Frage an Martina Stamm-Fibich

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Martina Stamm-Fibich
SPD
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Frage von Thorsten W. •

Frage an Martina Stamm-Fibich von Thorsten W.

Sehr geehrte Frau Stamm-Fibich,

bei der gestrigen Abstimmung (28.04.2016) haben Sie sich gegen ein Verbot von Fracking entschieden. Könnten Sie bitte kurz erläutern, weshalb in Ihrer "Nein"-Entscheidung die offensichtlichen Argumente für ein solches Verbot nicht überwiegt haben?

Diese offensichtlichen Argumente für ein Verbot von Fracking beinhalten nicht nur die Umweltschäden und die Gesundheitsschäden für Mensch & Tier, sondern auch dass nach einer representativen Umfrage, beauftragt von abgeordnetenwatch.de, sich 61% der Bundesbürger (sogar 68% der SPD-Anhänger) für ein vollständiges Verbot von Fracking aussprechen (siehe https://www.abgeordnetenwatch.de/sites/abgeordnetenwatch.de/files/fracking_infratest_2015.pdf ).

Das gestrige Abstimmungsverhalten von Ihnen (und insgesamt 141 von 193 Abgeordneten der SPD) gegen die sachlichen Argumente und die Meinung der Wählerschaft ist für mich im Moment nicht nachvollziehbar. Deshalb wäre ich Ihnen für die Darstellung Ihrer Beweggründe dankbar.

Aus Ihrem Statement vom 06.07.2015 zum Thema Fracking lese ich heraus, dass Sie Fracking für ein sehr schwieriges Thema halten und sich damals noch nicht öffentlich positionierten. Was hat Sie umgestimmt?

Vielen Dank für Ihre Zeit und Antworten,
Freundliche Grüße aus Erlangen,

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SPD

Sehr geehrter Herr Wißmann,

vielen Dank für Ihr Schreiben zum Thema Fracking und für Ihre kritischen Anmerkungen. Am 28. April 2016 hat der Deutsche Bundestag über Anträge der Oppositionsparteien ab-gestimmt, die ein generelles Verbot von Fracking fordern. Ich habe gegen die Anträge gestimmt und eine Erklärung abgegeben, die ich im Anhang sende.

Die beiden Anträge der Grünen und der Linken spielen falsche Tatsachen vor. Sie erwecken den Eindruck, in Deutschland habe es noch niemals Fracking gegeben und dass es deshalb ganz einfach sei, Fracking zu verbieten. Aber beides stimmt nicht.

Nach geltendem Recht ist Fracking zur Erdgasgewinnung grundsätzlich erlaubt. Im Moment gibt es ein Moratorium, mit dem konventionelles Fracking ausgesetzt wird. Aber das wird nicht ewig halten. Wir brauchen also klare gesetzliche Regelungen. Dieses Ziel haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart.

In Niedersachsen wird seit Jahrzehnten Erdgas gefördert. Das ist eine Art von Fracking. Und auch die Geothermie nutzt eine Art von Fracking-Technologie. Es ist also verfassungsrechtlich nicht so einfach, das zu verbieten, was seit vielen Jahren praktiziert wird. Gegen ein Verbot würden Konzerne klagen, die Fracking-Technologien seit vielen Jahren anwenden. Voraussichtlich hätte dieses Verbot dann nicht lange Bestand.

Wir brauchen ein Fracking-Gesetz, das zwei Aspekte regelt: Zum einen müssen wir die herkömmliche Erdgasförderung z.B. durch wasserrechtliche Vorschriften und Auflagen verbessern. Auf der anderen Seite müssen wir aber den Einsatz von sog. unkonventionellem Fracking, wie es in den USA praktiziert wird, so weit wie möglich verbieten und wirtschaftlich unattraktiv machen.

Bei unkonventionellem Fracking wird Schiefer- und Kohleflözgas freigesetzt. Die beiden Gas-Arten sind in der Regel in sehr viel dichterem Gestein eingeschlossen – die Freisetzung ist dementsprechend schwieriger und unter Umständen mit höheren Risiken verbunden.

Risiken der Technologie sind unter anderem die Verunreinigung von Grund- und Trink-wasservorkommen durch Chemikalien, ein erhöhtes Erdbeben-Risiko, die Gefahr von Methan-Austritten und eine erhöhte Lärm- und Luftbelastung. Ich sehe diese Risiken – so wie viele andere in der SPD-Fraktion – sehr kritisch. Niemand möchte verunreinigtes Grundwasser oder eine erhöhte Erdbeben-Gefahr. Aber ob die Risiken tatsächlich eintreten und wenn ja, wie gravierend die negativen Auswirkungen von Fracking sind, das ist noch zu wenig erforscht. Mit dem geplanten Gesetz soll die Möglichkeit geschaffen werden, wissenschaftlich begleitete Forschung zu betreiben und ansonsten soll es ein Gesetz zur Risikominimierung sein. Es soll klare Regelungen und Rechtssicherheit schaffen. Es wird kein generelles Verbot von Fracking geben, aber der Rahmen in dem die Technologie genutzt werden kann wird klar abgegrenzt: Probebohrungen oberhalb von 3.000 Metern werden nur erlaubt, wenn ein sechsköpfiges Expertengremium dies erlaubt. Die SPD besteht da-rauf, dass diese Experten-Kommission nur eine beratende Funktion hat und am Ende der Deutsche Bundestag entscheidet, ob Fracking stattfinden darf. Mit uns wird es keinen Automatismus geben, der nach Ablauf der Forschungsphase Fracking automatisch zulässt. Wir bestehen darauf, dass der Deutsche Bundestag das letzte Wort hat.

Die Anträge der Opposition fordern ein generelles Verbot – ohne die Realität zu berücksichtigen, in der es seit vielen Jahrzehnten Erdgasförderung mit der Fracking-Technologie gibt. Die Anträge lösen nicht das Problem, sie gaukeln einfache Lösungen vor. Aber die gibt es nicht.

Und noch eine Anmerkung zum Verfahren möchte ich machen: Die Oppositionsparteien haben am 28. April 2016 eine Abstimmung ihrer Anträge ohne Debatte beantragt. Das halte ich für grundlegend falsch. Die Diskussion ist hier wichtig. Denn es gibt strittige Punkte, aber es gibt auch Punkte, die für eine Erprobung des Verfahrens unter strengen wissenschaftlichen Kriterien sprechen. Wir können weder die Chancen noch die Risiken ausblenden. Eine offene und ehrliche Debatte wäre hier von großer Bedeutung gewesen.

Mit freundlichen Grüßen

Martina Stamm-Fibich

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