Frage an Olaf Scholz von Jens E. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Scholz,
in der Spiegel-Ausgabe 43/2007 ist auf S. 150 eine Anekdote überliefert, wonach Sie bei Ihrer Fraktionskollegin und Tempo 130-Befürworterin Heidemarie Wright angerufen und ihr folgendes zu verstehen gegeben haben: "Verfolg das [Tempolimit von 130] nicht weiter. So was macht man nicht. Nicht gegen den eigenen Minister."
Stimmt dieses Zitat (zumindest sinngemäß)? Wenn ja: Ich dachte und hoffte, Politik sei für die Menschen da und erfolge nicht in erster Linie aus Parteiräson.
Ihr Argument ist auch nicht überzeugend, denn ein anderer SPD-Minister, Umweltminister Gabriel hat sich wie Frau Wright für ein Tempolimit ausgesprochen http://www.focus.de/auto/unterwegs/co2/co2-emissionen_aid_125701.html
Wie groß war in diesem Zusammenhang der Einfluss der Automobillobby, deren Wirken in dem Spiegel-Artikel ausführlich illustriert wird? Gesundheitsministerin Ulla Schmidt wagte kürzlich auf Abgeordnetenwatch die gewagte These, der Einfluss von Lobbygruppen auf Abgeordnete sei völlig abwegig http://www.abgeordnetenwatch.de/ulla_schmidt-650-5611--f68700.html#frage68700
An diesem Wochenende hat der SPD-Parteitag für ein Tempolimit von 130 kmh gestimmt. Fühlen Sie und die SPD-Abgeordneten sich an den Parteitagsbeschluss gebunden und werden sich in der Koalition für die Einführung eines Tempolimits einsetzen?
Mit freundlichen Grüßen
Jens Erler
Sehr geehrter Herr Erler,
vielen Dank für Ihre Email. Lassen Sie mich zu Beginn ein paar Worte zum Thema "Lobbyismus" sagen.
Ich habe noch nie mit einem Vertreter der sog. Automobillobby über ein Tempolimit gesprochen. Im Übrigen kenne ich gar keinen Vertreter der Automobillobby persönlich (bis auf Herrn Wissmann aus seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter).
Ich verstehe die Klagen mancher Abgeordneter über den Einfluss von Lobbyisten auch nicht. Fast niemand bestreitet, dass es in einer Demokratie wichtig und notwendig ist, dass man zu den unterschiedlichsten Gesetzgebungsverfahren die Meinung und die "Interessenvertretung" von Verbänden, Unternehmen, Experten, Organisationen, usw. einholt. Das finde ich, wie die meisten Bürgerinnen und Bürger und fast alle Abgeordneten, völlig unproblematisch. Welche Schlüsse die Abgeordneten aus diesen Gesprächen ziehen, müssen sie selbst entscheiden. Ein selbstbewusster Abgeordneter kennt die Argumente der Interessenvertreter aller Positionen und bildet sich vor diesem Hintergrund ein eigenes Urteil und entscheidet bzw. handelt auf der Grundlage seines eigenen Urteils.
Zum Beschluss des SPD Parteitages zum Tempolimit möchte ich Ihnen ebenfalls gerne antworten. Ich fände es gespenstisch, wenn unser Parteitag nur so beschließen würde, wie es der Parteivorstand vorschlägt. Das wäre keine Demokratie. Im Übrigen hat die SPD nicht zum ersten Mal ein Tempolimit auf einem Parteitag beschlossen. Ich will Ihnen aber nicht verschweigen, dass ich persönlich vom Nutzen eines allgemeinen Tempolimits auf Autobahnen bisher nicht überzeugt bin. Dies geht, entgegen Ihrer Annahme, dem Bundesumweltminister ähnlich.
Auf der Homepage des Bundesumweltministeriums finden Sie einige Interviews von Herrn Gabriel zu dem Thema. Darin stellt er zwar fest, dass er persönlich nichts gegen ein Tempolimit habe. Allerdings nur, weil es die Verkehrsunfälle reduziere und die schweren Verletzungen. Weiter sagt er: "Nur zu glauben, mit dem Tempolimit alleine würden wir ein Problem klären im Verkehrssektor - die USA haben das schärfste Tempolimit, aber die größten Dreckschleudern im Straßenverkehr laufen..."
Trotzdem können Sie sich ganz sicher sein, dass Beschlüsse des SPD Parteitages für die Abgeordneten der SPD-Bundestagsfraktion stets großes Gewicht haben und wir versuchen, diese durchzusetzen. Regierungen werden meist als aus Koalitionen mehrerer Parteien gebildet. Da sich die Vorsitzende der CDU bereits sehr deutlich gegen den Beschluss des Parteitages der SPD gestellt, bin ich skeptisch, ob wir uns in der Großen Koalition darauf verständigen können.
Sehr geehrter Herr Erler, zu meinem Selbstverständnis als Abgeordneter gehört es, dass ich aus vertraulichen Gesprächen öffentlich nicht berichten werde. Deshalb möchte ich zu dem Spiegel-Artikel nur kurz antworten: Ich habe mit Heidi Wright das weitere Vorgehen zu ihrem Antrag besprochen und wie ihr Tempolimit-Antrag weiter behandelt werden wird. Dabei habe ich auch darauf hingewiesen, dass das Thema in den Verantwortungsbereich von Bundesminister Tiefensee fällt. In der Fraktion und in den Arbeitsgruppen wird das Thema jetzt auch, wie mit Heidi Wright in dem Gespräch besprochen, diskutiert.
Mit freundlichen Grüßen
Olaf Scholz