Sehr geehrte Frau Spellerberg, wie stehen Sie zu einer generellen Impfpflicht?

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Merle Spellerberg
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Jens F. •

Sehr geehrte Frau Spellerberg, wie stehen Sie zu einer generellen Impfpflicht?

Danke&Gruss Jens F.

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Die Entscheidung zum richtigen Umgang mit der aktuell drastischen Pandemielage ist mir nicht leichtgefallen. Dennoch bin ich in den vergangenen Wochen zu der Entscheidung gelangt, eine allgemeine Impfpflicht für Erwachsene zu befürworten. Dies hat verschieden Gründe, die ich gerne darlege.

Aktuell sehen wir die weitere Ausbreitung der Pandemie mit gravierenden Folgen für Leib und Leben vieler Menschen. Diese Situation erfordert momentan wieder Einschränkungen für jeden einzelnen Menschen wie für die Gesamtheit der Gesellschaft. Immer wiederkehrende Lockdowns mit starken Kontaktbeschränkungen belasten Menschen und insbesondere Kinder. Sie bringen enorme wirtschaftliche Konsequenzen mit sich und gefährden die Existenz von Ladenbesitzer*innen, Künstler*innen und Menschen aus der Veranstaltungsbranche. Vor diesem Hintergrund stellt eine allgemeine Impfpflicht für mich das mildere Mittel zur Bekämpfung der Pandemie dar. Diese Entscheidung treffe ich nicht leichtfertig, da eine allgemeine Impfpflicht für Erwachsene einen Eingriff in die Grundrechte bedeutet. Bei dieser Debatte überwiegen für mich aber die perspektivische Freiheit und das Recht auf körperliche Unversehrtheit der gesamten Gesellschaft gegenüber dem punktuellen Freiheitsverlust, den eine Impflicht für Einzelne bedeuten kann. 

Eine allgemeine Impfpflicht befürworte ich auch, weil die von der Europäischen Arzneimittelbehörde zugelassenen Impfstoffe sicher sind. Ihre Zulassung ist nach dem standardmäßig vorgesehen Prüfungsverfahren erfolgt und ich vertraue der Einschätzung der medizinischen Expert*innen des Paul-Ehrlich-Instituts. Weitere Informationen zur Sicherheit der Coronaschutzimpfung finden Sie hier: https://www.zusammengegencorona.de/impfen/impfstoffe/wirksamkeit-und-sicherheit/

Aktuell sind viele missverständliche Informationen und Unklarheiten in Bezug auf die Impfung im Umlauf. Auf diese wird an dieser Stelle eingegangen: https://www.zusammengegencorona.de/impfen/basiswissen-zum-impfen/impfmythen/

Selbstverständlich hätte ich mir gewünscht, die Pandemie durch freiwillige Anreize zum Impfen einzudämmen. Die bisher erreichten Impfquoten reichen dafür jedoch leider nicht aus, wie die dramatischen Infektionszahlen und die Lage auf den Intensivstationen zeigen. Dies gilt insbesondere in Anbetracht der Entwicklung rund um neue Mutationen, welche zu einer erhöhten Übertragung und Ansteckungsgefahr führen.

Ein knappes Drittel der Menschen in unserem Land ist derzeit noch nicht vollständig geschützt. Eine Infektion mit dem Coronavirus birgt in jedem Alter das Risiko eines schweren Verlaufs, eines Krankenhausaufenthalts mit künstlicher Beatmung, langer Erholungsdauer und unter Umständen den Tod. Auch Patienten mit einem leichten oder mittelschweren Verlauf berichten von mehreren Wochen anhaltenden Beschwerden wie Müdigkeit, eingeschränkter Belastbarkeit, Kurzatmigkeit, Muskelschwäche und Konzentrationsstörungen. Für Genesene bleibt das Risiko von Long Covid oder dem Post-Covid-Syndrom, welches gesundheitliche und psychische Konsequenzen für viele Monate bis zur Arbeitsunfähigkeit bedeuten kann. Eine Impfung verringert die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung und sie minimiert das Risiko eines schweren Verlaufs mit gravierenden gesundheitlichen Folgen. Wer sich impfen lässt, schützt andere, aber vor allem sich selbst.

Eine generelle Impfpflicht für Erwachsene werden wir in den kommenden Monaten diskutieren. Sie kann natürlich erst umgesetzt werden, wenn genügend Impfstoff sowie Ressourcen zur Bereitstellung der notwendigen Impfangebote verfügbar sind. Aktuell schaffen wir mit dem neuen Krisenstab im Kanzleramt, mit einer Verbesserung der Logistik und der Ausweitung der impfberechtigten Personen auf Apotheker*innen und Zahnärzt*innen die Grundlagen, um die Impfquote bis zum Jahresende nochmal deutlich zu steigern.

Ich sehe, dass eine generelle Impflicht in der Gesellschaft auch kontrovers diskutiert wird. Dieser Diskussion werden wir Rechnung tragen, wenn wir mögliche Gesetzesentwürfen ab Januar im Parlament fraktionsübergreifend diskutieren.

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