Ihre Partei setzt sich für den Ausbau der Digitalisierung ein. Wie wollen Sie aber den damit im Zusammenhang stehenden Gefahren begegnen?

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Oliver Kaczmarek
SPD
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Frage von Reinhard G. •

Ihre Partei setzt sich für den Ausbau der Digitalisierung ein. Wie wollen Sie aber den damit im Zusammenhang stehenden Gefahren begegnen?

Sehr geehrter Herr Kaczmarek,

Ihre Partei setzt sich für den Ausbau der Digitalisierung ein. Wie wollen Sie aber den damit im Zusammenhang stehenden Gefahren begegnen?
Nur einige Beispiele: Die menschliche Arbeitskraft wird durch künstliche Intelligenz oder Roboter ersetzt, Angriffe durch Hacker oder verschiedene Geheimdienste (z.B. bei Konflikten), Wirtschaftsspionage aus Ost und West, Ausfall der Systeme und der Versorgung (Strom, Trinkwasser) bei starken „Sonnenstürmen“, immer weniger informelle Selbstbestimmung der Bürger, zunehmend weniger menschliche Kontakte, höhere Abhängigkeit von internationalen, nicht europäischen IT-Giganten, Umweltschäden z.B. beim Abbau seltener Erden usw.

Mit freundlichen Grüßen

https://www.merkur.de/welt/sonnensturm-erde-folgen-apokalypse-strom-internet-ausfall-wissenschaftlerin-warnung-90965949.html

https://www.pcwelt.de/news/Wissenschaftlerin-warnt-Internet-Zusammenbruch-durch-starken-Sonnensturm-11094951.html

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr G.,

vielen Dank für Ihre Anfrage, in der Sie die zentralen Herausforderungen der Digitalisierung beschreiben. Ich teile Ihre Auffassung, dass die digitale Gesellschaft politisch gestaltet werden muss, damit wir die Chancen der Digitalisierung für alle eröffnen und die ebenfalls damit einher gehenden Risiken minimieren.

Die SPD hat sich als erste Partei ein digitales Grundsatzprogramm für die digitale Gesellschaft gegeben, welches Sie hier abrufen können: https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Bundesparteitag_2015/B23_M_1__DigitalLeben____SPD_Grundsatzprogramm_fu__r_die_digitale_Gesellschaft.pdf

Auch in unserem Zukunftsprogramm zur Bundestagswahl nimmt das Thema Digitale Souveränität in Deutschland und in Europa einen großen Stellenwert ein (ab Seite 13): https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Beschluesse/Programm/SPD-Zukunftsprogramm.pdf

Zu den von Ihnen angesprochenen Fragestellungen möchte ich wie folgt kurz Stellung nehmen.

Wir wollen verantwortungsvolle Künstliche Intelligenzen (KI) und Algorithmen, die vorurteilsfrei programmiert sind und auf diskriminierungsfreien Datenlagen basieren. Wenn der Einsatz von Algorithmen, zum Beispiel bei der Personalrekrutierung, über die Lebenschancen von Menschen mitentscheidet, dürfen sie niemals diskriminieren. Dies soll regelmäßig geprüft und zertifiziert werden.

Die Enquete-Kommission "Künstliche Intelligenz" und die Datenethikkommission der Bundesregierung haben in dieser Legislaturperiode sehr gute Regelungsvorschläge erarbeitet, die zum Teil bereits auch Eingang in die KI-Strategie und die Datenstrategie der Bundesregierung gefunden haben. Viele Vorschläge blieben aber in der Großen Koaltion strittig.

Wir werden auf dieser Basis einen entsprechenden Rechtsrahmen für KI, Algorithmen und automatisierte Entscheidungen schaffen. Dazu gehören insbesondere auch Regelungsvorschläge für den Bereich der digitalen Arbeit und dem Schutz der Beschäftigten. Entscheidende Bedeutung kommt hierbei dem von uns geforderten Recht auf digitale Bildung und Weiterbildung zu, um die Menschen fit zu machen für die Herausforderungen der digitalen Arbeitswelt und der digitalen Gesellschaft. Hierauf geht auch das SPD- Konzept für einen neuen Sozialstaat ein: https://www.spd.de/fileadmin/Bilder/SPDerneuern/201902_PV-Klausur/20190210_Neuer_Sozialstaat.pdf

Auch von staatlichen Stellen geht mit Blick auf KI aufgrund der staatlichen Hoheitsstellung ein erhöhtes Schadensrisiko aus. Staatliche Stellen müssen daher auch bei der Automatisierung ihrer Entscheidungen besonders hohen Anforderungen unterliegen und ihre Entscheidungen in besonderem Maße transparent machen. Dort wo Systeme eingesetzt werden ist stets die verstärkte Entwicklung, Anschaffung und Verwendung nicht-proprietärer Open-Source Software das Ziel. In der Entscheidung, welches System in den staatlichen Einsatz kommt, müssen Transparenz und Erklärbarkeit des Systems eine tragende Rolle spielen. Wir werden zudem die Rüstungskontrolle auch in den Bereichen Cyber und Künstliche Intelligenz etablieren.

