Sehr geehrter Herr Roth, kann ich davon ausgehen, dass Sie dem Verbotsantrag gegen die AfD zustimmen werden?
Die AfD ist in einigen Bundesländern gesichert Rechstextrem, hat einen Landesvorsitzenden Faschisten und spätestens ihr Auftritt in Thüringen hat gezeigt, dass diese Partei die Demokratie von Innen zerstören will. Setzen Sie sich für die Demokrarie ein und leiten ein Verbotsverfahren ein?
Sehr geehrter Herr W.,
für Ihre Nachricht bedanke ich mich. Ihre Bedenken bezüglich der AfD teile ich. Es ist verständlich, dass man sich über viele Dinge ärgern oder sorgen kann. Das tue ich bisweilen auch. Sei es über eine Regierung, die häufig streitet, bereits gefundene Kompromisse wieder in Frage stellt und zu oft ihre Entscheidungen nicht gut genug erklärt, die unpünktliche Bahn, die häufigen Streiks, gestiegene Preise, den furchtbaren russischen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine oder der Terror gegen Israel. Doch all dies rechtfertigt keinesfalls die Wahl der AfD. Einer Partei, die einfache Lösungen für komplexe Probleme vorgaukelt, die gegen Minderheiten hetzt, Lügen verbreitet und eine "Remigration" plant, was letztlich auf eine Ausweisung unliebsamer Menschen abzielt.
Bereits im Jahr 2019 bezeichnete ich die AfD als "den parlamentarischen Arm des Rechtsterrorismus", und leider lag ich damit richtig. Wir müssen uns dieser bitteren Wahrheit stellen, dass in ganz Deutschland eine gefestigte Verachtung gegenüber der Demokratie und eine Geringschätzung der Freiheit existiert. Deutschland steht vor einer der größten Bewährungsproben seit der grausamen Zeit des Nazi-Terrors. Daher ist der entschlossene Kampf gegen Nationalismus, Antisemitismus, Rassismus und Populismus für mich ein Herzensanliegen. Einer Partei, die auf Abschottung und Demokratieverachtung setzt, muss klar und deutlich widersprochen werden.
Es wird auch für die anstehende Bundestagswahl im kommenden Jahr besonders wichtig sein, dass sich alle Demokratinnen und Demokraten bei allem notwendigen Streit in der Sache unterhaken. Demokratische Gesinnung darf jedoch nicht nur auf Politikerinnen und Politiker delegiert werden. Jetzt sind Bürgerinnen und Bürger gefragt, die sich gegen Hass und Hetze, Lüge und Gewalt aussprechen. Menschen, die nicht nur miteinander streiten, sondern vor allem einander auch zuhören. Bürgerinnen und Bürger, die sich mit Respekt und Anstand begegnen.
Die AfD ist eine Partei, die in weiten Teilen nicht auf dem Boden unseres Grundgesetzes steht. In drei Ländern wird sie bereits als "gesichert rechtsextrem" eingestuft. Man kann es durchaus versuchen, sie verbieten zu lassen. Ein solches Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht muss jedoch gut vorbereitet sein. Zwei Versuche, die NPD zu verbieten, sind in der Vergangenheit bereits gescheitert. Wenn ein Verbotsverfahren eingeleitet wird, muss es am Ende auch erfolgreich sein, um der AfD nicht noch in die Karten zu spielen.
Kurzfristig wird sich durch ein solches Verfahren überhaupt nichts ändern. Wir müssen daher Flagge zeigen und in die politische Auseinandersetzung mit der AfD gehen. Die Feindinnen und Feine der freiheitlichen und sozialen Demokratie, unserer offenen Gesellschaft, dürfen nicht die Gelegenheit bekommen, sie Stück für Stück, Schritt für Schritt, ganz schleichend abzuschaffen. Wir alle sind gefragt. Jeden Tag. Im Kleinen wie im Großen.
Mit herzlichen Grüßen
Michael Roth