ & https://www.swr.de/wissen/omikron-infektion-statt-impfung-100.html).

Entsprechend ist weiterhin die (Dreifach-)Impfung der Weg aus der Pandemie. Aus diesem Grund wurde im Deutschen Bundestag über die Impfpflicht für Menschen über 60 Jahren abgestimmt, um insbesondere die vulnerablen Gruppen zu schützen.

Ich habe mir zu diesem Thema viele Gedanken gemacht - nicht erst seitdem die Diskussion in den letzten Monaten aufgekommen ist, sondern bereits schon im Laufe des letzten Jahres. Für mich war die Impfung lange eine Frage der individuellen Verantwortung, dass sich Menschen gemäß ihrer Verantwortung in unserer Gesellschaft impfen lassen. Nur leider besteht diese anscheinend bei vielen nicht immer. Und somit haben wir immer noch zu viele ungeimpfte Personen, als dass das Gesundheitssystem damit umgehen könnte. Außer für Menschen, die sich nicht impfen lassen können, gibt es keine sachlichen Argumente gegen eine Impfung, insbesondere im Vergleich zu den Risiken und der Belastung der gesamten Gesellschaft. Da wir die Pandemie anscheinend nicht mit dem Verlassen auf die individuelle Verantwortung überwinden können und Menschen in diesem Falle nicht solidarisch miteinander sind, wurde über die allgemeine Impfpflicht ab 60 Jahren abgestimmt und ich habe dafür gestimmt.

Das Gesetz hat leider keine Mehrheit erhalten – sehr zu meinem Bedauern. Eine Verpflichtung für alle Bürgerinnen und Bürger ab 60 Jahren sich impfen zu lassen, wäre sehr wichtig gewesen. In dieser Altersgruppe sind immer noch 2,7 Millionen Menschen ungeimpft. Wir wissen mittlerweile leider aus allzu tragischen Erfahrungen, dass unsere älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger besonders gefährdet sind einen schweren Verlauf zu erleben oder sogar an einer Coronainfektion zu sterben. Darüber hinaus stellt diese Gruppe auch eine Gefahr zur Überlastung des Gesundheitssystems dar. Denn die Anzahl der Fälle ist zu hoch, als dass unser Gesundheitssystem dies tragen könnte.

Ich befürchte, dass es ohne eine Impfpflicht zu negativen Auswirkungen für das Infektionsgeschehen mit Blick auf den Herbst kommt. Es war jetzt an der Zeit Vorsorge zu treffen. Denn es steht zu befürchten, dass es im Herbst eine weitere Welle geben wird. Genau wissen tut es niemand. Dennoch wäre es wichtig gewesen jetzt Vorsorge zu treffen, um die vulnerablen Gruppen ab 60 Jahren zu schützen und eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meiner Antwort meine Sicht der Dinge etwas darstellen. Wenn Sie hierzu oder zu weiteren Themen noch Anmerkungen oder Fragen haben, melden Sie sich gerne.

Mit freundlichen Grüßen,

Marja-Liisa Völlers, MdB

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Marja-Liisa Völlers
Marja-Liisa Völlers
SPD