Frage an Nikolas Löbel bezüglich Menschenrechte

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Nikolas Löbel
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Frage an Nikolas Löbel von Otto R. bezüglich Menschenrechte

Sehr geehrter Herr Löbel,

in wenigen Tagen endet das Rüstungsexportmoratorium gegen Saudi-Arabien. Daher bitte ich Sie, sich für einen umfassenden Rüstungsexportstopp für alle Länder der von Saudi-Arabien geführten Militärkoalition im Jemen-Krieg einzusetzen. Das haben am 13.03.2020auch insgesamt 32 namhafte Entwicklungs-, Friedens-, Menschenrechts und humanitäre Organisationen in einem „Offenen Brief an die Mitglieder des Bundessicherheitsrates“ gefordert, siehe:
https://www.aufschrei-waffenhandel.de/termine-aktionen/offener-brief/#c11719

Im Jemen sind 24 Millionen (80% der Bevölkerung), davon 12,3 Millionen Kinder, auf humanitäre Hilfe angewiesen. Zehn Millionen Menschen leiden stark an Hunger, 3,2 Millionen sind akut mangelernährt - darunter zwei Millionen Kinder unter fünf Jahren und über eine Millionen schwangere und stillende Frauen.

Das Leiden und Sterben der Menschen setzt sich trotz des Hodeidah-Abkommens und des Abkommens von Stockholm fort, wie der Tagesspiegel am 13.12.2019 berichtet, siehe https://www.tagesspiegel.de/politik/jemens-katastrophe-24-millionen-jemeniten-brauchen-hilfe/25329664.html

Angesichts der furchtbaren Situation für die Menschen im Jemen frage ich Sie, was Sie von dem Offenen Brief halten und was Sie zu tun gedenken, dass durch deutsche (und europäische!) Rüstungsexporte nicht noch mehr Öl in diesen Brandherd gegossen wird.

Außer den humanitären Gründen für den Rüstungsexportstopp gibt es auch zwingende rechtliche Gründe. Im Jemen wird seit den fünf Jahren des Krieges gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen, weil die kriegführenden Parteien mit früher und während des Krieges gelieferten Waffen immer wieder Zivilsten töten. Das hat die UN-Koordinatorin für humanitäre Hilfe, Lise Grande, beklagt, nachdem erst im Februar erneut 30 Zivilisten getötet wurden.

Außerdem missachtet Deutschland und andere europäische Lieferländer mit den Rüstungsexporten den Gemeinsamen Standpunkt der EU zu Rüstungsexporten. Zusätzlich verstoßen sie gegen den internationalen Waffenhandelsvertrag (Arms Trade Treaty).

Für das Leiden und Sterben der Menschen im Jemen sind nicht nur die Regierungen der EU-Lieferländer wegen ihren Genehmigungen verantwortlich sondern auch die Waffen liefernden deutschen und europäischen Rüstungsunternehmen. Firmen wie Airbus Defence (E + D), BAE Systems (GB), Dassault Aviation (F), Leonardo (I), MBDA (GB + F), Raytheon Systems (GB), Thales (F) und Rheinmetall AG und ihre Tochterfirma RMW Italia haben Eurofighter, Tornados, MK80 Bomben geliefert. Diese wurden bei Angriffen der Militärkoalition auf Wohnhäuser, Märkte, Krankenhäuser und Schulen eingesetzt. Das haben Menschenrechtsorganisationen dokumentiert.

Daher haben die jemenitische Menschenrechtsorganisation Mwatana for Human Rights sowie u. a. Amnesty international und European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) im Dezember 2019 beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) Anzeige u. a. gegen Rheinmetall und Airbus Defence gestellt, weil sie Beihilfe zu mutmaßlichen Kriegsverbrechen geleistet haben, siehe
https://www.ecchr.eu/nc/pressemitteilung/die-rolle-europaeischer-ruestungskonzerne-und-behoerden-im-jemen-krieg-ist-ein-fall-fuer-den-haag/

Wie stehen Sie zu dieser Anzeige und sind Sie angesichts derartiger Tatsachen bereit, sich für die Umstellung von militärischer auf Zivilgüterproduktion (Rüstungskonversion) im Allgemeinen und bei Rheinmetall und Airbus im Besonderen einzusetzen?

Mit hoffnungsvollen Grüßen
Otto Reger

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Antwort von
parteilos

Sehr geehrter Herr Reger,

herzlichen Dank für Ihre Nachricht, die ich Ihnen gerne beantworten möchte.
Sie haben völlig Recht, dass das Leid der Menschen im Jemen schleunigst beendet werden muss. Es sind bereits zu viele Menschen in diesem aussichtslosen Konflikt ums Leben gekommen. Das muss endlich ein Ende haben.

Die Lösung von Konflikten ist aufgrund der Komplexität der jeweiligen Situationen eine der schwierigsten Aufgaben, mit denen wir uns in der Außenpolitik zu befassen haben. Auch für den Jemen-Konflikt gibt es leider keine einfache Lösung. Gerade in Deutschland sind wir stets bemüht, unseren außenpolitischen Einfluss für Stabilität, Sicherheit und den Schutz der Menschen und des Lebens in der Region geltend zu machen, der jedoch leider stark auf unserer wirtschaftlichen Stellung gründet.

Im Jemen-Konflikt gab es im letzten Jahr wichtige Schritte in Richtung Konfliktbeilegung. Mit den saudischen Bemühungen im November 2019, mit allen Beteiligten ein Waffenstillstandsabkommen zu vereinbaren und zu einer friedlichen Lösung im Jemen zu kommen, ist Saudi-Arabien bereits in Teilen den internationalen Forderungen nachgekommen. UNO und IKRK erklärten jüngst, der letzte Gefangenenaustausch im Februar dieses Jahres sei eine wichtige Etappe zur Umsetzung des Stockholmer Abkommens von 2018.

Angesichts der oben beschriebenen Position Deutschlands bin ich der Meinung, wir sollten das sehr strikte Waffenexportverbot gerade so lockern, dass Deutschland als wichtiger Teil der internationalen Gemeinschaft in der Lage bleibt, Einfluss ausüben zu können, um auch gerade im direkten Austausch mit Saudi-Arabien auf eine nachhaltige friedliche Lösung des Konflikts hinwirken zu können. Ich sehe nicht, dass dies bei einer Fortsetzung des Verbots gegeben sein wird. Damit verlören wir nur noch weiter an Einfluss. Es wäre im Jemen niemandem geholfen, wenn die Waffen einfach woanders bezogen würden, von wo keinerlei Bedingungen an die Exporte geknüpft wären.

Denn um für eine angemessene Sicherheitsarchitektur und Stabilität in der Region zu sorgen, gerade auch mit Hinblick auf die immer währende Gefahr aus dem Iran, sollte jeder Export in kommender Zeit einzeln beurteilt werden.

Ich hoffe, Ihnen meine Position in dieser schwierigen Situation damit etwas näher gebracht zu haben.

Mit freundlichen Grüßen
Nikolas Löbel