Warum werden unsere Gefängnissysteme nicht verbessert, nach z.Bsp. Norwegischem System, die Rückfallquote dort ist einmalig gering, es scheint hier einfach ein Geschäftsmodell zu sein?

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Frage von Jochen T. •

Warum werden unsere Gefängnissysteme nicht verbessert, nach z.Bsp. Norwegischem System, die Rückfallquote dort ist einmalig gering, es scheint hier einfach ein Geschäftsmodell zu sein?

Ich frage, warum sich beim Justizsystem nicht an Ländern wie Schweden und Norwegen orientiert wird, wenn es um Inhaftierung von Tätern geht.
So scheint das Unsere System eher eine Kreislaufwirtschaft zu erzeugen als Menschen umzuerziehen denn die Rückfallquote entbehrt jeder Zweifel der Ineffizienz des Haftsystems.
Gefangene haben hier nur unzureichende Vorbereitung auf draussen.
Ich musste selbst erleben wie ein Bekannter aus meiner ehem.Klasse nach 2 Jahren Haft quasi komplett
unselbständig und handlungsunfähig sowie noch derber Traumatisiert abstürzte,
nach Taten welche solcherlei Folgen eigentlich nicht rechtfertigen(Cannabiskonsum+Eigenbedarfanbau),
die Folgekosten von zerstörten Personen trägt ja schließlich auch wieder die Allgemeinheit.
Ich meine dies ist hochgradig unwirtschaftlich geregelt worden.
Belege:
https://www.youtube.com/watch?v=ZYsTveUkhrw
https://www.youtube.com/watch?v=6H2OLrBkzjo
https://www.youtube.com/watch?v=0Mdn2c9Dr4A

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Sehr geehrter Herr T.,

vielen Dank für Ihre Anregungen und den Links zu den Reportagen zum Gefängnissystem.

Seit dem Jahr 1977 ist nicht mehr Schuld und Sühne, sondern Resozialisierung das Ziel des Strafvollzuges. Dies änderte sich auch nicht nach der Föderalismusreform von 2006, welche die Regelkompetenz den einzelnen Bundesländern übertragen hat. Mittlerweile gibt es 16 Strafvollzugsgesetze, doch der Behandlungsauftrag ist allen gemeinsam: „Der Vollzug dient dem Ziel, die Gefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen“.

Unser Strafsystem in Deutschland ist auf den Prinzipien der General- und Spezialprävention aufgebaut, wodurch zum einen das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtsordnung und die Wehrhaftigkeit des Staates gestärkt werden und zum anderen die Resozialisierung von Strafgefangenen in Deutschland, welche als oberstes Strafvollzugziel betrachtet wird. Dieses Ziel der Resozialisierung ist deshalb wichtig, damit Verurteilte wieder eine Chance auf ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit haben.

Um jenes Strafvollzugziel zu erreichen, gibt es in vielen Bundesländern bereits verschiedene Arten des Vollzuges.

Der offene Vollzug ist ein bedeutsames Gestaltungsmittel. Um die Entlassung von Gefangenen vorzubereiten, können vollzugsöffnende Maßnahmen gewährt werden, sogenannte Lockerungen des Vollzugs, wenn Flucht- und Missbrauchsgefahr hinreichend ausgeschlossen werden können. Diese Freiheiten ermöglichen eine Stück für Stück Wiedereingliederung bereits während der Haft. 

Die dritte fest verankerte Vollzugsform ist neben dem geschlossenen und freien Vollzug der Jugendstrafvollzug in freier Form. Diese Art des Vollzuges gilt als innovativer Weg zwischen geschlossenen und offenen Vollzug. Hinzu kommt neben der Resozialisierung auch die wichtige Rolle der Erziehung von Jugendstraftätern. Besonders bei Jugendlichen sind die Wiedereingliederungschancen hoch.

