Frage an Markus Ferber bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Markus Ferber
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Frage von Thorsten W. •

Frage an Markus Ferber von Thorsten W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Ferber,

wie stehen Sie zu folgenden Forderungen:

1. Wahl des Europaparlaments gemeinsam und nicht nach Staaten, da ich als Bürger evtl. einen Kandidaten¨unterstützen möchte, der aus einem anderen Mitgliedsstaat kommt.

2. Direktwahl der Kommission durch das Europaparlament.

3. Zustimmung des Rates nur noch bei Vertragsänderungen (irgendwann dann Verfassungsänderungen) und bei Neuaufnahme von Mitgliedsstaaten.

Mit freundlichen Grüssen
Thorsten Wehler

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CSU

Sehr geehrter Herr Wehler,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die mir über Abgeordnetenwatch zugeleitet worden ist. Gern werde ich zu Ihren Fragen Stellung nehmen.

Mit freundlichen Grüssen

Ihr
Markus Ferber, MdEP

1. Wahl des Europaparlaments gemeinsam und nicht nach Staaten, da ich als Bürger evtl. einen Kandidaten unterstützen möchte, der aus einem anderen Mitgliedsstaat kommt.
Da es kein europaweit einheitliches Wahlrecht gibt, legt jeder Mitgliedstaat sein eigenes Wahlverfahren fest. Grundlage der Wahlsysteme in den Mitgliedsstaaten ist der sog. Europa-Direktwahlakt ( http://www.bundeswahlleiter.de/wahlen/europawahl2004/downloads/akteurow.pdf ), der den EU-Staaten einige Vorgaben für das Wahlsystem macht, insbesondere:
* Die Wahl hat nach einem Verhältniswahlsystem zu erfolgen,
* auf Grundlage entweder von Listen oder von übertragbaren Einzelstimmen (STV).
* Es können Vorzugsstimmen zugelassen werden. Damit sind Stimmen gemeint, mit denen die Reihenfolge auf den Listen verändert werden kann.
* Die Unterteilung des Wahlgebietes in Wahlkreise ist erlaubt, solange das Verhältniswahlsystem dadurch nicht in Frage gestellt wird.
* Es darf eine Mindestschwelle für die Sitzvergabe festgelegt werden, die jedoch landesweit nicht mehr als fünf Prozent der abgegebenen Stimmen betragen darf.
Das von Ihnen vorgeschlagene aktive grenzüberschreitende Wahlrecht würde ein einheitliches Europäisches Wahlrecht erfordern. Darauf konnten sich die Mitgliedsstaaten jedoch bislang nicht verständigen. Weniger Problematisch ist das grenzüberschreitende passive Wahlrecht, wofür es bereits jetzt einige Beispiele im Europäischen Parlament gibt.

2. Direktwahl der Kommission durch das Europaparlament.

Ein starke und berechtigte Forderung des Europäischen Parlamentes im Rahmen der Reformdiskussion ist die nach einer direkten Einflussnahme auf die Wahl der EU-Kommission. Leider hat sich diese Forderung bislang nicht durchsetzen lassen. Ich hielte es für überaus wichtig, die Rechte des Parlamentes in diesem Bereich zu stärken.

In der Parlamentsgeschichte gab es jedoch auch Beispiele für die Stärke der bislang bestehenden Kontrollrechte des Parlamentes. Beim Rücktritt der Kommission unter Jacques Santer 1999 hat sich gezeigt, wie enorm wichtig die parlamentarische Kontrolle ist und dass sie kein stumpfes Schwert ist, wie teilweise behauptet wird.

Nach der jetzigen Rechtslage beschränkt sich die Beteiligung des Parlamentes bei der Ernennung der Kommissare darauf, dass vor deren Ernennung vom Parlament in den Fachausschüssen die Kompetenz und Integrität der designierten Kommissare geprüft wird. Aber auch hierbei hat das Parlament seine Kontrollrechte geltend gemacht, als der designierte Innenkommissar Rocco Buttiglione 2004 vor dem Innenausschuss nicht bestanden hat und somit nicht Kommissar werden konnte.

3. Zustimmung des Rates nur noch bei Vertragsänderungen (irgendwann dann Verfassungsänderungen) und bei Neuaufnahme von Mitgliedsstaaten.

Diese Forderung kann ich nicht uneingeschränkt unterstützen. Natürlich liegt mir, als Europaabgeordnetem, viel daran, die Rechte des Parlamentes zu stärken und an notwendigen und sinnvollen Stellen auszuweiten. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Mitgliedstaaten die "Herren der Verträge" sind und deren Wort bei abschließenden Entscheidungen immer auch einen besonderen Einfluss haben muss. Dies entspricht dem grundlegenden Verständnis der Europäischen Union.

Ich plädiere jedoch massiv für eine Reform der Entscheidungsprozesse. Die vorgegebenen Mehrheitsverhältnisse im Rat sind auf Entscheidungen einer EU mit 15 Mitgliedstaaten ausgelegt. Vielfach sind Entscheidungen im Rat blockiert, weil Einstimmigkeit mit 27 Mitgliedstaaten nicht erreicht werden kann. Deshalb spreche ich mich für eine Reform hin zu mehr Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit im Rat aus.

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