Haben geschiedene Kinder auch ein gleichberechtigtes Recht auf ihren Vater? Sind Sie für ein Wechselmodell nach einer Trennung oder Scheidung?

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Martina Stamm-Fibich
SPD
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Frage von Norbert R. •

Haben geschiedene Kinder auch ein gleichberechtigtes Recht auf ihren Vater? Sind Sie für ein Wechselmodell nach einer Trennung oder Scheidung?

Sehr geehrte Frau Stamm-Fibich,
haben geschiedene Kinder auch ein gleichberechtigtes Recht auf ihren Vater?
Sind Sie für ein Wechselmodell nach einer Trennung oder Scheidung?
Kinder brauchen und wollen Vater und Mutter! Oder sehen Sie das anders?
Sollte das Familieneinkommen auch nach der Scheidung gerecht verteilt werden?, Oder soll der Vater alleine für 2 Haushalte bezahlen, obwohl das Geld schon in der Ehe nur für einen Haushalt gereicht hat?
Beispiel: Vater und Mutter mit drei Kindern haben ein Gesamteinkommen von 5.000 Euro monatlich netto. Die Mutter bekommt nach der Ehe ein Einkommen von 4.000 Euro, zuzüglich erhält sie alleiniges kostenfreies Wohnrecht im Familienheim und die Miete von 500 Euro für die Einliegerwohnung. Dem Vater bleibt von seinem Einkommen nur 1.000 Euro zum Leben mit Miete und Umgangsrecht!
Halten Sie das für richtig?
Mit freundlichen Grüßen

N. R.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr R.,

vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Scheidung und Unterhaltsrecht. Sie sprechen damit ein sehr komplexes Thema an, das in Deutschland noch nicht vollumfassend gesetzlich geklärt ist.

Zunächst: Ich bin immer für das Kindeswohl. Und ich stimme Ihnen zu, dass Kinder ein gleichberechtigtes Recht auf Vater und Mutter haben. Das eine Modell für alle Familien gibt es aber nicht. Die Frage, welches Modell für wen passt, ist eine ausschließlich individuelle.

Die SPD ist der Auffassung, dass Verantwortung nicht am Trauschein hängt. Wer an Familie denkt, muss deshalb immer auch die Situation von Trennungsfamilien im Blick haben. Und wir erkennen, dass die heutige Rechtslage nicht mehr zur Lebensrealität vieler getrennt lebender Familien passt: Mütter wollen ihrem Beruf nachgehen und Väter wollen anwesende Väter sein, die an der Erziehung der Kinder gleichermaßen mitwirken. Der Bundesgerichtshof hat entsprechend 2017 klargestellt, dass das Wechselmodell auch gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden kann, wenn es dem Kindeswohl entspricht. Diese – nun auch von den unteren Gerichten angewandte – Rechtsprechung begrüßt die SPD. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten kritisieren aber, dass dieses Modell lediglich Richterrecht ist und nicht explizit gesetzlich verankert ist. Das wollen wir als SPD ändern. Wir wollen eine Rechtsgrundlage im BGB schaffen, auf deren Basis das Wechselmodell nach eigehender Einzelfallprüfung und im Sinne des Kindeswohls angeordnet werden kann. Was wir nicht wollen ist die Pflicht zur Anordnung eines bestimmten Modells. Denn, wie eingangs erwähnt, ist jede Familiensituation einzigartig. Und deshalb müssen stets individuelle Lösungen gefunden werden, bei denen einzig das Kindeswohl im Fokus steht.

Mit der Regelung über die Betreuung eines Kindes und die Umgangsrechte einher geht für uns auch die Regelung über die Verteilung der Unterhaltslasten zwischen den Eltern. Die Düsseldorfer Tabelle beruht systematisch auf dem Residenzmodell, das heißt darauf, dass im Wesentlichen ein Elternteil allein das Kind betreut und der andere im Wesentlichen Barunterhalt leistet. Auch diese Regelung möchten wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten an die gelebte Realität von getrennt lebenden Familien anpassen. Wir brauchen ein Unterhaltsmodell, das der Realität vieler getrennt lebender Familien gerecht wird und anerkennt, dass beide Elternteile gleichermaßen Betreuung leisten und berufstätig sind. 2020 hat das Justizministerium einen Referentenentwurf für eine Familienrechtsreform vorgelegt. Darin enthalten waren auch Regelungen zur Mitmutterschaft. Diese Regelungen hat die CDU/CSU-Fraktion vehement abgelehnt. Weil uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten dieses Thema aber ebenso am Herzen liegt wie Verbesserungen für nicht-gleichgeschlechtliche Familien, konnten wir einem Kompromiss ohne Regelung zur Mitmutterschaft nicht zustimmen.

Ich hoffe sehr, dass neue Konstellationen nach der Bundestagswahl eine zügige Umsetzung der Familienrechtsreform ermöglichen und wir der gelebten Realität von getrennt lebenden Familien endlich gerecht werden können.

Mit freundlichen Grüßen

Martina Stamm-Fibich

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