Warum wurde die Inbetriebnahme von Nordstream 2 gestoppt?

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Marja-Liisa Völlers
SPD
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Frage von Evelina A. •

Warum wurde die Inbetriebnahme von Nordstream 2 gestoppt?

Sehr geehrte Frau Völlers,

ich habe folgende Frage:
Warum wurde die Inbetriebnahme von Nordstream 2 auf Drängen der USA gestoppt, obwohl die USA selbst weiterhin Öl aus Russland bezieht? Ist es von Seiten der USA nicht eine bodenlose Frechheit, von Deutschland etwas zu fordern, was sie selbst nicht umsetzen? Und warum hat Deutschland diesem dann zugestimmt? Es stößt mir auch sauer auf, da sich dieser Entschluss wieder am meisten auf die Endverbraucher auswirken wird.
Vielen Dank im Voraus.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Frau A.,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Das Thema Nord Stream 2 beschäftigt gerade uns in der SPD bereits sehr lange und wurde auf allen Ebenen konträr diskutiert. In den letzten Jahren hatten sich große Mehrheiten in der SPD und auch in der CDU/CSU bewusst für Nord Stream 2 ausgesprochen. Dass Putin die gesamte Ukraine angreift, habe ich, hat die große Mehrheit der Deutschen für unmöglich gehalten. Entsprechend haben wir in der Politik und viele Menschen in Deutschland die Lage falsch eingeschätzt.

Allerdings haben zumindest wir in der SPD aus unseren Fehlern gelernt. Mit der Zeitenwende und dem Sondervermögen für die Bundeswehr hat Olaf Scholz einen Paradigmenwechsel in der deutschen Verteidigung-, Sicherheits- und Außenpolitik eingeleitet. In der aktuellen Situation mit dem Angriffskrieg den Russland gegen die Ukraine führt, bedeutet dies eine finanzielle und militärische Unterstützung der Ukraine sowie vielfältige sehr weitreichende Sanktionspakete gegenüber Russland.

Bereits vor dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine zeigte sich, dass die neue Regierung einen härteren Kurs gegenüber Russland fahren wird. Als Folge der Anerkennung der „Volksrepubliken“ durch Russland am 21. Februar 2022 hat Deutschland das Zertifizierungsverfahren für das Projekt Nord Stream 2 gestoppt, um die Inbetriebnahme der Pipeline zu verhindern.

Mit den USA wurde bereits im Juni letzten Jahres eine Einigung zum Thema Nord Stream 2 erzielt. Das Abkommen zwischen Deutschland und den USA sieht Sanktionen gegen Russland für den Fall vor, dass Moskau die Pipeline als politische Waffe einsetzt. Dies gilt auch allgemein für aggressives Verhalten gegenüber der Ukraine. Wir haben uns zu diesem Zeitpunkt verpflichtet, in solchen Fällen Maßnahmen gegen Russland zu ergreifen.

Aber Sie haben Recht - die USA hat zu dem Zeitpunkt selber noch Öl aus Russland importiert. Allerdings hat dies im Jahr 2021 in den USA nur ca. 3 Prozent der Rohölimporte ausgemacht. Auf den ersten Blick ist es widersprüchlich, dass die USA so ein hartes Verhalten von den europäischen Ländern – wie Deutschland – einfordert, aber auf der anderen Seite weiterhin selber Rohöl bezieht.

In genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die USA und Deutschland ähnlich und auf Augenhöhe gehandelt haben. Durch die Einigung zu Nord Stream 2 stand die Forderung der USA – der Stopp der Pipeline - nicht mehr akut im Raum. Als Russland allerdings begann sich völkerrechtswidrig zu verhalten – erst mit der Anerkennung der „Volksrepubliken“ und dann mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine – hat Deutschland das Projekt Nord Stream 2 gestoppt und die USA am 08. März 2022 den sofortigen Importstopp von russischem ÖL veranlasst. Entsprechend haben beide Länder auf Augenhöhe gehandelt und ihren jeweiligen Beitrag geleistet, um sich im ersten Schritt von russischen Energiequellen unabhängiger zu machen.

Abschließend lässt sich sagen, dass zum Zeitpunkt des Stopps der Pipeline dies nicht auf direktes Drängen der USA passiert ist. Allerdings ist es natürlich unter anderem auch ein Resultat aufgrund der Einigung mit den USA im vorherigen Jahr. Am Ende müssen wir aber alle zugeben, dass dies eine richtige Entscheidung war – ob nun mit oder ohne Drängen der USA. Der Angriff von Russland auf die Ukraine wenige Tage später hat gezeigt, dass wir mit Russland keine weiteren Geschäfte machen können und uns von russischem Gas & Öl unabhängig machen müssen. Dies wird nicht einfach.

Unter anderem deshalb gibt es auch die von Ihnen erwähnten Auswirkungen auf den Endverbraucher. Hier sind wir jedoch schnell aktiv geworden. Wir haben bereits zwei Entlastungspakete beschlossen, die maßgeblich die sozialdemokratische Handschrift tragen. Diese entlasten die Menschen insbesondere bei den erhöhten Energiekosten. Einen Überblick finden Sie hier: https://www.spd.de/aktuelles/entlastungspaket/

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meiner Antwort meine Sicht der Dinge darlegen. Wenn Sie hierzu oder zu weiteren Themen noch Anmerkungen oder Fragen haben, melden Sie sich gerne bei mir.

Mit freundlichen Grüßen,

Marja-Liisa Völlers, MdB

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