Frage an Norbert Brackmann von Jörn S. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Brackmann,
vorab mein Dank für die schnelle und individuelle Beantwortung meiner Frage. Ich finde Ihr Verhalten hier auf Abgeordnetenwatch vorbildlich.
Dennoch muss ich auf Ihre Antwort Nachfragen stellen, welche sich aufgrund der Faktenlage ergeben.
1. Der Bericht der Enquete-Kommission spricht hinsichtlich der Bepreisung von CO2 stets von einer CO2-Steuer bzw. Energiesteuer. Auf Seite 508 den Berichtes (links unten) wird von einem Zertifikat-System als globales/regionales (mit regional ist wohl kontinental gemeint) Instrument gesprochen. Zitat:
"Es wäre auch vorstellbar, daß im internationalen Rahmen eine Zertifikat-Lösung eingeführt wird, die den einzelnen Staaten, Staatengemeinschaften oder anderen Gebietskörperschaften Kontingente für maximale Emissionsmengen klimawirksamer Spu-rengase vorgibt. Sollte es dazu im weltweiten oder regionalen Rahmen kommen, dann wäre es möglich, daß die im Wege einer transnationalen Kooperation - TNK - erreichten Minderungen von CO2-Emissionen in einem durch die Kooperation begünstigten Lande ganz oder teilweise dem Emissions-Kontingent des begünstigenden Landes zugerechnet werden." Zitat Ende.
Frage: Teilen Sie die Meinung, dass ein Zertifikat-System nur dann erfolgreich sein kann, wenn dieses global, bzw. mindestens kontinental eingeführt werden würde?
2. Eine am 04.06.2019 veröffentlichte Studie des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) (Quelle: https://www.pik-potsdam.de/news/press-releases/german-coal-phase-out-could-be-in-vain-without-co2-pricing?set_language=de ) kommt zu dem Ergebnis, dass ein Zertifikat-System keine Lösung bringen würde und nur eine CO2-Steuer eine wirkliche Steuerungsfunktion erfüllen könnte.
Frage: Wie kommen Sie zu der Aussage, dass eine CO2-Steuer keine Steuerungswirkung hätte? Das Beispiel Schweden belegt das Gegenteil und auch die Forschungsergebnisse des PIK oder Ergebnisse von Herrn Prof. Quaschning (welche fraglos beide kompetent in der Frage sind) widersprechen.
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Nachfragen, die ich gerne beantworte.
I. Der Bericht ist nun über 25 Jahre alt. Die Zeit hat den Bericht und seine Feststellungen in vielen Teilen längst überholt. Wir leben heute bereits in einer Welt, in der es einen funktionierenden europäischen Emissionszertifikatehandel für den Strom- und Industriesektor gibt. Wir sind sogar einen Schritt weiter. Die Schweiz hat ein Emissionszertifikatehandel eingeführt und diesen 2017 mit dem EU-Zertifkatemarkt verknüpft. Daneben haben sich auch Norwegen, Island und Liechtenstein dem EU-Emissionshandel angeschlossen. Das zeigt, dass wir auf wem Weg zu einem echten europäischen Zertifikatemarkt sind. Neben dem europäischen Zertifikatehandel sind über die Jahre auch zahlreiche regionale Zertifikathandelssysteme entstanden, beispielsweise in den US-Bundesstaaten Californien und Massachusetts, in Tokyo oder auch in Südkorea. In 2017 hat sogar China einen Emissionszertifikatehandel für den Stromsektor gestartet. Mit 4,5 Milliarden Tonnen gehandelten CO2 übertrifft das chinesische System den EU-Emissionszertifikatehandel mit seinen rund 2 Milliarden Tonnen bei weitem.
Daneben gibt es in vielen Ländern eine CO2-Steuer. Wir leben insofern in einer Welt mit zwei Systemen zur Bepreisung von CO2. Beide Systeme haben ihre Berechtigung, aber auch ihre Vor- und Nachteile. Die Frage ist, welches Ziel wir erreichen wollen und welchen Preis wir dafür bereit sind zu zahlen. Der Sachverständigenrat der Bundesregierung hat im Juli ein Sondergutachten vorgelegt. Demnach sei die CO2-Steuer ein schneller Weg zu den nationalen Klimazielen im Jahr 2030. Mit der Erreichung der nationalen Klimaziele ist der Klimawandel aber nicht gestoppt oder die europäischen bzw. globalen Klimaziele auch nur ansatzweise erreicht. Der Sachverständigenrat macht deshalb deutlich, dass die Ausweitung des europäischen Handels mit CO2-Emissionszertifkaten auf die Sektoren Verkehr und Gebäude eigentlich die bessere Lösung wäre. Wegen der Abstimmungen innerhalb Europas gilt dies kurzfristig aber als nicht umsetzbar.
Dann stellt sich die Frage, wie teuer eine CO2-Steuer für jeden Bürger und die Unternehmen wirklich wird. Bislang werden nur Preise je Tonne CO2 genannt. Was dies aber monetär für jeden Einzelnen im Monat bedeutet, ist bislang unklar - ebenso die Auswirkung auf die Industrie. Die aktuelle Debatte bietet jedoch die historische Chance, die kleinteilige, teure und ineffiziente deutsche Klimapolitik so umzustellen, dass die Bepreisung von CO2 im Zentrum steht. Dazu tagt momentan das Klimakabinett, das im September Entscheidungen über die weitere Bepreisung von CO2 präsentieren wird.
II. Der CO2-Steuer habe ich die Steuerungswirkung nicht abgesprochen. Wenn CO2 mit hohen Abgaben besteuert wird, wird sich selbstverständlich eine Reduktion einstellen. Jedoch ist die Frage, ob der Preis die nötige Menge an CO2 zur Einsparung bringt oder ob nicht der Preis weiter erhöht werden muss, weil sich Bürger und Unternehmen dies noch leisten konnten. Die genaue Steuerung der Emissionseinsparungen ist kaum möglich. Der Emissionshandel ermöglicht es hingegen, durch Verknappung der Zertifikate Emissionsreduzierungen genau vorzugeben. Zudem werden Emissionen dort reduziert, wo die Kosten tief liegen. So lassen sich Klimaschutzziele kostengünstig erreichen.
Grundsätzlich stimme ich Ihnen zu, dass Schweden ein gutes Beispiel für Lenkungswirkung der CO2-Steuer ist. Jedoch ist das Bild etwas schief, wenn man den Erfolg nur auf die CO2-Steuer abstellt. In Schweden gibt es mit Wasserkraftwerken und Atomkraftwerken CO2-freie alternativen in der Stromproduktion, die uns in Deutschland nicht zur Verfügung stehen. Und schaut man auf den Verkehrsbereich, so gelingt es Schweden nicht, den CO2-Ausstoss so zu senken, wie man sich das eigentlich vorgenommen hatte. Statt einer Verminderung liegen die Emissionen seit Jahren auf nahezu unverändertem Niveau. Die Treibhausgasemissionen im Straßenverkehr sind 2018 nicht gesunken, sondern sogar marginal gestiegen.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Brackmann