Frage an Özlem Demirel bezüglich Humanitäre Hilfe

Özlem Demirel
Özlem Demirel
DIE LINKE
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Frage von Jasmin H. •

Frage an Özlem Demirel von Jasmin H. bezüglich Humanitäre Hilfe

Bitte um Hilfe für die geflüchteten Menschen und die einheimische Bevölkerung an der EU-Außengrenze Kroatien / Bosnien-Herzegowina.
Frau Demirel,
Initiativen wie SOS Balkanroute, aber auch Privatpersonen wie Alea Horst setzen sich in Bosnien für die Verbesserung der Situation der oft zwangsweise in Wäldern und verfallenden Fabrikgebäuden lebenden Geflüchteten ein und senden tagesaktuelle Berichte bei facebook. Eine Weiterreise der Geflüchteten wird oft von illegalen, gewalttätigen Pushbacks durch kroatische, von der EU aus unseren Steuergeldern finanzierte Grenzbeamte verhindert. Da die Situation in den Gebieten der EU-Außengrenze auch für die einheimische Bevölkerung schwierig ist, kam es im Jahr 2020 teilweise zu pogromartigen Ausschreitungen der überforderten Bevölkerung. Camp Lipa wurde geräumt und brannte, so dass weitere etwa Tausenfünfhundert Menschen nicht mal mehr eine Zeltunterkunft hatten - von Wärme , Strom, fließend Wasser und genug zu essen ganz zu schweigen. Die Verteilung in ein anderes Lager oder in eine Kaserne wurde von der Bevölkerung verhindert. Jetzt sind die Geflüchteten zurück in Lipa, wo das Militär wohl auf inernationalen Druck hin neue Zelte aufgebaut hat, Strom und Wasseranschlüsse, ausreichende Nahrung und Wärme gibt es weiter nicht. Flüchtlinge sind in einen Hungerstreik getreten, um auf ihre verzweifelte Lage aufmerksam zu machen.
Da Sie als Europaabgeordnete/r im Rahmen Ihrer Tätigkeiten für den Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten für Bosnien-Herzegowina zuständig sind, bitte ich Sie um Hilfe für diese Menschen. Es geht um viele Menschenleben, Menschen, die in den Wäldern zu erfrieren und verhungern drohen - direkt an unserer Türschwelle. Dazu gehört eine sofortige überlebenssichernde Nothilfe genauso wie das Ende der Grenzgewalt und ein politisches Konzept für die Kontrolle des Einsatzes der Fördergelder sowie die Verteilung der Hilfsgüter auf lokaler Ebene.
Was werden Sie tun, um diese humanitäre Katastrophe zu beenden?

Özlem Demirel
Antwort von
DIE LINKE

Ich bedanke mich für Ihre Frage und für die Ermutigung, die sie mir im
Hinblick auf mein Engagement für Geflüchtete gibt. Nur der unermüdliche
Einsatz vieler Menschen wie Sie, wird auf die Dauer eine Veränderung der
Lage bewirken.

Leider ist die Lage von Menschen, die Schutz und Aufnahme in der EU
suchen noch immer katastrophal und hat sich in diesem Winter wieder
zugespitzt.

Im März des vergangenen Jahres war ich für mehrere Tage im
griechisch-türkische Grenzgebiet, um mir vor Ort ein Bild der Lage zu
machen. Die Situation der Menschen in den Hotspots war schon damals
unerträglich und hat sich seitdem weiter zugespitzt. Alleine in dem für
3.000 Menschen ausgelegten Geflüchtetenlager Moria mussten knapp 20.000
schutzbedürftige Menschen ausharren. Es gab so gut wie keine
medizinische und sanitäre Versorgung, tausende Kinder waren Elend und
Gewalt schutzlos ausgeliefert.

Seit Jahren kommen Menschen auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung und
Folter nach Europa, in der Hoffnung, hier Sicherheit zu finden. Seit
Monaten und Jahren warnen Geflüchtete, Helfer*innen, Humanist*innen und
Aktivist*innen, dass eines Tages eine Katastrophe passieren wird. Am 9.
September 2020 war es soweit. Ein riesiges Feuer zerstörte Europas
größtes Flüchtlingslager, 13.000 Menschen wurden obdachlos, hungerten
und waren ohne jegliche Unterstützung. Helfern und Journalisten wurde
der Zutritt verwehrt. Menschen starben, und die Welt schwieg - wieder
einmal.

Wenige Monate später das gleiche Bild in Lipa, nahe der bosnischen Stadt
Bihac. Die Internationale Organisation für Migration schloss einen Tag
vor Weihnachten das Aufnahmelager, weil es nicht winterfest war,
daraufhin brannten die Zelte. Rund 1.300 Flüchtlinge waren ohne Obdach.
Im Dezember 2019 bereits habe ich mich vor Ort von den
menschenunwürdigen Bedingungen entlang der so genannten Balkanroute
überzeugen können, habe die Grenzregionen von Bosnien, Kroatien und
Slowenien bereist. Damals wurde mir auch bereits von den vielen
extralegalen Push-Backs berichtet.

Genug ist genug – Alle Lager müssen umgehend evakuiert werden. Nach
Jahren der Menschenrechtsverletzungen und vielen Toten ist es an der
Zeit, dass Europa sich für die Menschlichkeit einsetzt. Die Geflüchteten
müssen in angemessenen Unterkünften, in Übereinstimmung mit der
Internationalen Erklärung der Menschenrechte und der Charta der
Grundrechte der Europäischen Union untergebracht werden. Die illegalen
Push-Backs an der Außengrenze der Europäischen Union müssen sofort ein
Ende haben! Es darf keine weitere Kriminalisierung von Solidarität und
humanitärer Hilfe geben!

Ich verspreche Ihnen, dass ich auch in 2021 weiter für die Rechte von
Geflüchteten streiten werde.

Was möchten Sie wissen von:
Özlem Demirel
Özlem Demirel
DIE LINKE