Große Bedeutung kommt der Cybersicherheit als Grundlage für eine erfolgreiche Digitalisierung zu. Über die bereits umgesetzten Maßnahmen des IT-Sicherheitsgesetzes 2.0, welches wir fortlaufend weiterentwickeln müssen, wollen wir das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik als zentrale, unabhängige und ausschließlich präventiv ausgerichtete Cybersicherheitsbehörde stärken und die Verschlüsselungsforschung ausbauen. Wir wollen Hersteller darauf verpflichten, Softwareprodukte, digitale Dienste und technische Geräte so zu konzipieren, dass sie sicher sind (Security by Design) und dass sie bei den Standardeinstellungen die sicherste Variante wählen (Security by Default). Digitale Hintertüren sollen nicht offengehalten werden.

Mit dem IT-Sicherheitsgesetz 2.0, welches im Frühjahr 2021 nach langen und schwierigen parlamentarischen Beratungen verabschiedet wurde, haben wir den Rechtsrahmen - insbesondere für die Kritischen Infrastrukturen - weiter entwickelt. Es wurden an viele Stellen erhebliche Verbesserungen gegenüber dem Regierungsentwurf erreicht. Auch wenn wir die vollständige Unabhängigkeit des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik mit unserem Koalitionspartner nicht erreichen konnte, wird das BSI gestärkt und personell besser ausgestattet. Das BSI soll ein neutraler Partner sowohl für die Bundesverwaltung, die Wirtschaft als auch die Verbraucherinnen und Verbraucher sein. Der Verbraucherschutz wird Teil des Aufgabenkatalogs des Bundesamts und ein einheitliches IT-Sicherheitskennzeichen eingeführt. Gestärkt werden auch die Vorsorgepflichten von Unternehmen beispielsweise bei den Systemen zur Angriffserkennung und bei den Meldepflichten im Falle eines Hacker-Angriffs. Den Gesetzestext finden Sie hier: https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl121s1122.pdf#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl121s1122.pdf%27%5D__1632150684029

Bedenken, die insbesondere auch in der Öffentlichen Anhörung aufkamen, wurden aufgegriffen und an entscheidenden Stellen Konkretisierungen und Verbesserungen vorgenommen. Schutzziele gemäß der CIA-Regel ‚Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit‘ wurden im Gesetz verankert und Begriffsbestimmungen konkretisiert.

Außerdem wird der Einsatz kritischer Komponenten durch ausländische Unternehmen genau geprüft und dabei klar zwischen technischer Zertifizierung und politischer Entscheidung über die Vertrauenswürdigkeit von Herstellern und Komponenten entschieden.

Was das Recht auf informationelle Selbstbestimmung anbelangt: Datenschutz ist Grundrechtsschutz. Mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) haben wir eine weitgehende Harmonisierung und ein hohes Niveau des Datenschutzrechts in Europa erreicht. Bürgerinnen und Bürger haben ein effektives Instrument zur Durchsetzung ihrer Rechte erhalten; für die Unternehmen gibt es aufgrund des einheitlichen Rahmens mehr Rechtssicherheit und durch das Marktortprinzip gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Akteure auf dem europäischen Markt.

Die DSGVO geht auch auf digitale Themen, die für Verbraucherinnen und Verbraucher erhebliche Auswirkungen haben, zum Beispiel das Profiling. Die Erkenntnisse über den "Datenhunger" einiger global agierender Unternehmen sind für Fachleute nicht überraschend, sie machen für alle deutlich, was möglich ist. Sie zeigen, dass es beim Datenschutz nicht nur um den Schutz des Einzelnen vor dem Missbrauch seiner persönlichen Informationen geht. Es geht auch um den möglichen Einfluss auf unser gesellschaftliches Zusammenleben, wenn versucht wird, durch Verknüpfung von Daten zur Person, Vorlieben und Interessen, deren Auswertung und dann durch gezielte „Informationsvergabe“ an den jeweiligen Betroffenen nicht nur dessen persönliche Kaufentscheidungen, sondern auch die gesellschaftliche beziehungsweise politische Meinungsbildung zu beeinflussen.

Mit freundlichen Grüßen
Oliver Kaczmarek

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