Im Seehaus in Leonberg (Baden-Württemberg) gibt die freie Form des Vollzuges den straffälligen Jugendlichen die Chance, sich außerhalb von Gefängnismauern und der damit verbundenen negativen Beeinflussung durch andere Gefangene auf ein Leben ohne Straftaten vorzubereiten. Durch die positive Gruppenkultur und durch ein familienähnliches Zusammenleben können sie positives Sozialverhalten eintrainieren und erlernen. Straftaten, Gewalt-, Sucht- und andere Problematiken werden aufgearbeitet. Gleichzeitig werden sie im schulischen Bereich, in der beruflichen Bildung und im Freizeitbereich gefördert. Hier bestehen gute Vermittlungschancen ins Handwerk und in die Industrie.

Auch der sogenannte Jugendarrest gehört gemäß Jugendgerichtsgesetz zur Sanktionskategorie der Zuchtmittel. Diese sind konzeptionell zwischen Erziehungsmaßregeln und Jugendstrafe angesiedelt, haben jedoch nicht die Rechtswirkung einer Strafe. Die Verhängung eines Zuchtmittels kommt dann in Betracht, wenn die Anordnung von Erziehungsmaßregeln nicht mehr ausreicht und die Verhängung von Jugendstrafe (noch) nicht geboten ist. In den baden-württembergischen Jugendarresteinrichtungen in Göppingen und Rastatt erhalten die jungen Menschen ein bedarfsgerechtes und wissenschaftlich fundiertes Förderprogramm zur Stärkung ihrer Selbst- und Sozialkompetenz. In Gruppenarbeit und begleitenden Einzelgesprächen werden soziales Wissen, soziale Einstellungen und soziales Verhalten vermittelt.

Die schulische Bildung, Arbeit und Ausbildung der Gefangenen und Sicherungsbewahrten bilden einen der wichtigsten Schwerpunkte der zielgerichteten Resozialisierung. Durch anerkannte Abschlüsse verbessern sich die Startbedingungen entlassener Gefangener. Die Eröffnung von Bildungschancen und die Vorbereitung auf das Berufsleben ist daher ein wichtiger Beitrag für eine erfolgreiche soziale Eingliederung der Gefangenen und hat daher einen hohen Stellenwert im Strafvollzug.

Weitere Programme aller Altersgruppen für zukünftige Wiedereingliederung in die Gesellschaft und in ein straffreies Leben sind unter anderem: Anti-Gewalt-Trainings, Therapieangebote, Seelsorge oder Freizeitmöglichkeiten.

Wichtig sind vor allem Rückfallvermeidungs-Strategien. Neben den bereits erwähnten Strategien im Gefängnis wie schulische Bildung, ist eine andere Strategie der Erhalt des erwirtschafteten Geldes im Gefängnis durch eine Arbeitstätigkeit. Hier bekommen die Gefangenen lediglich einen Teil ihres Einkommens ausbezahlt. Der Rest wird für sie verwaltet und kann während der Haft nicht verwendet werden. Dadurch verfügen die Gefangenen nach der Haftentlassung über die nötigen finanziellen Mittel um sich gut in die Gesellschaft zu integrieren.

Sicher ist auch, dass die Zeit im Gefängnis sinnvoll genutzt werden sollte. Therapien in denen sich Täter mit ihrer Tat auseinandersetzen haben nach der Haft größere Chancen ein ehrliches Leben zu führen. Dies ist auch eine Art von Opferschutz.

Leider gibt es immer noch zu wenig Therapieangebote und Resozialisierungsprogramme. Hier muss sich dringend etwas verändern.

Da die Strafvollzugsetze Ländersache sind, haben wir auf Bundesebene wenig Einflussmöglichkeiten auf die einzelnen Gesetze und Handhabungen in den Gefängnissen.

Doch gerade im offenen- und im freien Vollzug orientieren sich die Länder am norwegischen Modell. Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meinen Ausführungen weiterhelfen konnte.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Michael Link, MdB

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